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5.5 Lippoldsberg
Die Klosterkirche St. Georg und Maria zu Lippoldsberg ist in ihrem hervor ragendem Erhaltungszustand eines der bedeutendsten Bauwerke des mittel- oder hochromanischen Stils. Nur wenigen mittelalterlichen Bauwerken war es vergönnt, fast unversehrt und unbeeinträchtigt die Zeiten zu überdauern. Kaum eine Kirche verkörpert in so reiner Form Charakter und Gesinnung der Hochromanik.

Erzbischof Liupold von Mainz (1051 - 59) gründete auf seinem von Corvey erworbenen Besitz den Ort Liupoldesberg. Hier erbaute er zu Ehren des Hl. Chrisogonos eine Holzkirche. Sein Nachfolger Siegfried ersetzte sie 1078/84 durch einen Steinbau zu Ehren des Hl. Georg. Erzbischof Ruthard gründete hier ein Nonnenkloster, in dem zwischen 1099 und 1101 die Hirsauer (Schaffhausener) Regel eingeführt wurde. Ort und Kloster blühten auf. Der neue Probst Gunther von Halberstadt aus dem Kloster Hamersleben ließ neu bauen. Eine Chronik berichtet über die Fertigstellung 1151 und lobt den Reichtum und die Bequemlichkeit des Neubaus, der dem großen Andrang der Besucher gewachsen war. Für den wirtschaftlichen Wohlstand sprechen die 190 Orte, an denen Lippoldsberg Besitz und Rechte gehabt hat.
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Nur kurze Zeit profitierte das Kloster von einer Wallfahrt, bis der Erzbischof sie untersagte. Nach 1439 schloss sich Lippoldsberg der Kongregation von Bursfeld, einem Nachbarkloster, an. Durch die Mainzer Stiftsfehde kam Lippoldsberg 1462 zu Hessen. Landgraf Philipp der Großmütige führte 1526 die Reformation ein und ließ das Kloster auflösen. Die Klosterkirche wurde der evangelischen Gemeinde auf ewige Zeiten übergeben.

Die Klosterkirche ist eine Gewölbebasilika im sog. gebundenen System. D.h. sie ist eine dreischiffige Kirche, bei der das Mittelschiff bedeutend höher als die Seitenschiffe ist und eigene Fenster hat. Außerdem entsprechen einem Gewölbeabschnitt (Joch) des Mittelschiffes je zwei in den Seitenschiffen. Von außen kann man es an den Fenstern ablesen, denn die Seitenschiffe haben doppelt so viele wie das hohe Mittelschiff. Der Hauptchor schließt wie die schmalen Nebenchöre mit einer halbrunden Apsis ab. Im Westteil bedeckt die Nonnenempore (mit Orgel) die düstere Nonnenkrypta.
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Proportionen, Rhythmus und Einzelformen sind von vollendeter Harmonie, sozusagen klassisch. Vorbild für Lippoldsberg war Königslutter. In der norddeutschen Baugeschichte, also in Hessen, Thüringen, Niedersachsen und Engern, ist Lippoldsberg der erste Großbau, der von Anfang an vollständig gewölbt wurde. Vorher hatte man nur gelernt, die  Seitenschiffe und die Chöre zu wölben. Wohl 30 Kirchenbauten weisen Einflüsse von Lippoldsberg auf.

Die eigentliche künstlerische Leistung bietet der Innenraum dar. Als Formen an den Kämpfern finden sich meist Schachbrettmuster und das "attische Profil" aus Wulst-Kehle-Wulst (auch Gandersheimer Profil). Die Pfeiler werden an ihren Kanten von kleinen Säulen mit eigenen Basen und Kapitellen verziert. 74 - Wegen des Regens ließen wir die Ruhe der leeren Kirche auf uns wirken und verzichteten auf einen Außenrundgang.

6 Die Burgen
6.1 Schaumburg
Die Schaumburg, ehemals "Schauenburg", steht auf dem 225 Meter hohen Nesselberg. Der Ortsteil Schaumburg liegt zwischen der Stadt Rinteln, zu welcher er gehört, und Hessisch Oldendorf. Die Burg ist einer der markanten Punkte des Schaumburger Landes. Der Landkreis Schaumburg trägt deshalb das Nesselblatt in seinem Wappen.

