4.2 Gotik
4.2.1 Regensburger Dom St. Peter
Schon um das Jahr 800 ist in Regensburg eine „ecclesia sancti Petri", die als „Mutterkirche der königlichen Stadt von alters her beim Wassertor (der römischen Porta Praetoria) errichtet worden war", bekannt. Den hl. Petrus erkennen wir an den Schlüsseln 37 als Zeichen der Binde- und Lösegewalt, am Schiff, das er rudert, am Fisch, den er aus dem See zieht, an der Tiara, die ihn von den übrigen Aposteln unterscheidet, an der petrinischen Tonsur, vor allem am Kreuzstab (im Gegensatz zum bischöflichen Krummstab). 38

Erhalten vom ottonischen Vorgängerbau blieb dessen Nordturm, der sog. Eselsturm (Bild rechts), weil in seinem Innern auf Rampen das Baumaterial wie die Quader von Eseln nach oben getragen wurde.

Mit dem Bau der einzigen gotischen Kathedrale Süddeutschlands wurde kurz nach 1250 begonnen. Bischof Albertus Magnus brachte die Idee der Gotik offenbar aus Köln mit, wo 1248 mit dem Neubau begonnen worden war.
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Zunächst musste sich der bereits 30. Regensburger Bischof, Leo der Tundorfer, der Hilfe französischer Bauleute versichern, denn heimischen Handwerkern fehlte es noch an Erfahrung mit der neuen Gotik. Die Weihe des ersten Altares im südlichen Seitenchor ist für 1276 beurkundet. Der alte Dom blieb bis um 1320 in Gebrauch, denn das neue Bauwerk war nach Südwesten verschoben angelegt und um 3,40 Meter angehoben worden.
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(Oben rechts im Grundrissplan: hellbraun: römische Stadtmauer und Porta Praetoria, grün karolingischer Dom, rot ottonische Erweiterung, gelb heutiger gotischer Dom.) So rasch die Arbeiten anfangs fort schritten, so dramatisch verzögerten sie sich seit Mitte des 14. Jh. Die Ursachen liegen im u.a. durch die Pest ausgelösten wirtschaftlichen Niedergang Regensburgs, aber auch den zähen Verhandlungen um Abbruch und Neubau der Stiftskirche St. Johann, die dem neuen Nordturm im Wege stand. Den mächtigen Dachstuhl errichtete man 1442 auf den Obergaden-Wänden des Langhauses. 1525 musste der Bau endgültig eingestellt werden, denn nach dem Einzug der Reformation blieben religiöse Stiftungen völlig aus. Erst 1618 konnten die drei Mittelschiff-Gewölbe eingezogen werden.

König Ludwig I. ( 1848) maß der Donaumetropole große Bedeutung bei, schien sie mit ihrer Geschichte und ihren Denkmälern doch das untergegangene Heilige Römische Reich zu verkörpern. Vor diesem Hintergrund muss das Engagement des Monarchen gesehen werden. Von 1828 - 41 wurde mit der Regotisierung der vermeintliche mittelalterliche Zustand wieder hergestellt. Damals galt damals die Gotik als der deutsche Nationalstil. Außer dem silbernen barocken Hochaltar, der heute wie ein Fremdkörper wirkt, und zwei Grabmälern verschwanden alle nachgotischen Ausstattungsstücke. Mit dem Aufbau der Turmhelme mit 105 m Höhe (1859 - 1869) und der Querhaus-Fassaden 1872 wurde die Kathedrale endlich fertig.

Der Grundriss zeigt die Form einer Basilika mit drei Schiffen, einem nicht auskragenden einschiffigen Querhaus sowie drei polygonal geschlossenen Chören. Den Grundriss mit drei Apsiden nennt Prof. Kiesow eine „altertümliche Lösung", denn seit St. Denis bei Paris baute man Chöre mit Kapellen-Umgang. Das aus fünf Jochen gebildete Langhaus wird nach Westen von einer Doppelturmfassade abgeschlossen (links: Historische Postkarte vom Anfang des 20. Jh.). Der innere Aufriss ist dreiteilig: hohe Arkadenzone, Triforium und Obergaden. Die weite Arkadenstellung mit ihren dünnen Bündelpfeilern verbindet die hohen Seitenschiffe optisch mit dem Mittelschiff zu einer breiten Halle. Der zweijochige Hauptchor endet in einem Fünf-Achtel-Abschluss. Die Wand ist hier in farbig verglaste Fensterflächen aufgelöst. Das Triforium, der Umgang daran entlang, diente einst wohl Lichterprozessionen.

