4 Häuser in Augsburg
4.1 Rathaus
Welch ein Platz - welch eine Fassade! Die alte Kaufmanns-Herrlichkeit reckt sich über acht Stockwerke stattliche 57 Meter an der Ostseite des Rathausplatzes empor. Bis vor hundert Jahren war das Augsburger Rathaus das höchste Gebäude in Deutschland. Ohne Zweifel zählt dieser Profanbau zu den bedeutendsten Zeugnissen der Renaissance-Architektur nördlich der Alpen. 26
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Dieses Monumentalgebäude ist das Meisterwerk des Stadtbaumeisters Elias Holl. Sogar die Baukosten sind überliefert, es sollen etwa 100.000 Gulden gewesen sein. Das Selbstverständnis der reichsstädtischen Augsburger soll sich in zwei Ornamenten am Giebel ausdrücken: dem aufgemalten Reichsadler und der sog. Zirbelnuss aus Kupfer darüber, als Zeichen der Gründung der Stadt in der Antike. In Wirklichkeit ist das Objekt ein Pinien-Zapfen oder Pyr. Dieses Symbol der Fruchtbarkeit und Unvergänglichkeit sowie Feldzeichen der Römer gaben gelehrte Humanisten nach Funden der Göttin Kybele der Stadt als Wahrzeichen.  27

Durch das Haus führte uns Frau Marei Kemmerling - und sogleich hinauf in das Obergeschoss, in den „Goldenen Saal". Der Standort war gut gewählt: im Norden die Domburg, im Süden die Abtei St. Benedikt, dazwischen der „bürgerliche Tempel". Der gotische Vorgängerbau war „nicht mehr zeitgemäß" und wurde von 1615 - 24 ersetzt.

Im Erdgeschoss wird römische Architektur nachgeahmt mit Architraven und Kaiserbüsten. Über diesem sog. „unteren Fletz" (= Hausflur) liegt der „obere Fletz" mit dem Sitzungssaal des Stadtrates und ganz oben der „Goldene Saal" über zwei Geschosse, dieser ist wie die benachbarten sog. „Fürstenzimmer" barock ausgeschmückt. Als der Goldene Saal fertig war, fand bereits der „immerwährende Reichstag" zu Regensburg statt, so hatte man sich womöglich vergeblich angestrengt. Lediglich die Wahl von Ferdinand IV. zum deutschen König lief hier 1653 ab. Nur einmal, 1690 zur Krönung des Königs Joseph I., fand hier ein Festbankett statt.

Besonders schlimm traf es Augsburg beim verheerenden britischen Bombenangriff im Februar 1944. Das Rathaus, von mehreren Spreng- und Brandbomben getroffen, brannte komplett aus (rechts). Der Wiederaufbau bis 1955 geschah in vereinfachter Form. Doch die Augsburger wollten zum 2.000-jährigen Gründungs-Jubiläum mehr, so konnte 1985 der Goldene Saal originalgetreu - nach Farb-Dias - wieder hergerichtet werden. Auch die vier Fürstenzimmer wurden inzwischen rekonstruiert.

Dieser Prachtsaal dehnt sich über 552 Quadratmeter und ist 14 Meter hoch. Zu unseren Köpfen breitet sich die Kassettendecke aus, ein Höhepunkt künstlerischer Raumgestaltung. Das Zentral-Gemälde allein nimmt 24 Quadratmeter ein, es zeigt die Figur der Sapientia (=Weisheit) als Dame - das Ideal in einem Rathaus.
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Das lateinische Spruchband schreibt (übersetzt) „Durch mich herrschen die Herrscher." An den Schmalseiten schließen sich zwei Rundbilder an, die wiederum von je vier Ovalen umgeben sind. Die Wände sind mit Malereien und beeindruckenden Portalen verziert. 28

