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6 Museen in Augsburg
6.1 MAN-Museum
M.A.N. - diese drei Buchstaben stehen für „Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg". In den Räumen der Forschungsanstalt für Mechanik und Gestaltung wurde 1953 das MAN-Werkmuseum eröffnet. Es zeigt Original-Maschinen und Modelle. 52

Zu sehen ist im Bereich „MAN Diesel & Turbo" der erste Versuchs-Dieselmotor (Foto) von 1893 - 95, mit dem effektive Leistung nachgewiesen werden konnte. Auch der zweite Dieselmotor von 1898 wird gezeigt und erklärt, hinzu kommt ein U-Boot-Motor von 1943. Im Laufgang des Obergeschosses sind diverse Schwarzweiß-Fotos aufgehängt, welche die Technikgeschichte illustrieren.

Gegenüber, auf der linken Seite, werden im Bereich „MAN Truck & Bus" mehrere Lastwagen, Reisebusse und Ackerschlepper sowie Motoren aus unterschiedlichen Epochen ausgestellt.
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Aber auch Druckmaschinen tragen das Kürzel MAN, und zwar unter der Marke Roland. Beide Namensteile wurden vereint zu „manroland". Ältestes Gerät ist eine von Hand betriebene Schnellpresse von 1846, die 1.000 Bogen pro Stunde bedruckte - und bis 1974 arbeitete! Die Hochdruck Rotations-Maschine von 1877 konnte bereits 8.000 Bogen je Stunde verarbeiten, mit dem hier gezeigten Gerät wurde das Meyersche Konversations-Lexikon gedruckt (Foto links: Einbahninge Rotation, Baujahr 1906).

Die Maschinen im Haus erklärte uns Frau Gerlinde Simon so gut, dass wir deren Arbeitsweise gut nachvollziehen können. Aber auch die Erfinder- und Unternehmer-Persönlichkeiten brachte sie uns nahe. Der wichtigste Mann ist natürlich Rudolf Diesel (Porträt unten rechts), der sich schon in seinem Studium über den schlechten Wirkungsgrad der Dampfmaschine ärgerte. Ab 1880 baute er einen Ammoniak-Motor in Eigeninitiative.

1893 erhielt er sein Patent auf „Arbeitsverfahren und Ausführungsart für Verbrennungs-Kraftmaschinen". Er schloss einen Vertrag mit der Maschinenfabrik Augsburg. Herr Diesel widmete sich ausschließlich der Realisierung „seines" Motors. Der Versuchsmotor bringt einen Wirkungsgrad von 16,6 % aus 10 PS im Vier-Takt-Verfahren. Der erste betriebsfähige Dieselmotor (ausgestellt im Deutschen Museum München, siehe Kapitel 7.2) bringt es 1896/97 schon auf 26,2 %, ist 18 PS stark und leistet 154 Umdrehungen in der Minute. Schon ab 1900 verbreitet sich der Dieselmotor weltweit. Bereits 1903 wird er zum Antrieb von Schiffen genutzt. Rudolf Diesel hätte vielleicht noch mehr zum technischen Fortschritt beigetragen, wäre er nicht seit seiner Schiffspassage 1913 verschollen.

An zweiter Stelle folgen Carl Buz und sein Sohn Heinrich von Buz. Der Vater war am Eisenbahnbau von München nach Augsburg ab 1838 beteiligt. Seine Firma fertigte Dampfkessel, -maschinen, Wasserturbinen und Pumpen. Der Sohn baute die erste deutsche Rotations-Maschine und die erste Lindesche Kältemaschine. Außerdem förderte er den Bau des Dieselmotors. 53
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6.2 Textil- und Industrie-Museum
Das „Staatliche Textil- und Industriemuseum"  (kurz tim) wurde 2010 von der Stadt Augsburg und dem Bezirk Schwaben errichtet und wird vom Freistaat Bayern betrieben. Die Ausstellungsräume befinden sich in einer Produktionshalle der ehemaligen Augsburger Kammgarn-Spinnerei (Foto unten, das Museum steht gegenüber) im Augsburger Textilviertel. Kernthema der Dauerausstellung ist die Entwicklung des Spinnens, Webens und Bedruckens von Stoffen in Bayern, Schwaben und vor allem in Augsburg. 54