Die Ausstattung aus der Entstehungszeit ist in St. Peter von hohem kunsthistorischen Rang. Von heraus ragender Qualität ist auch die Plastik am Dom wie der „lachende Engel von Regensburg" an der Vierung. Der „leicht idiotische" Gesichtsausdruck soll Seligkeit und Klugheit ausdrücken, wie Kiesow meinte. Die künstlerische Qualität ließe sich vor allem an Gesicht und Händen ablesen, denn der Rest des Körpers ist unter dem Gewand verborgen. Die Kanzel von 1482 deutet es an: Der Wortgottesdienst ist keine Erfindung Luthers, sondern der Franziskaner; das Gestühl kam erst mit der Reformation. Hervor gehoben seien die fünf Ziborien-Altäre, die als Gruppe einzigartig sind, sowie vor allem der umfangreiche Zyklus gotischer Glasfenster, die man für Abbilder der Edelsteinstraßen des Paradieses hielt.

Prof. Kiesow erklärte, das mystische Licht, das die Glasfenster durchließen, sei heute durch elektrische Beleuchtung leider verfälscht. Das typische „Chartre-Dunkelblau" sei schwer zu finden. Schwermetalle geben den Farbton. Das Glas ist durchgefärbt, Malen auf Glas kam erst in der Barockzeit auf. Die Bleiruten bestimmen die Komposition wesentlich; mit Schwarzlot ließ sich noch auf dem Glas zeichnen, z. B. Gesichtszüge.

Nördlich an den Dom schließt ein Doppelkreuzgang an. Das sog. „Mortuarium", der Begräbnisort der Domherren, öffnet sich mit jeweils sechs Arkaden zu den Kreuzgängen. Um 1517 wurden im „Mortuarium" neue Fenster mit Frührenaissance-Dekor eingesetzt. Die Renaissance wurde erst spät in Deutschland eingeführt, denn die Deutschen haben sich von der Gotik ungern getrennt, weil dieser Stil ihnen lag, wie Prof. Kiesow anmerkte. An den Kreuzgang grenzen die romanische Allerheiligen-Kapelle und die ältere Stephanus-Kapelle. 39

4.2.2 Regensburgs Altes Rathaus
Am zentralen Markt entstand seit dem 13. Jahrhundert der Baukomplex des Alten Rathauses. Er zeigt eine Dreiteilung: Im Zentrum die alte Patrizierburg mit Rat(hau)sturm und anschließendem Palas, links daneben der Reichssaalbau aus der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts mit dem Stadtschreiberhaus, rechts anschließend das Barock-Rathaus. 40

An der Fassade prangt der schwarze Doppelkopf-Adler, er steht für die Monarchie der Habsburger. Die drei Stände des Reiches - die Kurfürsten, die Fürsten und die Reichsstädte - tagten rund sechzig Mal im reichsstädtischen Rathaus. Der Kaiser thronte auf einem Podest mit vier Stufen an der Stirnseite, zu seinen Seiten, aber nur noch zwei Stufen erhöht, die Kurfürsten.

Eine Stufe stand den Fürsten zu, die auf den Bänken an den Längsseiten saßen, und zwar links der geistliche Klerus, rechts weltliche Fürsten. Die Vertreter der Reichsstädte saßen „ebenerdig" im Plenum. In den hinteren Teil des Saales „verbannt" waren Sekretäre und Botschafter, also „Hinterbänkler" oder Englisch „back banchers". (Im Bild rechts: Reisegruppe um Prof. Kiesow in der Mitte, mit verschränkten Armen).
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Zwei Sprichwörter aus dem Regensburger Reichstag: „Eine Entscheidung am grünen Tisch fällen" kommt vom grünen Tischtuch im Kurfürstenkolleg. Hier wurde so Manches entschieden, was sich als weltfremd und weit entfernt von den alltäglichen Sorgen der Menschen draußen entpuppte. „Etwas auf die lange Bank schieben" stammt vom Fürstenkollegium, das auf den beiden Bänken entlang der Außenwände saß. Wenn die drei Reichsstände sich bei einem Problem nicht einig wurden, wurde die Sache dem Fürstenkollegium aufgetragen, das seine Beschlüsse einstimmig fassen musste, was oft sehr lange dauerte.