Die Schaumburg ist die Stammburg der Grafen zu Holstein-Schaumburg und wurde im 11. Jh. von Graf Adolf II. erbaut. Die Grafen spielten später, im 13. Jh., eine bedeutende Rolle bei der Binnenkolonisation des Oberwesergebietes, Ostholsteins und Mährens. Ab 1517 diente die Burg noch als Witwensitz. 1640 starb mit Graf Otto V. die Schaumburger Hauptlinie aus; die Grafschaft wurde geteilt, die Burg wurde hessisch und Sitz des Amtes Schaumburg. Ab 1821 wurde die Burg von der Domäne Coverden genutzt. Nachdem sie 1866 in preußischen Besitz überging, wurde sie 1873 als Gasthaus her gerichtet. 1907 wurde sie von Kaiser Wilhelm II. dem Fürsten von Schaumburg-Lippe zur Silberhochzeit geschenkt und gründlich restauriert. Die Burg gehört noch heute der Fürstenfamilie.
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Von der mittelalterlichen Anlage sind noch drei der einst vier Türme erhalten. Heute befindet sich in der Burg und dem hässlichen Saalanbau ein Ausflugslokal (als wir spät nachmittags kamen, geschlossen). Vor der Burg steht eine etwa 600 Jahre alte Linde, die sog. Blutlinde. Die Sage dazu lautet: "So wahr dieses Lindenreis, das ich hier pflanze, grünen und blühen wird, bin ich unschuldig!", soll eine junge Frau gesagt haben, die hier um 1400 nach einem Hexenprozess zu Tode kam. 75

6.2 Sternberg
Die Burg Sternberg liegt in lippischen Landen an der Westgrenze der Großgemeinde Extertal auf einem Vorsprung des Dörenberges. Der 315 Meter hohe Berg erlaubt einen Blick über das Lipperland bis zum Teutoburger Wald. Wir statteten der Burg am frühen Nachmittag einen Kurzbesuch ab.

Die Burg wurde wahrscheinlich um 1240 erbaut. Sie diente den Sternberger Grafen als Hauptsitz. Ein erstes Urkundensiegel der Grafen stammt aus dem Jahr 1252; die Burg wurde 1266 erstmalig erwähnt. Von 1370 - 1404 war die Burg an Schaumburg verpfändet. Seit 1405 ist sie in lippischen Händen.

Vor ihrer urkundlich erwähnten Zerstörung 1444 war sie gerade neu aufgebaut worden. Im 16. Jh. überließ Graf Bernhard VIII. die Ämter Schieder, Barntrup, Schwalenberg und Sternberg seinem Bruder Graf Herrmann Simon von Pyrmont. Im Dreißigjährigen Krieg bezog ein General mit seinen Soldaten hier Quartier. 1636 wurde die Burg beschossen und 1648/49 lebten zwei Grafen zu Lippe (Johann Bernhard und Hermann Adolph) zusammen auf der Burg.
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Im 18. und 19. Jh. gab es Bauarbeiten auf der Burg, die bis 1918 zu Lippe-Detmold gehörte. 1920/21 richtete man hier eine Jugendherberge in der Amtsstube ein. In der nationalsozialistischen Zeit wurde Burg Sternberg ab 1939 als "Bräuteschule", als Kriegsgefangenenlager und als Luftwaffen-Ersatzteillager genutzt.

1943 erhielt der Luftwaffen-Offizier Peter Harlan, der Bruder des Regisseurs Veit Harlan, das Kommando über die Burg. Entgegen seinen Befehlen, die Anlage beim Einmarsch der alliierten Truppen zu sprengen, übergab er sie und bewahrte sie damit. Dieser Akt von Zivilcourage wurde mit einem lebenslangen Wohnrecht für ihn und seine Familie belohnt. Peter Harlan pachtete die Burg, die seit 1948 dem Landesverband Lippe gehört, um den Bau von Musikinstrumenten wieder aufzunehmen. Hier wollte er sein Lebensziel erfüllen, "für die musizierwilligen Laien Instrumente zu schaffen und Anregungen zu geben". 1959 gründete Harlan die Musikschulungsstätte Burg Sternberg, der 1962 eine bis 1978 bestehende Jugendherberge angegliedert wurde. Peter Harlans Söhne Till und Klaus setzten die Kurse bis 1990 fort. Heute bietet der Verein Musikburg Sternberg ein vielseitiges Programm von Musikveranstaltungen und Workshops, insbesondere für Kinder und Jugendliche. 76

6.3 Wewelsburg
Die Burg erhebt sich hoch über dem Tal der Alme auf einem Bergsporn im Ortsteil Welwelsburg der Stadt Büren. An einem düsteren, regnerischen Spätnachmittag erreichten wir die Wewelsburg. Ebenso düster wie die Burg ist auch deren Geschichte. Bereits vor 1123 bestand hier eine Burganlage der Grafen von Arnsberg, die von Bauern zerstört wurde. 1301 geriet die Burg an das Stift Paderborn.

