4 Die Schlösser und Parks
4.1 Darmstadt

Den Norden Darmstadts prägt der Rokokogarten, der Prinz-Georg-Garten mit dem Prinz-Georg-Palais. Die Pflanzen wurden "wie Untertanen behandelt", zu Ornamenten degradiert, auch Nutzpflanzen dienten nur zur Zierde, ergänzt von Rasenflächen, Fontänen und Sonnenuhren. Der Grundriss verrät mit seiner Mitte zur Kontemplation seinen Ursprung im Klostergarten. Die Wege von hier aus haben Blickziele in Bauwerken. Der Hessische Rundfunk würdigte den Park: "Einen Garten wie diesen gibt es nirgendwo in Hessen. Angelegt nach den geometrisch-formalen Prinzipien eines französischen Gartens ist der Prinz-Georg-Garten ein vornehmes kunst- und gartengeschichtliches Beispiel für einen Lust- und Nutzgarten des Rokoko." 55

Das Palais wurde 1710 erbaut von Louis Remy de la Fosse. Der Prinz wohnte in diesem Sommersitz von 1764 - 82. Im Palais befindet sich die großherzogliche Porzellansammlung, weshalb es auch Porzellanschlösschen (links oben) genannt wird. Das Gartenhaus (links unten) wurde von August von Schnitzspahn bemalt im Stil der "trompe l'oil" zur Augentäuschung. Heute befindet sich hier die erste öffentliche Lesestelle in Deutschland. Bürger bringen ihre gebrauchten Bücher her, die ohne Aufsicht im Vertrauen an die Leser genutzt werden können.
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Südlich grenzt der Englische Herrengarten an, der älteste und größte Park der Stadt. Seine Wurzeln reichen bis ins 16. Jh. zurück. Die exotischen Bäume dürfen sich hier natürlich entfalten. Im Osten ragt die Technische Universität leicht herüber.
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Wir passierten das Standbild des jungen Goethe und das Grab von Landgräfin Caroline, die für geistiges Leben gesorgt und den Garten 1766 erweitert hat. Sie korrespondierte mit Voltaire und Friedrich den Großen, der sie "vom Geist her ein Mann, vom Gefühl her eine Frau" nannte. (Links: Goethe-Denkmal mit einer nackten Jünglingsfigur des Dichtergenius von Ludwig Habich.)

Das Residenz-Schloss (rechts) aus sechs Jahrhunderten mit seinen Bauten aus Renaissance und Barock ist äußerlich historisch getreu wieder hergestellt. Unter Landgraf Georg I. bildete der mit einem Graben umgebene Gebäudekomplex die Westflanke der Stadt.
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Das Altschloss gruppiert sich um drei Innenhöfe, ein Idyll inmitten der Großstadt, ist aus der 2. Hälfte des 16. Jhs., sein Glockenturm von 1663; die Darmstädter lieben das Glockenspiel. Dem Neuschloss von Remy de la Fosse fehlt zwar die fein geschliffene französische Eleganz, aber etwas von den Pariser Vorbildern klingt durch. Es greift mit zwei hohen Flügeln von 1716 bis 26 um die älteren Bauten. Es beherbergt heute u.a. die Universitäts- und Landesbibliothek und das Schlossmuseum.
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4.2 Fürstenau
Im Ortsteil Steinbach von Michelstadt sind das Schloss Fürstenau und die Einhards-Basilika sehenswert. Das Grafenschloss reiht die Baustile aneinander:
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Romanische Teile der alten Wasserburg auf der Nordseite, gotische Arbeiten von Steinmetzen der Straßburger Münsterbauhütte, Renaissance- Elemente wie den gigantischen Torbogen

zwischen den Westecktürmen, dazu das barocke Lustschlösschen nah der Mümling, der streng klassizistische neue Wohntrakt und die spätbarocke Orangerie. Der Graf bewohnt noch heute sein Schloss.

4.3 Erbach
Seit dem 12. Jh. ist Erbach Sitz der gleichnamigen Grafen. Der Bergfried einer Wasserburg ist in die nachmittelalterliche Gebäudegruppe einbezogen. Der Hauptflügel zum Schlossplatz wurde 1736 erbaut, aber erst 1902 barock herausgeputzt. 56  
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Hinter der spätbarocken Fassade, die zum größten Teil aus Holz und Blech besteht, das nur steinfarben überstrichen ist, verbirgt sich das Mauer- und Fachwerk. Wie fast alle deutschen Kleinfürsten und Grafen versuchte Erbach-Erbach den Prunk des französischen Sonnenkönigs nachzuahmen. Im Schlossgarten konnte eine Bürgerinitiative in den 70er Jahren den Abriss der spätbarocken Orangerie und den Neubau eines Hotelhochhauses verhindern.