Auch die Tagungsräume zeugen vom unterschiedlichen Rang: Die sieben bis neun Kurfürsten erhielten die schönsten Räume, die des Inneren Rates. Die rund 100 Fürsten hatten einen relativ kleinen Raum neben dem Festsaal. Die Vertreter der 51 Reichsstädte wurden gar unters Dach gesteckt. Jeder Stand hatte zwei Räume: ein öffentliches und ein geheimes Beratungszimmer. (Im Bild links: Gemälde von 1592 der fünf Tugenden: Justizia, Caritas, Prudenzia, Pax und Ceres).

Als Kaiser Leopold I. wegen der Türkengefahr vor Wien einen Reichstag einberief, tagte dieser nur drei Tage. Die Schriftform fehlte noch, es wurden Gesandte entsandt. Die Ratsherren ließen von 1659 an einen Ost- und Nordflügel im Stil des Barock anbauen. Im Alten Rathaus tagte seit 1663 der „Immerwährende Reichstag".

Die „Peinliche Halsgerichtsordnung", auch „Constitutio Criminalis Carolina", von Kaiser Karl V. war als Strafgesetzbuch Jahrhunderte lang gültig. Wir konnten uns - in der unter dem Ratssaal gelegenen - einzig original erhaltenen Folterkammer die damaligen Verhörmethoden ansehen: Streckleiter und -bank, Feuer, heiße Eisen, Gewichte bis ein Zentner, Streckgalgen und den sog. „Spanischen Esel", eine übergroße Axt zum Reiten (siehe auch auf Bild der Römerbrücke beim Inhaltsverzeichnis). Für Geständnisse musste der Angeschuldigte noch leben. Diese Verhöre stellten damals einen Fortschritt über die Willkür dar. Bis zu drei Mal je Verbrechen musste auf Kreuz oder Bibel geschworen werden; es war eine Todsünde, nicht begangene Taten zu beschwören. Gute Menschen vertrauten sich ganz Gott an.

4.2.3 Landshuts Burg Trausnitz
Auf der Burg Trausnitz weisen deren Rundtürme und Georgskapelle noch in die Zeit der Romanik, denn mit dem Bau der Burg hoch über der Isar wurde 1204 begonnen. Bei der Landesteilung von 1255 wurde die Anlage zum Sitz der Herzöge von Niederbayern-Landshut. Nach dem Ende der „Reichen Herzöge", Heinrich, Ludwig und Georg, und der Wiedervereinigung Nieder- und Oberbayerns 1506 diente sie als Erbprinzensitz. Um die Mitte des 16. Jh. erlebte der nunmehr Trausnitz genannte Gebäudekomplex unter dem lebenslustigen Thronfolger, dem späteren Herzog Wilhelm V., und seiner Gemahlin Renata von Lothringen eine letzte Blüte. Eindrucksvoll belegen dies die Umbaumaßnahmen von 1579, von denen auch die architektonisch originelle Narrentreppe mit in Freskotechnik gemalten Szenen der einst auf der Burg beliebten italienischen „Commedia dellArte" erhalten ist. 42 (rechts: Ritterrüstung)

