5.10 Dom in Aachen
Kern des Doms ist die einstige Pfalzkapelle Karls des Großen, mit der um 786 begonnen wurde. Sie ist ein achteckiger Zentralbau mit etwa 32 m Durchmesser und 31 m Höhe. Sie hat oströmische Vorbilder, insbes. die Kirche San Vitale in Ravenna, die Karl beeindruckt hat. Sie ist allerdings kein direkter Nachbau des wesentlich imposanteren Vorbildes aus dem 6. Jh., sondern ein eigenständiges Gebäude. Westlich steht ein Glockenturm, der mit einer Steinbrücke mit dem Oktogon verbunden ist.

Das innere Oktogon bilden starke Pfeiler, auf denen achteckiges Klostergewölbe liegt. Um dieses innere Oktogon läuft ein 16-seitiger Umgang mit niedrigen Kreuzgratgewölben. Darüber liegt die Empore, die von Tonnengewölben geschlossen und mit bronzenen Gittern nach innen gesichert ist. Über den Galeriebögen erhebt sich ein achteckiger Tambour mit Fenstern. Die Säulen in den Galerieöffnungen sind meist antik und stammen aus Italien. Karl der Große ließ sie auf Ochsenkarren über die Alpen herbei holen. 43 Anders als in Ravenna haben die Säulen keine tragende,  sondern nur dekorative Funktion (rechts).
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Die Maße verwenden die antike Architekturhistorie des Vitruv. Das Bauwerk soll das vollkommene, himmlische Jerusalem verkörpern. Das Achteck kommt dem Kreis, der weder Anfang noch Ende hat, viel näher als das Quadrat mit seinen vier Richtungen. Der von Friedrich I. um 1165/70 gestiftete Barbarossaleuchter hat 16 statt der sonst üblichen 12 Tore des himmlischen Jerusalems. Vier solcher Radleuchter sind erhalten, einer davon in Hildesheim.

Es ist ein historischer Glücksfall, dass sich der gewaltige Kuppelbau mit seinem 16-seitigen, doppelgeschössigen Umgang mit der sog. Kaiserloge, der Eingangshalle und dem Westwerk fast unverändert erhalten haben. Alle Bauteile sind handwerklich und technisch von höchster Qualität und zeigen den antikkaiserlichen Anspruch des königlichen Bauherrn.
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An das Ostjoch wurde von 1355 - 1414 der gotische Chor angebaut - als gläserner Reliquienschrein für die Aachener Heiligtümer und den Karls-Schrein. Dieser Chor von 25 m Länge, 13 m Breite und 32 m Höhe ist mit seinen mehr als 1.000 m² Glasfläche bunt ausgeleuchtet. Das gotische Gewölbe hält - ohne äußere Strebepfeiler! Möglich macht es ein schmiedeeisernes Gestänge unterhalb des Gewölbes. Im 2. Weltkrieg durchschlug eine Bombe das Gewölbe, prallte gegen einen Pfeiler und sprang durch ein Fenster ins Freie, wo sie explodierte. So musste die Halle von 1949 - 51 neu verglast werden, wobei auf der Nordseite der Bombenhimmel dargestellt wurde, wie uns die junge Domführerin anschaulich zeigte.

Eine Sage aus der karolingischen Bauzeit wird bis heute erzählt: Wegen der Geldnot bot der Teufel seine Hilfe an - unter der Bedingung, die Seele desjenigen zu bekommen, der als erster den fertigen Dom betrete. Zur Weihe traute sich kein Mensch hinein. So schickte man eine Bärin nachts in den dunklen Dom. Im Zorn soll der Teufel eine der schweren Bronzetüren so zugeworfen haben, dass er mit dem Daumen im Griff der linken Tür hängen blieb. - Statt einer Bärin steht am Westportal die römische Bronzeskulptur einer Wölfin aus dem 2. Jh. n. Chr.

Auf der Empore steht der Thron Karls des Großen (Foto rechts). Ob Karl wirklich auf ihm gesessen hat ist unklar. Vielleicht blieb er leer - für den Weltenrichter. Am besten nennen wir ihn "den nach Karl dem Großen benannten Thron", wie Dr. Budesheim sagte. Die hellen antiken Marmorplatten stammen möglicherweise vom Tempelplatz in Jerusalem. Deutlich ist ein eingeritztes Mühlespiel zu erkennen. In Innern befand sich einst die Stefansbursa - eine der Reichskleinodien. Im Krieg war der Thron mit Dachpappe verkleidet und eingemauert; seitdem ist er so braun.
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Die Aufnahme als erstes deutsches bau- und kunstgeschichtliches Ensemble in die UNESCOListe des Welterbes 1978 unterstreicht die heraus ragende Bedeutung dieses Bauwerkes. 44

Hauptkunstwerk im Dom ist seit 1215 der Schrein Karls des Großen (links). Ein Kaiser als Heiliger ist sehr ungewöhnlich, da meist Gott gefällige, keusch lebende Menschen geheiligt werden. Kaiser Barbarossa erkannte ihm aber Verdienste in der Missionierung zu, was den Papst überzeugte. So zieren unter Bögen die Bildnisse von 16 thronenden Königen und Kaisern, den Nachfolgern Karls, den Schrein an beiden Seiten. Auf den Dachschrägen sind Szenen aus dem Leben Karls abgebildet. 45 Im Schrein wurden 74 männliche Knochen gefunden, die Größe passt zu Karl.

Ein weiterer Schrein, der Marienschrein, diente zur Aufbewahrung der "Heiligtümer" oder  Heiltümer". Kunsthandwerklich ist er noch wertvoller. Die Marienfigur vorn ist herausnehmbar.

Kostbar ist auch die vergoldete Evangelienkanzel, der Ambo, den Kaiser Heinrich II. zu seiner Krönung 1014 stiftete. Darin sind heidnische Elfenbein-Schnitztafeln aus dem 6. Jh. eingelassen. Die aus Gold getriebene Vorsatztafel am Hauptaltar, die Pala d'Oro, zeigt zehn Stationen aus dem Leben Christi und soll ebenfalls von Heinrich II. beauftragt worden sein (rechts).

Die Aachener Domschatzkammer birgt einen der bedeutendsten Kirchenschätze nördlich der Alpen. Heute werden hier auf über 600 m² mehr als 100 großartige Kunstwerke präsentiert. Diese sakralen Kunstschätze aus spätantiker, karolingischer und gotischer Zeit gehören zu den größten Werken ihrer Epoche.46 Genannt seien das karolingische Elfenbein-Diptychon, das Schatzkammer-Evangeliar, das Lotharkreuz, das Dreiturm-Reliquiar, die kostbaren Stoffe und Gewänder.

(Fotos: links: Reliquien-Behälter, rechts eine ungarische Madonna in der Domschatzkammer)
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