Die europaweite Textilkrise, die seit den 1960er Jahren zum Verschwinden dieses Industriezweiges führte, machte auch vor dem traditionellen Standort Augsburg nicht halt. Etliche Maschinen wurden verkauft, Fabrikhallen abgerissen. 1996 entstand der „Verein zur Förderung eines Industriemuseums in Augsburg e. V.". Dieser Verein kaufte verschiedene Maschinen und hielt sie in Augsburg. Im selben Jahr kaufte die Stadtsparkasse Augsburg die von der „Neuen Augsburger Kattunfabrik" (NAK) aufbewahrten Musterbücher, deren Abwanderung nach Fernost drohte; sie sind jetzt deutsches Kulturgut. Die 550 lichtempfindlichen Bücher enthalten rund 1,3 Mio. Ideen zu Textilien und bilden ein weltweit einmaliges Stoffmuster-Archiv. Daher darf im ganzen Haus nicht fotografiert werden.

Vom 2007 bis 2010 wurde eine Produktionshalle der ehemaligen „Augsburger Kammgarn-Spinnerei" (kurz AKS, gegründet 1836, geschlossen 2002 bzw. 2004) umgebaut. Von den Investitionskosten von 21 Mio. Euro trug die Stadt elf, das Land sechs und der Bezirk vier Mio. Euro.

Das Motto der Ausstellung lautet „Mensch - Maschine - Muster - Mode" (erinnert mich an das Motto im Elbschifffahrtsmuseum Lauenburg „Mensch - Modell - Maschine"). Vom 16. Jh. mit dem aufstrebenden Weberhandwerk über die Blütezeit der Manufakturen und Fabriken im 18. und 19. Jh. bis zur Krise der Branche im 20. Jh. reicht die Zeitspanne. In den sog. Shedhallen entstand eine kleine Museumsfabrik. Hier befinden sich Webstühle als Anschauungsobjekte zur Textilgeschichte, die mit ebenfalls präsentierten Hightech-Geräten bis in die jüngere Vergangenheit reicht. Eine Besonderheit sind die funktionsfähigen Textilmaschinen, deren Produkte auch erworben werden können.

Einen Rundgang durch die Hallen unternahmen wir mit Frau Asmussen. Sie wies eingangs darauf hin, der Standort nahe am Lech sei mit Kanälen für Wasserkraft, Brauchwasser und Abwasser gewählt worden. In der besten Zeit bestanden rund 30 Textilfabriken, deren Shedhallen ihre Fenster stets zur Nordseite hatten.
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Zur besten Zeit in den 1950er Jahren waren hier 17.500 Personen beschäftigt. Der Werdegang zum fertigen Tuch beginnt mit dem Material: Es kann vom Tier (Wolle, Seide) oder von der Pflanze (Kattun, Leinen, Hanf, Sisal) stammen - und hier auch befühlt werden. Ein Glücksfall für das Museum ist der alte Webermeister Mayer, technikverliebt und detailbesessen, ein As seiner Zunft! Er führte uns von der ältesten bis zur neuesten mehrere Maschinen vor - was mitunter ohrenbetäubenden Lärm auslöste.

In seinem Einführungs-Vortrag in Wentorf wies Dr. Budesheim darauf hin, wir Deutsche hätten in den 1950er Jahren die besten Spinn- und Webmaschinen der Welt gehabt. Jedoch hatte die Maschinenbau-Industrie solche Maschinen exportiert, mit denen dann in Billiglohnländern Textilien günstiger hergestellt werden konnten, so dass die hiesige Textilwirtschaft nicht mehr konkurrenzfähig gewesen sei. - Als Geschenk für unsere Nachbarin erwarben wir das hier hergestellte bekannte „Schlosserhandtuch".