So kennzeichnen das Äußere der Burg heute zum einen ihre mittelalterlichen Bauten wie der nahezu intakte Befestigungsring mit seinen Mauern, Wehrtürmen und Teilen des alten Wehrganges sowie der hoch aufragende Bergfried, genannt der Wittelsbacher Turm. Der prächtige Innenhof mit seinen doppelgeschossigen Laubengängen versetzt den Besucher dagegen in die Zeit der Renaissance. Der Rundgang durch die Innenräume der Burg führt durch mittelalterliche Säle wie die eindrucksvolle Gewölbehalle der Alten Dürnitz und die Burgkapelle mit ihrem bedeutenden frühgotischen Skulpturenschmuck und den Flügelaltären der „Reichen Herzöge. 43 Leider ist die Burg 1961 ausgebrannt, so dass von der Innenausstattung nicht viel mehr übrig blieb als ein gusseiserner Ofen im Palas.
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4.2.4 Landshuts St. Martin
Weil Niederbayern seit Alters her ein „Ziegelland ist, wurde auch St. Martin aus Backsteinen errichtet. Sein Turm ist mit 130,60 Metern der höchste Ziegelsteinturm der Welt. Damit konnten die Landshuter mit ihren Herzögen „auf Augenhöhe sein und sehen, „was die da droben auf der Burg Trausnitz in der Suppenschüssel hatten. 44

Während sich die Altstadt nach 1343 erst von einem verheerenden Stadtbrand erholte, erwachte der Plan zu einer der bedeutendsten Kirchen des süddeutschen Kulturraumes. Sie wurde in einem Zeitraum von über einem Jahrhundert, der Regierungszeit der drei „reichen Herzöge, errichtet und sah in dieser Zeit drei große Fürstenhochzeiten. Sie diente damit auch der Repräsentation der Fürstenfamilie, deren Einfluss auf den Bau außer Zweifel steht. 45

Um 1385 wurde über den Fundamenten einer romanischen Basilika mit dem Bau der dreischiffigen Hallenkirche begonnen. Von 1389 an sind drei große Bauabschnitte zu erkennen: Zunächst wurde der Chorraum aufgeführt, vor 1400 dürfte mit dem Kirchenschiff begonnen worden sein, was den Abbruch der alten Kirche voraussetzt, und 1444 begann man mit dem rückwärtigen Teil des Langhauses und dem Turmbau, der sich bis um 1500 hinzog.
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Prof. Kiesow meinte dagegen, der kleinere Vorgängerbau sei innen stehen geblieben und ummauert worden.

Zur Zeit des Chorbaues war Meister Hanns der Krumenauer in Landshut ansässig. Unter der Leitung von Hans von Burghausen ( 1432) 46 sind die ersten sieben Joche des Langhauses entstanden. Für die letzten beiden Joche sowie das Westportal und die unteren Turmgeschosse zeichnet Hans Stethaimer ( 1460/61) verantwortlich. Erst 40 Jahre nach seinem Tode wurde der Turm vollendet.

Der Innenraum zählt zweifelsohne zu den kühnsten Raumschöpfungen, die sich durch ihre gewagte Statik unter die bedeutendsten Sakralbauten der Spätgotik einreiht. Gewaltig sind die Dimensionen der Halle: 92 m Länge, 28,8 m Höhe und 28,65 m Breite, deren Sterngewölbe aus 22 m in die Höhe steigenden, nur einen Meter schlanken, achtkantigen, ganz durchgemauerten, Pfeilern erwächst - oder besser regelrecht zu schweben scheint. 47

Prof. Kiesow fügte hinzu, mehr als diese Höhe sei bei einer Hallenkirche nicht erreichbar. Daher wurde an der Ostsee wieder in Form der Basilika (mit gegenüber den Seitenschiffen doppelt so hohem Mittelschiff) gebaut worden, wie z. B. in Wismar mit einem Verhältnis von Breite zu Höhe von 1 : 3,5 (z.B. Reims 1 : 2,6). Das höchste je gebaute Kirchengewölbe hat eine Höhe von 46,75 Meter, also 144 franz. Fuß, und steht in Bovais.

Auf den Stützen und den Strebepfeilern ruht das Gewölbe von St. Martin fast ausschließlich, da die schwachen, durch die großen Fenster unterbrochenen Außenmauern kaum eine tragende Funktion ausüben können. Von den Pfeilern entwickeln sich, auf kleinen Kaptälen hoch angesetzt, die Gewölberippen, die sich im Mittelschiff zu einem einfachen Netz, in den Seitenschiffen und Kapellen zu Sternfiguren und im Chor zu einem reichen Rautennetz verästeln.