Die jetzige Wewelsburg wurde von 1603 - 09 im Stil der Weserrenaissance als Nebensitz der Paderborner Fürstbischöfe errichtet. Die Dreiflügelanlage mit ihren drei runden Ecktürmen ist die einzige bekannte Burg auf dreieckigem Grundriss in Mitteleuropa.
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Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Wewelsburg wiederholt besetzt und schließlich 1646 von schwedischen Truppen erstürmt und insgesamt in Brand gesetzt. Bis 1660 dauerten die Arbeiten der Wiederherstellung. In der Säkularisation 1802 ging die Anlage in preußischen Staatsbesitz über. Der Nordturm wurde 1815 durch Blitzschlag zerstört. Der damalige Kreis Büren erwarb 1924/25 die Wewelsburg und baute sie zu einer Wanderherberge, einem Veranstaltungssaal und einem Heimatmuseum um. 77

In der nationalsozialistischen Zeit 1933 - 45 wurde die "SS-Schule Haus Wewelsburg" durch den Reichsarbeitsdienst und KZ-Häftlinge aus- und umgebaut. Heinrich Himmler "pachtete" die Burg für 100 Jahre vom Landkreis und wollte sie anfangs zur "Reichsführerschule" und zur "Ordensburg" der SS umfunktionieren.

Die Stadt Quedlinburg plante die 1.000-Jahr-Feier des Todestages des ostfränkischen Königs Heinrich I. (919 - 936), der in der deutsch-nationalen Geschichtsschreibung als Reichsgründer gilt. Mit der Finanzierung der Feierlichkeiten am 2. Juli 1936 änderte sich der Stellenwert auch der Wewelsburg: SS-Ideologen sahen in ihr eine Gründung aus Heinrichs Zeiten. Die Burg geriet in die ausschließliche Zuständigkeit des Persönlichen Stabs des Reichsführers SS. Nach dem "Endsieg" sollte sie das "Zentrum der neuen Welt" darstellen. Er plante eine monumentale Anlage mit einem Kilometer Durchmesser mit Zugang zum nahen Hellweg (der Markgrafen-, später Reichs- bzw. Bundesstraße 1 Kleve - Memel). Auf der einzigen offiziellen Veranstaltung vom 11. - 15. Juni 1941 verkündete Himmler den Zweck des "Unternehmens Barbarossa", nämlich "die Dezimierung der Bevölkerung der slawischen Nachbarländer um 30 Millionen." Die Burg galt als Ausgangspunkt für die als Fortsetzung der Ostpolitik König Heinrich I. vorgesehenen Eroberungen bis zum Ural. 78

Nach dem ausgebliebenen Endsieg und einer versuchten Sprengung durch die SS im März 1945 brannte die gesamte Anlage. Ab 1948 wurde die Burg wieder aufgebaut, 1950 die Jugendherberge - mit 204 Betten eine der größten in Deutschland - und das Heimatmuseum wieder eingerichtet. Der Nordturm wurde erst 1973 - 75 wieder aufgebaut. Nach dem Übergang an den neuen Großkreis Paderborn 1975 wurde 1996 das "Historische Museum des Hochstifts Paderborn" im Ost- und Südflügel eröffnet.

7 Die Festungen
7.1 Bremen
Kurz nach Anfang des Dreißigjährigen Krieges wurde auf Anraten der holländischen Festungsbauer Johan van Rijswijk (gest. 1612) und Johan van Valckenburgh (1575 - 1625) auch das bislang ungesicherte linke Weserufer in das Befestigungssystem einbezogen. Damals galt Bremen als eine der modernsten und sichersten Festungen Europas.

In Bremen legte man einen ovalen Straßenring auf die Innenstadtseite der Befestigung, so dass die Wall- und Grabenanlagen ungestört erhalten blieben (im Plan rechts Grünflächen und Wassergraben gut erkennbar).