6.3 Augsburger Puppenkiste
Ein Ausflug in die Kindheit gefällig? Wer kennt nicht mehr die Augsburger Puppenkiste? Sie ist ein Marionetten-Theater, dem ein Puppen-Museum angegliedert ist. Untergebracht ist sie im historischen Heilig-Geist-Spital in der Südstadt nahe bei den Wassertürmen (siehe Kapitel 4.5) und führt seit 1948 Märchen und ernste Schauspiele auf. Zahlreiche Fernsehproduktionen (u. a. Stücke über Jim Knopf (Foto unten) und Urmel) machten die Puppenkiste seit 1953 bundesweit bekannt. 55

Die Puppenkiste entstammt einer Idee von Walter Oehmichen, seiner Frau Rose und seinen Töchtern Hannelore und Ulla, die mitten im Weltkrieg einen „Puppenschrein" in einem Türrahmen aufbauten. Der Gründer und seine Familie sind seither untrennbar mit dem Puppentheater verbunden. Die von den Oehmichens geschnitzten und eingekleideten Puppen wurden von jungen Augsburger Schauspielern „gehandhabt" und gesprochen.

Markenzeichen ist der in der Mitte aufklappbare Kistendeckel, dessen Breite für die Verfilmung mehrmals dem Fernsehformat (4 : 3, 16 : 9) angepasst wurde. Begonnen wurde 1948 mit „Der gestiefelte Kater". 1951 kam mit Antoine de Saint-Exupérys „Der kleine Prinz" der große Durchbruch für das kleine Marionettentheater. Die Erstaufführung von Bertolt Brechts (Kapitel 6.5) „Die Dreigroschenoper" durch die Puppenkiste sorgte 1960 für Aufsehen. Gespielt und verfilmt wurden diverse Folgen für das Sandmännchen (1962 - 1982), „Die Museumsratten" (1965 - 1972), „Ich wünsch mir was" (1968 - 1970), „Wir Schildbürger" (1972), „Natur und Technik" (1972 - 1976) und „Ralphi" (2004 - 2006). Viele klassische Märchen, auch die der Brüder Grimm, ebenso aus Tausendundeiner Nacht oder nach Wilhelm Hauff, werden in der Puppenkiste gespielt. Stücke wie „Aladin und die Wunderlampe", „Der Zwerg Nase" oder „Frau Holle" stehen schon seit Jahrzehnten auf dem Spielplan.
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Der „Räuber Hotzenplotz" (1966), das beliebteste Stück des Theaters, oder „Die kleine Hexe" (1971) - beide nach Otfried Preußler - werden seit ihrer Erstinszenierung unverändert gespielt.

2001 wurde „Die Kiste - Das Augsburger Puppentheatermuseum" im ersten Stock des Heilig-Geist-Spitals direkt über den Theaterräumlichkeiten eröffnet. - Wir schauten uns die in ihren Kulissen liebevoll arrangierten Marionetten an - und gerieten nicht selten ins Träumen.

6.4 Römer-Museum in Kisten im Zeughaus
Nach der Rückkehr von einer Italien-Reise baute Elias Holl (siehe Rathaus, Kapitel 4.1), damals schon „Stadtwerkmeister", das Zeughaus. Es gilt als erster Bau der Renaissance auf deutschem Boden, trägt aber in seiner stark bewegten, lodernden, leidenschaftlichen Fassade schon barocke Züge. Die Bronze-Gruppe über dem Portal stammt von Hans Reichle 1606. Sie stellt St. Michael, den Bezwinger des Satans dar, flankiert von Putten, die Symbole des Krieges tragen. 56

Unter dem Titel „Römerlager - Das römische Augsburg in Kisten" werden in sieben Themenbereichen großartige und beeindruckende Fundstücke gezeigt. Der Zusatz „in Kisten" deutet an, dass hier in der Toskanischen Säulenhalle auf 777 Quadratmeter seit 2017 für unbestimmte Zeit ein Zwischenquartier des Museums gefunden wurde, und nur die prominentesten Funde der Sammlung gezeigt werden können.
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Die sieben Themen sind: Stadtgründung, Militär, Handel und Römerstraßen, antike Götterwelt, Privatleben und Bestattungsriten. Handelsgüter aller Art, ein Goldmünzen-Schatz, die fast 1800 Jahre alten originalen hölzernen Überreste einer Schiffsanlegestelle (Foto rechts) und der Handelsgott Merkur zeigen den kaufmännischen Charakter der Stadt Augusta Vindelicum.
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Eine Auswahl der rund hundert Steindenkmäler mit Weih-, Ehren-, Grab- und Bau-Inschriften wird gezeigt. Bekanntestes Exponat ist der lebensgroße Pferdekopf, vermutlich von einem Kaiser-Standbild aus dem 1./2. Jh. n. Chr., geborgen aus der Wertach (Foto oben). 57