Die ganze Halle wird gleichmäßig von Licht durchflutet, das die drei Schiffe zu einer Einheit verbindet. Die acht Pfeilerpaare teilen den Raum in neun Joche, der Chor, der durch den einspringenden Triumphbogen vom Langhaus getrennt wird, ist nochmals in drei Joche unterteilt und schließt mit einem Fünf-Achtel-Schluss ab. Das sehr breite Mittelschiff und die beiden schmalen Seitenschiffe lassen kaum Diagonalblicke durch, wohl weil das Longitonalbauwerk eher für Prozessionen optimiert wurde, wie Prof. Kiesow annimmt.

Der Turm hat neun Geschosse. Die vier sind guadratisch und durch Blendmaßwerk gegliedert. Darüber erheben sich fünf Achteck-Geschosse, wobei der Übergang durch Treppentürmchen markiert wird. - Bauen in solcher Höhe ist keinesfalls ungefährlich, wie die Gedenktafel zeigt (unten links)

Die Kirche hat an beiden Seitenschiffen je zwei Portale, die durch frei tragende Baldachin-Vorbauten mit spitzem Bogen und Kreuzblume das Gebäude im unteren Teil prägen. Diese vier, Bürger- oder Linnbrunnerportal, Brautportal, Taufportal und Bauernportal genannt, werden durch das Haupt- oder Westportal im Turm ergänzt. Die Türen darin stammen von 1672.
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Hochaltar und Kanzel gehören zur Ausstattung der Erbauungszeit. Sie markieren zugleich Höhepunkte der gotischen Steinbildhauerei. Der Hochaltar, um 1424, ist aus Sandstein gehauen und war ursprünglich mit Figuren aus gebranntem Ton bestückt. Bei der Regotisierung vor 150 Jahren wurde die barocke Umkleidung entfernt, so dass ein Zeitgenosse erkannte: „Obwohl verstümmelt, so hat er doch noch einen außerordentlichen Reiz und gehört zu den interessantesten Altarbauten der Welt. Abgesehen von seinem Kunstwert ist der Hochaltar berühmt als ein früher „Tabernakel-Altar, der das Sakramentshäuschen in die Altarmitte aufgenommen hat, das sonst getrennt aufgestellt war. Das Chorbogenkreuz von 1495 ist mit einer Gesamtlänge von 8 m, einer Körperlänge von 5,80 m und einer Armweite von 5,40 m eines der größten Kruzifixe der Spätgotik. Es sei „von so großem Wert, dass kein anderes auf dem Erdkreis zu finden ist, heißt es. Auch Prof. Kiesow lobt die schon recht natürliche anatomische Darstellung. Vieles von der Ausstattung ging in der Säkularisation Anfang des 19. Jh. verloren. Diese Zeit ist eine der vier großen Verlustphasen für Denkmäler wie zuvor der Dreißigjährige Krieg und danach der 1. Weltkrieg und die Zeit von 1960 - 75(!). Die Letztere führte zur Gegenbewegung im Denkmalschutz, wie Kiesow erleichtert feststellt.

4.2.5 Straubings St. Peter
Um 1180 errichtete das Augsburger Domkapitel im alten Siedlungskern Straubings eine dreischiffige Pfeiler-Basilika, die auf Resten eines römischen Kastells und karolingisch-ottonischer Kirchenbauten steht. St. Peter besitzt zwei wertvolle romanische Tympanons, birgt im Innern einen romanischen Christus (um 1200) und eine ergreifende Pietà (um 1340). 48  Die barocken Zutaten vom Ende des 17. Jh. wurden im 19. Jh. wieder „purifiziert und ausgeräumt", der Nordturm auf die Höhe des Südturms aufgestockt. Der Südturm ist bis zum Obergeschoss, der Nordturm in den drei unteren Geschossen romanisch (Bild rechts).