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Nicht nur als Flussübergang der Heerstraße Kleve - Memel durch ganz Preußen, sondern auch für die Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft war Minden wichtig. So wurden drei Forts vom Baumeister Fischering angelegt, um die Bahn zu schützen (A, B, und C, wir besichtigten im Regen C). Prof. Matthée nutzte die Zeit, um den Bismarck'schen Kulturkampf zu erläutern.

Anlass waren Mischehen zwischen Katholiken und Evangelischen. Friedrich der Große war tolerant: Jeder sollte "nach seiner Façon selich" werden. Der Erzbischof von Köln aber setzte den "Ultra-Montanismus" durch: Im Zweifel hatte der Papst Vorrang vor den preußischen Gesetzen. Der Bischof hatte alle 4.000 Priester angewiesen, Mischehen nur gegen das Versprechen zu schließen, wenn zukünftige Kinder katholisch erzogen würden. Dies empfanden zugewanderte altpreußische Beamte als Zumutung. Preußen nahm den Kölner Erzbischof in Haft und sperrte ihn in Minden ein - den Erzbischof von Posen brachte man in die Festung Kolberg. In Göttingen wurden außerdem sieben Professoren festgenommen. In Preußen entstanden aus dem Protest gegen diese Inhaftierungen katholische und liberale Parteien. Die Regierung gab 1882 nach und der Kölner Erzbischof zog seine Rückreise über vier Wochen hin und gab überall katholische Empfänge. Der 2. Mischehenstreit führte zum Verbot der Jesuiten. 1878 starb Papst Pius IX., genannt "Pio nono". Preußen entzog das Personenstandsrecht beiden Kirchen und richtete Standesämter, Schulämter und Schulräte ein.
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7.3 Wilhelmstein
Von Steinhude fahren hölzerne Boote, sog. "Auswanderer", fast bis in die Mitte des flachen Sees hinaus, wo auf einer Insel die Festung thront. Prof. Matthée erwähnt, beim Bau habe oft die Regel gegolten: "Marte et Arte - More geometrico utilitas cum decore" - etwa "Waffen und Kunst - nützlich und schön".
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Graf Wilhelm ließ die Inselfestung im strategisch geschützten Südwesten des Sees künstlich aufschütten von 1761 - 65 (rechts ursprünglicher Grundriss). 1762 begann der Graf in Portugal mit einer ähnlichen Festungsanlage. Die Idee eines Tauchbootes für den sicheren Postverkehr entstand.

Von 1765 - 70 wurde der "Wilhelmstein" mit Zitadelle, aufgesetztem Schlösschen und 16 Außenwerken mit Werkstätten, Magazinen, Studienräumen und einem Versuchsgarten gebaut. 1767 - 78 wurde eine praktische Artillerie-, Genie- und Militärschule betrieben. 1771 wurde mit dem Bau des ersten Tauchbootes, des "Steinhuder Hechtes", begonnen. 79 Im Jahr 1787 scheiterte eine Besetzung der Grafschaft durch hessische Truppen an der uneinnehmbaren Inselfestung. Von 1778 bis 1867 war Wilhelmstein Militär- und Zivilgefängnis mit militärischer Aufsicht für "diejenigen, die die Fürstenmacht in Frage stellten", was wir politische Gefangene nennen würden. 1804 - 14 wurden die Gräben zu den Außenwerken zugeschüttet und Gärten angelegt. 80  Im ehemaligen Zimmer des Inselkommandanten kann man sich übrigens standesamtlich trauen lassen.
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Der berühmteste Schüler der Militärschule Wilhelmstein war der spätere preußische General Scharnhorst. Einer von Matthées Doktoranden, Dr. Zander, Berufsoffizier, referierte für uns über Scharnhorst. Vom ihm stammt das Zitat: "Tradition heißt an der Spitze des Fortschritts zu marschieren". Scharnhorst wollte das Adelsprivileg für Offiziere abschaffen. Damals wählte der Graf seine Offiziers-Anwärter persönlich aus. Scharnhorst ist der Begründer der Wehrpflicht und schaffte die Prügelstrafe in der Armee ab. Darum wurde er Traditionsgeber sowohl für die Bundeswehr als auch für die Nationale Volksarmee. Sein Grab auf dem Invalidenfriedhof in Berlin ist das einzige, das zu DDR-Zeiten gepflegt wurde. 81

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