C. Córdoba
Wie immer wurde ein Kulturprogramm verabredet: Ein echter Höhepunkt war der Besuch der Gran Mezquita. In das Halbdunkel eingetreten, konnte man die einstige Moschee vor lauter Säulen und Spitzbögen kam sehen, in deren Mitte eine spätmittelalterliche Kathedrale Licht von oben fluten lässt. Die Moschee, das ist übrigens auf Arabisch der „Ort, wo man sich niederwirft".
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An der Stelle des heutigen Monumentes stand bereits ein Römertempel; im 6. Jh. wurde er mit der wichtigen Kirche der Märtyrer überbaut, der Basilika von San Vicente. Nach dem islamischen Einfall in Córdoba im Jahr 711 wurde den Christen ihr Gotteshaus erst zur Hälfte, dann ganz abgekauft. Darauf weist das offizielle Faltblatt zwar nicht hin und bestreitet die Toleranz der neuen Herrscher, welche das Kirchengebäude abbrechen und ebenda eine Moschee errichten ließen.

Abd ar-Rahman I. schuf ab 785 die erste Halle, an den heutigen Orangenhof grenzend. Abd ar-Rahman II. baute dahinter ab 833 etwas kleiner an, wo später die Hälfte wieder abgebrochen und die neue Kathedrale eingebaut wurde. Noch weiter nach hinten errichtete al-Hakam II. ab 945 eine weitere Halle, ähnlich groß wie die erste. Diese bekam 961 Maqsura und Mihrab, also den Raum für den Herrscher und die heilige Gebetsnische. Beide sind an die Wand der Qibla gelehnt, immer nach Mekka gerichtet. Links an die Schmalseiten der drei Hallen ließ al-Mansur ab 987 eine weitere Halle anbauen, die größte von allen, und den Hof entsprechend verlängern.
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Das Minarett, wie in Marokko üblich auf quadratischem Grundriss, steht in der Mauer auf der anderen Seite des Orangenhofes, nah am Brunnen. Das Domkapitel beschloss 1523 gegen den Widerstand der Bewohner von Córdoba, inmitten der flachen Decke der einstigen Moschee eine Kathedrale einzubauen. Als Kaiser Karl V. das fertige Werk sah, rief er aus: „Ihr habt zerstört, was in der Welt einmalig war, und etwas hingestellt, was man überall sehen kann. 2

Von einst über 1.300 Säulen blieben nur gut 800 stehen. Genau diese überall gebraucht eingesammelten Säulen, durch Podeste bzw. Eintiefungen auf gleiche Höhe gebracht, prägen den einstigen Betsaal. Doppelbögen, aus roten Ziegeln und hellem Sandstein gestreift gemauert, in zwei Geschossen übereinander, machen den Zauber dieses Baudenkmals aus, das auch uns ganz in seinen Bann zog.

Die Gran Mezquita steht bekanntlich direkt am Rio Guadalquivir, dem „Wadi al-Kabir, dem großen Fluss, der nach Südwesten auch durch Sevilla bis in den Golf von Cádiz fließt. 3 Die Puente romano, die Römerbrücke, überquert den Fluss mit 16 Bögen auf 240 Metern, und wurde bereits unter Kaiser Augustus angelegt. Heute wird das Geländer und der Belag aus ganz glattem Kalkstein gebildet, so dass man nur beim seitlichen Blick das Alter dieser Brücke erahnen kann.
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Am Nachmittag wurde das Gelände der Palastruine von Medina az-Zahara, rund acht Kilometer von Córdoba, am Nordhang des Guadalquivir, erkundet. Autos und Reisebusse werden seit Kurzem auf einem großen Platz unterhalb und außer Sichtweite abgefangen. Viel heller Stein und rostiges Eisen begleiten die Besucher in den flachen Museumsbau modernster Architektur, wo ein 18 Minuten dauernder Film mit eindrucksvollen Computer-Rekonstruktionen des Lebens im einstigen Palastbezirk mit viel zu viel oft auch für uns „avanzados", die Fortgeschrittenen, schwer verständlichem spanischem Text unterlegt ist.

Die rund drei Kilometer nach oberhalb fährt man im Linienbus über eine enge Straße, für die offenbar kein Geld mehr da war. Von oben ging es stufenweise hinunter zwischen Mauern, durch Torbögen und vorbei an Bäumen mit exotischen Blüten und Früchten (rechts: Erdbeerbaum). Das Areal von eineinhalb Kilometer Breite und der halben Tiefe baut sich in drei Stufen auf: Auf der obersten Terrasse nahmen der Kalifenpalast und die Adelsresidenzen Platz, gefolgt von Empfangs- und Verwaltungsgebäuden, während im Tal die schräg zum Baukomplex angefügte Moschee, Werkstätten, Unterkünfte, Stallungen und Gärten lagen. Das alles wurde in nur 40 Jahren unter Abd ar-Rahman III., dem ersten Herrscher mit Kalifentitel, ab 936 errichtet. Schon Anfang des 11. Jh. zertrümmerten Berbertruppen die ganze Pracht, die uns dennoch verzauberte, beleuchtet von der herrlich golden strahlenden Abendsonne.
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D. Granada
Der dritte Höhepunkt war - Andalusien-Kenner erwarten es schon - die Alhambra in Granada, ein weiteres Weltkulturerbe. Der Name „Al Qala al-Hambra" bedeutet „rote Stadt". 4  Das Ziel ist weiträumig schon auf den Autobahntafeln ausgeschildert; die Zufahrt führt westlich und südlich an der Stadt vorbei auf einen mit jungen Ahornbäumen beschatteten großflächigen Parkplatz. Täglich werden nur 7.700 Besucher eingelassen. Die Zeiten waren exakt vorgeben: Eintritt von 14 bis 18:30 Uhr, davon in den Nasriden-Palast 16:30 Uhr, „puntual". Also ging es auch hier von oben nach unten.