Das rundbogige Westportal mit prachtvollem Tympanon ist zweimal gestuft mit dazwischen liegenden schmalen Säulen. Das Relief zeigt den Kampf eines Mannes in Rüstung gegen einen Drachen, der eben einen Mann verschlungen hat, dessen Kopf noch aus dem Reichen ragt. Das Portal in der Südwand ist schmaler und nur einmal gestuft. Sein Tympanon zeigt den Kampf zweier fantastischer Tiere, vielleicht Löwe und Drachen. Stilmerkmale weisen auf lombardischen Einfluss hin.
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Der Grundriss von St. Peter erhielt - als dreischiffige Pfeiler-Basilika mit drei Apsiden in gleicher Fluchtlinie - ein geschlossenes Rechteck, in das auch die beiden Westtürme einbezogen sind. Der Hauptchor hat ein quadratisches Joch mit direkt anliegender Halbkreis-Apsis mit Halbkuppel. Das Joch weist gratiges Kreuzgewölbe auf. Auch die Nebenchöre schließen mit kaum eingezogenen Apsiden mit Halbkuppeln. Erst seit einem Vierteljahrhundert sind Mittel- und Seitenschiffe mit einer schmucklosen hölzernen Balkendecke überspannt. 49

Der überlebensgroße romanische Kruzifixus, ein Vier-Nagel-Typ, gehörte zur Urausstattung der Kirche um 1200 (Bild rechts). Ab 1240 kam der Drei-Nagel-Typ auf, nachdem das Turiner Grabtuch mit drei Wundmalen gefunden wurde. Links hängt eine gut geschnitzte bemalte Holzfigur der hl. Katharina und gegenüber der hl. Barbara (frühes 15. Jh.). Im nördlichen Seitenschiff steht eine Pietà von 1340, also aus der Pestzeit, mit einem maskenhaft erstarrten Muttergesicht und zum großen Teil original erhaltenen Farben blau, azurit (wird schwarz) und lapislazuli.
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Der ummauerte Friedhof mit Grabmälern vom 14. bis 19. Jh. gehört zu den bedeutendsten und schönsten im deutschen Sprachraum. Den Reichtum des Friedhofes bedingen neben zwei erhaltenen Kreuzwegstationen seine schmiedeeisernen Grabkreuze, die z. T. noch aus dem frühen 18. Jh. stammen. Im Friedhof stehen drei Kapellen: Unserer Lieben Frau (Heil der Kranken, gotisch), Agnes-Bernauer- und die Seelen-Kapelle.

Herzog Ernst von Bayern konnte sich mit der unstandesgemäßen Ehe, die sein Sohn Albrecht heimlich mit der Baderstochter Agnes Bernauer eingegangen war, nicht abfinden. Die Abwesenheit ihres Gemahls ausnutzend ließ er die schöne Ausburgerin 1435 der Hexerei anklagen und in der Donau ertränken. Das tiefe Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn wurde schließlich durch Vermittlung des Kaisers beseitigt. Zur Sühne errichtete der Vater auf dem Friedhof von St. Peter eine Kapelle.

Darin befindet sich eine zart aus rotem Marmor gearbeiteter Grabplatte. Sie zeigt die Tote auf Kissen gebettet und von zwei Hündchen begleitet, den Symbolen der ehelichen Treue. 50 Der Altar in der Apsis ist eine schöne, in den Farben ausgewogene Anlage aus Kalkstein mit Säulen und Gesimsen aus Rotmarmor von 1618.

Die noch spätgotische zweigeschossige Toten- oder Seelen-Kapelle stammt von 1486. Im Südschiff birgt sie einen Karner, also ein Beinhaus. An die Langhauswände malte Felix Hölzl 1763 den kraftvollen Totentanz. Adam und Eva haben den Tod verursacht, mit ihnen beginnt das Wandgemälde. Daneben erscheint Maria (sog. Proto-Evangelium), die Immaculata als Überwinderin des Todes. In der Mitte ist die Auferstehung der Toten und das Letzte Gericht dargestellt. Die übrigen Totentanzmotive zeigen den Papst, den Mönch, den Fürsten, den Astronomen, den Geizhals (rechts: Geldzähler), den Apotheker, den Säugling in der Wiege und neben anderen noch den Totengräber. Darunter stehen Verse, die zwischen Kunst und lebendiger Volksdichtung anzusiedeln sind.
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4.2.6 Straubings St. Jakob und St. Tiburtius
Die dreischiffige Hallenkirche mit Kapellenkranz und Chorumgang fällt in das ausgehende 14. Jh. Die monumentale Stadtpfarrkirche, auch „das Herz Altbayerns" genannt, ist beherrschender Baukörper der Stadt Straubing. Fürstliche Initiative und bürgerlicher Opfergeist haben ein „spätgotisches Meisterwerk der Kirchenbaukunst" entstehen lassen, das neben St. Martin in Landshut und der Münchner Frauenkirche zu den bedeutendsten Hallenkirchen in Altbayern zählt. 51  Als Baumeister gilt Hans von Burghausen. 52 Seine Idee der umlaufenden Kapellen vervollkommnet den gesamten Kirchenbau und verleiht im dadurch eine große Einheitlichkeit. 53

