2.3 Würzburg
2.3.1 Stadtgeschichte
Ihren Namen hat die Stadt nach dem „Wurz" oder auch „Gewürz", also Kräutern.27

Holen wir ganz weit aus. Um 500 v. Chr. bestand schon ein keltischer Fürstensitz, eine erste Siedlung am Bergfuß. Ab 100 v. Chr. kamen germanische Stämme: Alemannen, Burgunder und Thüringer. Um 500 n. Chr. stießen die Franken an den Main vor. Rechts des Mains bestand eine Siedlung mit einem fränkisch-thüringischen Herzogshof. 689 fanden der Wanderbischof Kilian und seine Gefährten Totnan und Kolonat den Märtyertod. 704 wurde „Castellum Virteburch" erstmalig urkundlich erwähnt. Zwei Jahre später wurde die erste Rundkirche auf dem Marienberg geweiht. 742 gründete Bonifazius das Bistum Würzburg. Von 1040 bis 1188 wurde der heutige Dom errichtet. 1133 entstand die erste steinerne Mainbrücke.28  29

Seit langem schon war Würzburg eine blühende Stadt, als Kaiser Barbarossa seine Hochzeit mit Beatrice von Burgund feierte. Um den romanischen Dom scharten sich um die dreißig Kirchen und Klöster. Die geistlichen Regenten besaßen als Herzöge von Franken landesfürstliche Gewalt. Diese wandelte sich in der Gegenreformation unter dem Renaissance-Bischof Julius Echter von Mespelbrunn (1573 - 1617) zu schöpferischer Tatkraft. Der Umfang der würzigen Rebenstadt wurde bis ins 19. Jahrhundert kaum erweitert. Aber die im Hochstift errichteten Kirchen, Schlösser und Rathäuser sind architektonische Edelsteine.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg entstand unter den drei Schönborn-Bischöfen eine barock ausladende Festungs-, Kirchen- und Prunkstadt, belebt von Kuppeln, triumphalen Fassaden, lächelnden Madonnen, jubelnden Glocken und Weihrauch duftenden Festen. Was sie anderen Barockstädten voraus hat, sind die erdigen Weine vom „Stein" und vom „Leisten", die Goethe30 allen anderen Weinen vorzog.31

Heute hat Würzburg etwa 127.000 Einwohner. Die Universität, ursprünglich 1402, dann wieder 1582 sechs Jahre nach dem Spital begründet, hat 20.000 Studenten, lässt die Stadt jung und quirlig wirken.

2.3.2 Unsere Stadtführung
Zwei Eigenheiten der Geschichte Würzburgs hat unsere sehr kompetente Stadtführerin Frau Wolf mehrmals betont: Würzburg ist eine Bischofsstadt und Würzburg ist eine kriegszerstörte Stadt. Der mittelalterliche Stadtgrundriss ähnelt einer Bischofs-Mitra. - Wir begannen unseren Tag in Würzburg, auf dem uns Frau Wolf auch durch die Residenz und die Marienfestung begleitete, am Markt an der Marienkapelle (Bild rechts).
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Die Marienkapelle ist viel größer als ihr Name vermuten lässt, sie ist ein Kleinod spätgotischer Kirchenbaukunst, schön in weiß mit ziegelrot bemalt. Das Gebäude steht im mittelalterlichen Judenviertel und wurde zur Sühne für die 1349 zerstörte Synagoge errichtet. Die herrlichen Portalfiguren „Adam und Eva" und die 14 Strebepfeiler-Figuren schuf Tilman Riemenschneider32  (am Gebäude stehen heute Kopien). In der Kirche fanden wir, ebenfalls von Riemenschneider, die Grabplatte für Konrad von Schaumberg, die ihn erstaunlicherwei-se ohne Helm, Schwert und Bart zeigt und damit das nahende Ende der Ritterzeit andeutet. Im Tympanon außen ist eine ungewöhnliche Bilddarstellung zu sehen: Maria Ohrempfängnis. Im Sinne der „conceptio per aurem" bläst Gott Vater das Jesuskind durch einen Schlauch hinab in den Leib Mariens 33 (links, Bildmitte).

Wir gingen aus der Altstadt auf die alte Mainbrücke. Sie quert den Main an der Kreuzung der beiden alten Fernhandelswege Augsburg - Hannover und Paris - Prag. Die Steinbrücke von 1473 - 1543 wird häufig mit der Prager Karlsbrücke verglichen. Auf der Brücke stehen 12 Heilige aus Sandstein, darunter die drei Frankenapostel.

Geradeaus zurück in die Altstadt sahen wir links den „Grafeneckard", den viergeschossigen Rathausturm (Bild rechts). Das Rathaus der Bürgerschaft besteht hier seit 1316. Durch den „Roten Bau" im Stil der Spätrenaissance und durch das Karmelitenkloster wurde es konglomerathaft erweitert. Vor dem Rathauskomplex steht der „Vierröhrenbrunnen". Ihn schuf Balthasar Neumann,34 der ursprünglich Kanonengießer war, als sog. Laufbrunnen. Dies war modern, man musste das Wasser nicht mehr selbst schöpfen. Geschmückt wird er von Figuren für die vier weltlichen Tugenden.