4.2 Fuggerei
Was ist die Fuggerei? Ein Areal mit Reihenhäusern, sozusagen die älteste bestehende Sozial-Siedlung der Welt. Sie wirkt still und zeitlos. Alles in ihr, der Platz mit dem Brunnen wie die Häuser, ist klein, aber nichts beengt oder bedrückt. Die Bewohner empfinden es als Tradition und nicht etwa Freiheits-Beraubung, wenn sich abends um 22 Uhr die Tore schließen und sie nur gegen einen kleinen Obolus eingelassen werden. 29

In den 67 Häusern sind 140 Wohnungen, die an rund 150 bedürftige katholische Augsburger Bürger vermietet sind. Die Kalt-Miete von einem Rheinischen Gulden liegt heute bei 0,88 Euro (zuvor bei 1,72 D-Mark), nicht pro Quadratmeter oder Tag, sondern für die Wohnung und das Jahr! 30 Die Neben- und Heizkosten werden mit rund 85 Euro umgelegt. Die Unterhaltungskosten der Gebäude von rund 700.000 Euro im Jahr trägt die Fugger-Stiftung, hauptsächlich aus ihrem Waldbesitz.

Gestiftet hat diese Siedlung Jakob Fugger der Reiche 1521 - für Handwerker, Tagelöhner und andere einfache Leute mit gutem Leumund (= straffrei) und unverschuldet in Not, aber keine Bettler. Als Gegenleistung erwartete der kinderlose Kaufmann für sich und seine Familie lediglich ein Vaterunser, ein Glaubensbekenntnis und ein - nur bei Katholiken gebräuchliches - Ave Maria jeden Tag. 31 So konnten die Menschen der damals verbreiteten „Höllenangst" begegnen. Nur jedes 5. Kind wurde erwachsen. Die Rate der Analphabeten lag bei 80 %. Ihre einzige Informationsquelle war die Predigt.

Jede Wohnung hat einen standardisierten Grundriss auf rund 60 Quadratmetern und einen eigenen Eingang. Zu fast jeder Wohneinheit im Erdgeschoss gehört ein Garten, zu denen im Dachgeschoss ein Speicher. Die Griffe der Klingelzüge sind unterschiedlich, so dass sie im Schummerlicht ertastet werden können. Zum gemauerten Herd gehört eine Einbauküche, auch Kinderzimmer sind vorgesehen. Der Ofen in der Stube kann von der Küche aus beheizt werden.

Zu dem Ensemble mit acht Gassen und drei Toren mit eigener Stadtmauer gehört auch eine Kirche, St. Markus. Der Wiederaufbau der im Krieg zu einem Drittel zerstörten Wohnanlage wurde unmittelbar nach der Bombardierung beschlossen, so dass die ersten Häuser bereits ab 1947 wieder bewohnt wurden. Die Siedlung wurde dabei auf angrenzenden Grundstücken erweitert. Zwei Muster-Wohnungen können besichtigt werden, die eine ist in damaliger und die andere in moderner Weise eingerichtet.
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4.3 Fuggerhäuser
Die römische Via Claudia verlief durch Augsburg, ihrem Verlauf folgt die heutige Maximilianstraße. Hier errichtete Jakob Fugger der Reiche 1512 - 15 eine Stadt-Residenz und ein Lagerhaus. Er folgte als erster Bauherr nördlich der Alpen dem in Italien kennen gelernten neuen Baustil der Renaissance. Die Gebäudesteuer mit der langen Fassade konnte er sich locker leisten. Zum Komplex gehören vier Innenhöfe mit Arkaden, Mosaiken, toskanischem Marmor und Wasserbecken. 32