1393 gab es einen großen Stadtbrand; vielleicht wurde mit dem Kirchenbau schon vorher begonnen. Bereits 1423 konnte man im Chor eine Prozession abhalten. Der anschließende Langhausbau zog sich das ganze 15. Jh. hin. 1512 wurde das letzte Joch geschlossen. Danach begann der Turmbau, dem man Ende des 16. Jh. die Zwiebelhaube aufsetzte. Mittlerweile war das Chorherrenstift St. Tiburtius hierher verlegt und mit der Pfarrei vereinigt worden. Ein großes Unglück brachte 1780 für die Stadtkirche, als beim großen Stadtbrand der Turm und das Dach völlig ausbrannten. Das Langhausgewölbe wurde durch den Turm im Bereich der Orgelempore zum Einsturz gebracht. 54 Das kostbare Netzgewölbe des gesamten Innenraums wurde abgetragen und durch ein neues barockes Tonnengewölbe mit eingeschnittenen Stichkappen, etwa drei Meter unterhalb des alten, ersetzt. Dies nimmt dem Bau seine Großartigkeit, wie Prof. Kiesow bedauert.

Die Hallenkirche ist 82 m lang (ohne Turm), 21 m breit (ohne Kapellen), das Mittelschiff 9 m, die Seitenschiffe 5 m breit, die Gewölbe sind 23 m hoch, der Turm misst 89 m mit seinen siebeneinhalb Geschossen, deren unterstes in Haustein ausgeführt ist. Über dem vierten quadratischen Obergeschoss geht der Turm in ein Achteck über und wird von einem schlanken, birnenförmigen Helm bekrönt. Ein weit aufragendes Walmdach überspannt den Bau. Der Chor schließt mit einem Sieben-Zwölftel-Abschluss. Ein Kranz von 20 Kapellen umgibt den ganzen Kirchenbau.

Die Innenausstattung der päpstlichen Basilika Minor (seit 1989, mit den Worten „Schließlich wissen wir sehr wohl, dass das bayerische Volk sich durch seine Frömmigkeit und seinen Glauben auszeichnet.") reicht von der Gotik bis zur Neuzeit. Der Hochaltar von 1486 wurde in Nürnberg als „Unser-Lieben-Frauen-Altar angefertigt, daher sieht man die Nürnberger Burg im Hintergrund. Große Schwierigkeiten bereiteten drei der fünf großen Figuren des Retabels, denn die Heiligen Dominikus, Johannes der Täufer und Katharina mussten umgearbeitet werden in die Heiligen Leonhard, Jakobus und Tiburtius. Allein die Madonna und Maria Magdalena wurden unverändert übernommen, als der Altar 1590 mit Unterstützung des Herzogs angekauft wurde. Die sechs großflächigen Tafelgemälde werden dem Barockmaler Michael Wohlgemut (1433/34 - 1519) zugeschrieben und wieder verwendet.

Glücklicherweise unterblieb eine geplante systematische Beseitigung der barocken Innenausstattung. So blieb die grandiose Kanzel erhalten, die glanzvollste Schöpfung des Rokoko in der Jakobskirche. Der riesige Bestand an gründerzeitlichen Glasmalereien gehört mit zum Besten, was sich davon in Altbayern erhalten hat. Sie ergänzen die noch in fünf Fenstern vorhandenen wertvollen spätgotischen Glasbildern, deren älteste sich in der Maria-Hilf-Kapelle befinden.

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