Die hessische Landesregierung kaufte 2005 das Schloss von den Grafen für 13 Mio. Euro. Die Grafen behalten eine Wohnung im Dachgeschoss und das Nutzungsrecht des Schlosses. In den gräflichen Sammlungen aus diversen Prunkwaffen, Geweihen aus dem 9. bis 14. Jh. ist fast unverändert die umfangreiche Antikensammlung des Altertumsliebhabers Graf Franz I. (1754 - 1823) erhalten. 57  Franz gründete eine Spar- und Leihkasse, um den Wucherern das Handwerk zu legen, und die bekannte Elfenbeinschnitzerei, die bis zu 1.200 Kunsthandwerker beschäftigte. Der Rittersaal (rechts) mit seinen Rüstungen konnte schon damals vom Volk unentgeltlich besichtigt werden, wie uns Frau Claudia Schneider erklärte.
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4.4 Heidelberg
Das Heidelberger Schloss ist als eine der berühmtesten Ruinen Deutschlands bekannt. Es steht 80 Meter über dem Talgrund und dominiert das gesamte Stadtbild. Bis es im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstört wurde, war es die Residenz der Kurfürsten von der Pfalz. Urkunden erwähnen eine Burg in Heidelberg erst 1225 als "Castrum in Heidelberg cum burgo ipsius castri".

Der älteste erhaltene Teil am Schloss ist der Ruprechtsbau. Als Ruprecht III. 1401 deutscher König wurde, brauchte er Räume zum Repräsentieren und um seinen Beamten- und Hofstaat unterzubringen. Neben gotischen und spätgotischen Bauelementen finden sich schon solche aus der Frührenaissance an der Südseite.
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Den Schlosshof prägen Renaissance-Elemente: den Gläsernen Saalbau von Friedrich II. von 1546, an den sich hinter dem Apothekerturm gegen Osten rechtwinklig die mit allegorischem Schmuck verzierte Fassade des Ottheinrichsbaus (Folgeseite oberes Foto) von 1556 - 89 anschließt.

Die horizontal gegliederte Fassade des Ottheinrichsbaus (unten rechts), des wohl schönsten Renaissance-Bauwerks nördlich der Alpen, spricht durch ihre Formenvielfalt. Mit den Atlanten und Karyatiden, den Pilastern, Nischen und Fenstergiebeln zeigt sie einen geradezu musikalischen Rhythmus. Die Figuren veranschaulichen die Weltsicht des 16. Jhs.: kraftvolle Gestalten im Erdgeschoss: Josua, Simson, Herkules, David; im ersten Obergeschoss die christlichen Tugenden: Glaube, Liebe, Hoffnung; Allegorien der Planeten im zweiten Stock; zuoberst stehen Jupiter und Sol.

Zum Tal gewandt steht der Friedrichsbau (unteres Bild) von 1601 - 1607, der von 1898 - 1901 völlig wieder hergestellt wurde. Im Untergeschoss von 1583 - 92 steht das "Große Fass" für den Weinzehnten. Das heutige Fass ist das vierte hier; es fasst 221.700 Liter, doch es war nur zweimal voll. Friedrich dem V. ist als letztem großen Bauherren der Englische Bau zu verdanken.

Nach dem Orleanschen Erbfolgekrieg sollte die Ruine zunächst abgerissen und brauchbare Teile für ein neues Schloss genommen werden. Jedoch wurde es unter Karl Theodor  teilweise wieder aufgebaut, aber 1764 durch Blitzschlag bis auf die Außenmauern zerstört. 58

Mit der Verlegung der kurfürstlichen Residenz nach München geriet Heidelberg 1777 noch mehr aus dem Blickfeld. Die noch überdachten Räume dienten Handwerksbetrieben. Quader des Südwalls wurden für den Bau des Schlosses Schwetzingen abtransportiert. Die Gewölbe des Ottheinrichsbaus wurden eingelegt und die Ruine als Steinbruch aufgelassen.

Graf Charles de Graimberg war der Retter der Schlossruine. Er kämpfte gegen die badische Regierung, die "das alte Gemäuer mit seinen vielfältigen, geschmacklosen, ruinösen Verzierungen" abwertete. Der englische Maler William Turner bereiste Heidelberg mehrfach und malte etliche Male die Schlossruine. Maler und Zeichner erkannten das idealtypische Ensemble in der bergigen Flusslandschaft, wollten aber keine detailgetreuen Bauaufnahmen. So konnten Graimberg, Turner, Victor Hugo und Mark Twain das "Motiv der traurigen, aber majestätischen Schlossruine" vermarkten. 59

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