Im „Roten Bau" liegt der Gedenkraum für die Kriegszerstörung. Mit einem Modell der verbrannten Stadt und mahnenden Fotos erinnert diese kleine Ausstellung an den Beschluss der Alliierten, alle deutschen Städte mit mehr als 100.000 Einwohner zu bombardieren. Am 16. März 1945 hat die britische Royal Air Force ihren Angriff geflogen: 5.000 Tote sind zu beklagen und die Stadt ist zu vier Fünftel zerstört.35
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Wir gingen die Hauptachse von der Mainbrücke weiter auf das Westwerk des Doms St. Kilian zu. Er ist der viertgrößte romanische Dom in Deutschland nach Worms, Speyer und Mainz. An der Nordwand befand sich das Grab Tilman Riemenschneiders,36 die Kopie einer Steintafel erinnert daran. Im Dom war gerade Gottesdienst, am Montagvormittag, für uns unerwartet. So zogen die meisten von uns in ein Café. Ich selbst wohnte dem Gottesdienst eine Zeitlang bei. So erfuhr ich, dass heute der Namenstag von Peter und Paul sei, damit auch der Namenstag des jetzigen Papstes - und auch von meinem Vater und mir.

Der Dom erlitt ein hartes Kriegsschicksal auch dadurch, dass die Stadt im kalten Nachkriegswinter der frierenden Bevölkerung Feuerholz bereit stellte statt die Domruine mit einem Notdach zu sichern. So drang Wasser ein, sprengte die Mauern, die Nordwand stürzte um. Der Wiederaufbau des im Innern barockisierten Doms war, so der Würzburger Heiner Reitberger, „gesteuert von einer mehr oder minder bewussten Antibarock-Gesinnung" zu Gunsten einer fragwürdigen Re-Romanisierung. Dank des Widerstandes vieler Kunstfreunde beließ man die Stuckaturen im Chor und Querhaus.

Das romanische Langhaus ist sehr düster und öffnet sich zum hellen gotischen Chor. Damit bildet er eine Zeitachse von der düsteren Herkunft zur hellen himmlischen Zukunft. Das moderne bronzene Westportal stellt die Schöpfungsgeschichte dar. Der siebenarmige Leuchter, die Menora, im dunklen Westteil steht zugleich für die Aussöhnung mit dem Judentum.

Im südlichen Querschiff fanden wir eine Madonna von Riemenschneider. An der mittleren nördlichen Mittelschiffwand steht neben dem Grabmal Lorenz von Bira die Grabplatte für Bischof Rudolf von Scherenberg. Riemenschneider modellierte ihn als alten, vitalen und willensstarken Mann, der zwischen seinem 65. Lebensjahr und seinem Tod 30 Jahre lang regierte. Ergreifend wirkt das spinnwebfein zerknitterte Greisenantlitz. Mühsam aufrecht, aber mit Würde, trägt er die lastenden Insignien der Macht.
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Nach der Besichtigung der Residenz37 und der Mittagspause wurden wir mit dem Bus zum Wirce- oder Marienberg hinauf gefahren. Von der Balustrade hatten wir einen herrlichen Panorama-Blick über den Main und die ganze Stadt. Graue Dächer zeigen kirchlichen, rote städtischen Besitz an, wie uns Frau Wolf erklärte.

Wir gingen zur runden Marienkirche mit ihren 3,65 m dicken Mauern, sie ist der älteste Teil der Burg und wurde zu Ehren der „Patrona Franconiae" errichtet. Im Boden hat man die Eingeweide der Bischöfe beigesetzt, ihr Leib wurde im Dom, ihr Herz in einer Silberkapsel in der Zisterze Ebrach im Steigerwald beigesetzt.

So sagt man im Volk, am jüngsten Tag müssten die Bischöfe zuerst ihre Teile wieder einsammeln. Der 42 m hohe, runde Bergfried hat ein „Angstloch", das über eine Außentreppe erreicht werden kann. Dieses Loch führt von oben in das Verlies. Neben dem Turm ist der Renaissance-Brunnen mit 108 m38 Tiefe. Weiter ging es durch das Scherenberg-Tor (Foto links), wo der Bauernkrieg endete. 14.000 bis 16.000 Bauernkrieger zogen zur Festung hinauf, etwa die Hälfte starben. 73 Bürger der Stadt wurden geköpft. Mitten im Hof ist eine „Rossschwemme", ein Becken, in dem erhitzte Reitpferde mit Wasser abgekühlt werden konnten. Diesen Hof verließen wir durch ein Renaissance-Tor, das militärisch unzweckmäßig war: Es bot dem Angreifer Deckung, die Zugbrücke war zu breit und schwer um sie mit gefallenen Soldaten heben zu können, und die Kanonen waren schwenkbar um sie gegen die Verteidiger zu richten. So konnten im Dreißigjährigen Krieg 1631 die Schweden eindringen.