Das Handels-Imperium der Familie Fugger baute auf dem Handel mit Baumwolle auf, die in Genua eingekauft wurde. Die Baumwolle kam per Schiff aus Ägypten, wo sich die Fugger ein Monopol aufgebaut hatten. Diese Wolle wurde zu Barchant-Stoff verwebt, wobei die Kette aus Leinen und der Schuss aus Baumwolle ist. Jakob der Reiche, der Bauherr dieser Häuser, war in Venedig ausgebildet worden. Hier hatte er Betriebswirtschaftslehre, Bargeldlosen Zahlungsverkehr und Doppelte Buchführung kennen gelernt. In (Nord-)Italien konnte damals jeder eine Banco eröffnen, in Deutschland war dies verboten und den Juden überlassen. So sind viele Bankbegriffe aus dem Italienischen übernommen worden. In Augsburg gab es zwar eine Pfalz, aber die Fugger boten Komfort. Der Kaiser war meist bei ihnen zu Gast. Den Reichtum mehrten die Fugger wie auch die Welser mit dem Silber- und Kupfer-Bergbau, wobei immer auch etwas Gold abfällt durch den Einsatz von Quecksilber, daher der Ausdruck „Geld machen". Luther war wütend auf Albrecht von Brandenburg, der hatte sieben Bischofstitel eingesammelt. Die Fugger schafften das Geld aus dem Ablasshandel schnell nach Rom. - Diese prägnanten Erläuterungen gab uns die Stadtführerin Frau Kemmerling.
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Gedenktafeln erinnern an das einstige Fuggersche Firmenimperium mit seinen Hauptsitz, hier wurde 1518 der Reformator Martin Luther von Kardinal Cajetan verhört (Bild siehe Inhaltsverzeichnis). In der Mitte der Fassade weist das Adlertor auf das kaiserliche Quartier in diesen Gebäuden (im Foto ganz links). Das Adlertor ist heute der Eingang zur Fürst Fugger Privatbank. Nach den Kriegsschäden wurden die Fuggerhäuser wieder aufgebaut und erhielten eine vereinfachte Fassadenbemalung.

4.4 Schaezler-Palais
Anders als der reiche Fugger sparte sein Bankiers-Kollege Benedikt Adam Freiherr von Liebert, Edler von Liebenhofen. Seine zur Maximilianstraße weisende Gebäudefassade ist mit 19 Metern wesentlich schmaler als die an der Katharinengasse mit 107 Metern. 33

Der heutige Palast im Stil des Rokoko entstand ab 1764. Zur Einweihung feierte hier 1770 die habsburgische Prinzessin und Tochter Maria Theresias, Marie Antoinette, auf ihrer Brautfahrt nach Versailles im zweigeschossigen, reich dekorierten, zart farbigen Festsaal (rechts). Der Stadtpalast wurde von der Augsburger Bankiersfamilie von Schaezler erworben, vier Generationen lang bewohnt und instand gehalten. Er überstand den Zweiten Weltkrieg ohne größere Schäden.
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Heute sind hier die städtischen und staatlichen Kunstsammlungen untergebracht. Dazu zählen die „Deutsche Barockgalerie", die „Karl und Magdalene Haberstock-Stiftung" mit Gemälden von Paolo Veronese, Canaletto, Anthonis van Dyck und Giovanni Battista Tiepolo, ferner die „Staatsgalerie Altdeutsche Meister". Das bedeutendste Werk ist das Jakob-Fugger-Porträt. Albrecht Dürer malte diesen Mann ohne alle Schmeicheleien, als starken Willensmenschen und scharfen Rechner (Foto beim Inhaltsverzeichnis). - Dr. Budesheim hastete mit dem Großteil seines Gefolges durch die Gemäldesäle, um dieses Bildnis zu zeigen, das auch den Titel seines Programmheftes ziert. Zum Gemälde selbst sagte er, Dürer habe Fugger nur skizziert und in seiner Werkstatt malen lassen, denn er mochte diesen „Geldsack" nicht. Wir dagegen ließen uns weit mehr als eine Stunde Zeit für die Kunstwerke.