Ein besonderes Ausstellungsstück ist die Kopie der sog. Peutingerschen Tafel, auch Tabula Peutingeriana genannt. Die weltberühmte, einzig erhaltene antike Straßenkarte ist nach Konrad Peutinger (1465 - 1547) benannt und zählt zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Die originale Karte wurde im 12. Jh. angefertigt und ist wohl eine Abzeichnung einer karolingischen Vorlage, die wiederum auf ein römisches Original um 375 n. Chr. zurück geht. Sie ist 6,80 Meter lang und 0,34 Meter breit. Sie stellt kartografisch das öffentliche Straßennetz im spätrömischen Reich dar. Diese Rolle informiert über die Lage der wichtigsten Städte und Pferdewechsel-Stationen (mansio) im Straßennetz des Römischen Reiches sowie die Anzahl der Tagesetappen zwischen den Haltepunkten (mit Haken). Etwa 555 Städte und Dörfer sowie 3.500 weitere geografische Objekte wie Leuchttürme und wichtige Heiligtümer sind eingezeichnet und häufig mit kleinen Abbildungen versehen.

Die Karte reicht von den Britischen Inseln über den Mittelmeerraum und den Nahen Osten bis nach Indien (Foto oben: Mittelteil mit Rom, oben Adria, darüber Dalmatien, unten Mittelmeer, und ganz unten Afrika). Das zerlegte Original wird unter dem Namen „Codex Vindobonensis" in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt. 58
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6.5 Brecht-Haus
Bertolt Brecht in Augsburg? Ja, hier hinter dem Rathaus, am Perlachberg und die Barfüßerstraße hinab, steht sein Geburtshaus, das ein sehenswertes Museum beherbergt, welches wir am letzten Tag - quasi im Zugabenteil - mit Dr. Budesheim besichtigten. Im Lechviertel gelegen, vor dem Haus der Hintere Lech, hinter dem Haus der Mittlere Lech, ist die Adresse „Auf dem Rain 7" von Wasserläufen umgeben.

Eugen Bertolt Brecht kam hier am 10. Februar 1898 zur Welt, verbrachte hier nur seine Säuglingszeit, denn schon 1900 zogen seine Eltern mit ihm in die Bleichgasse 2 am Oblatterwall um.
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1960, sechs Jahre nach seinem Tod, wurde an der Fassade des Handwerkerhauses eine Gedenktafel angebracht, und wie es dort jetzt heißt: „Die Stadt Augsburg hat dieses Haus erworben und zu Ehren des Dichters eine Gedenkstätte errichtet." Die Stadtverwaltung tat sich damit schwer, denn nach dem Entschluss für das Projekt 1981 verstrichen acht Jahre für die Planung und zwei weitere für den Umbau. Inzwischen aber bekennt sich die Geburtsstadt zu „Augsburgs berühmtestem Sohn". Museum und Gedenkstätte sind seit 1998 in Betrieb. 59
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Die Ausstellung zeigt wertvolle Originale, das Schlafzimmer von Mutter Brecht, Erstausgaben von Brechts Büchern, ein Bühnenbild von 1949, Lebend- und Totenmaske und weitere Kunstwerke. Eine Präsenzbibliothek und eine Video-Installation mit Dokumentarfilmen geben tiefe Einblicke in die Persönlichkeit Brechts und seine literarische Entwicklung. - Ein gut gestaltetes Haus, das hoffentlich noch lange so erhalten bleibt wie es ist!

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