Zuerst betraten wir durch die Zypressen-Allee den Generalife - der Name leitet sich ab von Jina al-Arifa, Paradiesgarten - mit seinen exakt geschnittenen Lebensbaumhecken und Blumenbeeten mit auch im November noch voll aufgeblühten Rosen. Dazwischen lagen Becken und Kanäle mit klarem Wasser. Die Fontänen sollen eine neuzeitliche Zutat der Romantik sein, denn die maurischen Herrscher hätten das künstliche Plätschern gegenüber dem Murmeln des sanft fließenden Wassers als zu laut empfunden, heißt es. Außerdem dienen die Wasseroberflächen der kleinen Teiche bei Windstille als Spiegel, die so perfekt sein können, dass man auf Fotos überlegen muss, wo oben und unten ist. Keinesfalls wurde zur Kalifenzeit in den künstlichen Gewässern gebadet.

Dann gingen wir über die Steinbrücke aus dem 20. Jh. in den Burgbezirk. Wir traten ein  in den mit seinen Buckelquadern bombastischen Palast Karl V. (der sich wohl dachte: Das Runde muss in das Eckige). Zwei Geschosse mit Säulen aus groben Kalkstein ermöglichen einen Rundgang unten und oben um den leeren, steril wirkenden Hof.

Weiter ging es leicht hinab zur Felsspitze und hinauf auf den Wachturm, den Torre de la vela. Was für ein Ausblick auf die Stadt zu Füßen der Alcazaba! Die erst im letzten Jahrzehnt frei gelegten Grundmauern auf der plaza de armas, den Waffenplatz, lassen erkennen, in welch drangvoller Enge hier die Burgbesatzung hausen musste.
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Und schließlich gewannen wir Einblick in die reich verzierten Räume der Kalifen. Filigraner Stuck verziert jeden Quadratzentimeter Wand, Schnitzwerk die Kassettendecken. Die Kuppeln über den Sälen wurden  kunstvoll meist aus Zedernholz gefertigt und nach unten oft mit Stalaktiten verziert. Und die Patios werden mit Wasserbecken optisch gekühlt, in denen sich die Architektur spiegelt. Ein wirklicher Wohlfühlort!

Überall im Stuck erscheint der Name Allahs (rechts, zweimal unten im Schriftband) und gemahnt an die fünf Korangebote: den Glauben an den einzigen Gott, das fünfmal täglich zu sprechende Gebet, den Fastenmonat einmal jährlich, die Pilgerfahrt nach Mekka einmal im Leben und das Almosen geben wann immer dies notwendig ist.
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Hof folgt auf Hof, Palast auf Palast. Zuerst betraten wir den Mexuar mit seiner hölzernen Empore, in dem einst Recht gesprochen wurde (rechts), dann den kleinen patio del cuarto dorado und den weiten patio de arrayanes (Myrtillenhof) mit seinem großen Wasserbecken. In ihm spiegelt sich die sala de la bara (der Saal des Bootes) und dahinter der torre de comares, in dem der sálon de embajadores (der Saal der Botschafter, mit Kacheln, den Ajulejos, verziert) war. 5  Durch baños, Bäder, gelangt man in den patio de los leones, den Löwenhof.

Doch welch unangenehme Überraschung: Die zwölf steinernen Löwen waren fort, nur das kelchförmige Becken aus ihrer Mitte hatten sie zurück gelassen. Um den verwaisten Ort hatten Handwerker schamvoll eine „Hütte" aus Latten gestellt. Noch eine Enttäuschung folgte: Die sala de dos hermanas, der Saal der zwei Schwestern, war mit einem Baugerüst zugestellt, so dass auch hier kein Foto gelang.
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Schön war danach wieder der jardin del partal mit seinen maurischen Häusern sowie dem torre de las damas (dem Damenturm, links), der sich herrlich im stillen Bassin spiegelte. Nach so viel morgenländischer Baukunst konnte als Kontrast eine christliche Kirche in gewöhnlichem Barock angeschaut werden: Santa Maria, gleich hinter dem Karlspalast. Das Abendlicht tauchte auf dem Rückweg durch die Heckenalleen alle Bäume, Bauten und auch uns in Gold. Wir fühlten uns richtig gut, an einem der schönsten Orte auf der iberischen Halbinsel.

Mit der ganzen Zier der maurischen Zeit, mit der Blüte von Kunst und Wissenschaft in Toleranz, war 1492 Schluss. Die „reyes catolicos", die katholischen Könige, Ferdinand von Aragon und Isabella von Kastilien, die 1479 geheiratet hatten, trieben die „reconquista", die Rückeroberung von den Muslimen, voran. Boabdil, der letzte Maurenkönig, übergab dem Spanierkönig Granada mit den Worten: „Herr, das sind die Schlüssel zu eurer Alhambra und zu eurer Stadt. Geht hin, Herr, und nehmt sie in Besitz." Dann ließ er das Tor hinter sich zumauern und verschwand in die Berge - oder vielleicht sogar nach Nordafrika. 6

Autor und Fotos: Manfred Maronde

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