4.5 Wassertürme
Zur Augsburger Wasserwirtschaft mit neun Hochbauten gehören die Wassertürme am Roten Tor an der südlichen Stadtgrenze - einer ist der älteste Wasserturm Deutschlands! Das Ensemble ist das einzig komplett erhaltene in Europa. Hierzu gehören die drei Wassertürme sowie das Obere und Untere Brunnenmeister-Haus. - Durch die Türme führte uns Frau Adriane Hiller-Egner und erklärte uns die Technik darin. Dies war bereits unser zweiter Anlauf, denn tags zuvor standen wir vor verschlossenen Türen, genossen aber den botanischen Garten (Bild).

Der Große Wasserturm wurde auf den Fundamenten eines Wehrturms schon 1416 aus Holz errichtet. Kolbenpumpen hoben mit einem Wasserrad angetrieben das Trinkwasser. Der erste Turm wurde nach dem Brand 1463 ersetzt. Gut zwei Jahrhunderte später wurden ihm zwei Geschosse aufgesetzt, so dass er sieben hat.
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Im obersten Stockwerk befand sich ein oktogonales Becken, in das zwei metallene Fische und ein Fischkopf Wasser aus vier Aufsteigröhren spuckten; über ein dickeres Ablaufrohr wurde das Wasser in die Stadt abgeleitet. 34

Der Kleine Wasserturm wurde direkt daneben 1470 angebaut. Auch er bekam zwei weitere Geschosse, bereits im Jahr 1559. Seinen kupfernen Helm setzte man ihm 1672 auf. Der Kanal unten diente zugleich dem Antrieb und als Trinkwasser.

Im Turm sind Modelle aufgestellt, dazu zwei Kolbenpumpen und sechs Bilder von 1753. Brunnenmeister Caspar Walter baute 1744 die bis oben führende hölzerne Wendeltreppe ein. Im obersten Geschoss war ein Wasserkessel aufgehängt. Von hier aus gelangt man noch heute in den benachbarten Großen Wasserturm.

Am Heilig-Geist-Spital, etwa 50 Meter entfernt, steht ein dritter Turm, der Kasten- oder Spitalturm. - Im Museum des Oberen Brunnenmeister-Hauses werden Skizzen und Gemälde des einstigen Hausherrn Caspar Walter ausgestellt, der 16 Schriften verfasste. 35
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Zuerst waren die Wasserleitungen Baumstämme, die innen ausgebohrt wurden. Die Mechanik bestand überwiegend aus Holz. Daher waren als Brunnenmeister in der Regel Zimmermeister eingesetzt. Später kamen Wasserrohre aus Messing auf. Die drei Modelle zeigen Pumpen mit Ketten- oder Kurbel-Antrieb sowie eine Reichenbachsche Pumpe. 36 Die Wasserwirtschaft versorgte rund 300 Haushalte, ein Anschluss kostete stattliche 200 Gulden. Die im Stadtgebiet verteilten rund 100 öffentlichen Brunnen waren kostenlos. Gegen 1600 versorgten die Wassertürme rund 50.000 Bewohner.

Die drei Prunkbrunnen, zwischen Schaezler-Palais und Rathaus, zeugen vom Augsburger Mäzenatentum und dem Wasserreichtum, sie wurden mit einem extra Wasserturm gespeist. Vor dem Rathaus steht der Augustus-Brunnen, dessen Figur seit 1594 den Stadtgründer auf einem Pfeiler platziert. 1599 folgte der Merkur-Brunnen (Foto links) und 1602 der Herkules-Brunnen. 37

Die mittelalterliche Wasserversorgung blieb bis 1879 in Betrieb. Damals waren 36 Kilometer Holzleitungen verlegt. Um 1900 wurde Alpenwasser heran geführt, dessen Druck von 2 auf 5 Bar erhöht wurde. Das Wasserturm-Ensemble wurde im Januar 2018 bei der UNESCO als Weltkulturerbe angemeldet, so Frau Hiller-Egner.

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