Seit der Weihe der Kirchenrotunde im achten Jahrhundert war die Marienfestung ein Berg der Herrschaft, Zwingfeste und Landesfestung in einem. Das bürgerliche Würzburg hatte auf die Auswahl der Fürstbischöfe keinen Einfluss.
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So kam es, dass neu gewählte Fürsten sich mit militärischer Gewalt Zugang zur Stadt verschaffen mussten. Die Festung war also auch ein Drohzeichen mit ihren drei Ecktürmen. Den vierten Turm sparte man ein, er wäre von der Stadt aus nicht sichtbar.

Von der Festung zurück zur Altstadt gingen wir mit Frau Wolf (rechts im Foto) durch den Weinberg, etwa eine Stunde lang. Dort sind diverse Rebsorten an einem Lehrpfad beschriftet.39 Wir hatten einen wunderbaren Ausblick zum Käppele, das aber zum Hingehen zu weit entfernt liegt.

Am runden Maschikuli-Turm vorbei gingen wir zur ehemaligen Benediktiner-Kirche St. Burkard. Sie hat ein romanisches Langhaus. Im gotischen Teil steht eine seltene farbige Madonna von Tilman Riemenschneider.40 Der gotisch überhöhte Chor wurde mit einem Schwibbogen über die alte Straße erweitert.
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Die beiden sonnigen, warmen Abende haben wir genossen in Weingasthäusern auf Plätzen oder Innenhöfen und dabei mit fränkischen Spezialitäten den Tag ausklingen lassen.

Und am Morgen konnte ich sogar etwas für meine Spanisch-Kenntnisse tun: An der Wand des Frühstücksraumes stand:
Salud y amor y amigos y el tiempo para disfrutarlos!
Auf Deutsch: Gesundheit und Liebe und Freunde und die Zeit um es zu genießen.

2.4 Seligenstadt
Kleine Gassen, malerische Winkel, gepflegte, farbenprächtige Fachwerkhäuser aus ver-schiedenen Epochen und eindrucksvolle Sehenswürdigkeiten dokumentieren die über 1000-jährige Stadtgeschichte.41 Einhard, Kanzler Karls des Großen, begann um 830 mit dem Bau der Basilika, die bis heute das Wahrzeichen der Stadt ist.42 Das Benediktiner-Kloster wurde Wallfahrtstätte über dem Grab der frühchristlichen Märtyrer Petrus und Marcellinus. Aus dem Mund der Wallfahrer erhielt der Ort, der bis dahin Obermühlheim hieß, den neuen Namen „Saligunstat - glücks- und heilbringende Stätte".

Die Abteikirche hat mehr als tausend Jahre nahezu unversehrt überstanden. Durch die neo-romanischen Portalbogen betritt man unter den Westtürmen aus dem 19. Jahrhundert die karolingische Basilika. Sie ist ein kunsthistorisches Kleinod von europäischem Rang. Der schlichte Raum wurde im 13. Jahrhundert durch eine spätromanische Choranlage mit mächtigem Vierungstum ergänzt.

Wir ruhten in einem der vielen Straßenlokale in der Mittagshitze aus. Den sehr gepflegten, mit zahlreichen, beschrifteten Heilpflanzen ausgestatteten Kräutergarten nahmen wir ausführlich mit allen Sinnen auf.
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2.5 Frankfurt
2.5.1 Die Geschichte
Als „Franconovurt" wurde das königliche Gut erstmalig urkundlich erwähnt, als ein Ort einer bedeutenden Synode des fränkischen Adels unter Kaiser Karl dem Großen. Schon 1150 wurde die Frankfurter Messe genannt. Neunzig Jahre später stiftete Kaiser Friedrich II. als Privileg einen Schutz für Hin- und Rückreise. Es markiert den Beginn der langen internatio-nalen Messetradition. Ein Jahr später wies ein Steuerverzeichnis Frankfurt als die wirtschaft-lich bedeutendste Königstadt im deutschen Reich aus.
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Mit der Goldenen Bulle, dem Reichsgrundgesetz, wurde 1356 Frankfurt endgültig zur Wahlstätte der deutschen Könige (Bild Gegenkönig Günther XXI., im Dom). Ab 1372 war Frankfurt „Freie Reichsstadt" und somit Mitglied des Reichstages, d. h. ein sich selbst verwaltender Stadtstaat, der nur dem Kaiser zur Gefolgschaft verpflichtet war. 1405 erwarb der Rat die Häuser „Zum Römer" und „Zum Goldenen Schwan" und baute sie zum Rathaus um. Die Frankfurter Messe gedieh und wurde einer der bedeutendsten Handelsplätze in Deutschland. Hier wurden jährlich die teuersten Gebrauchsgüter des Abendlandes wie z. B. Bücher, Waffen, Stoffe und Gewürze verkauft und die ersten bargeldlosen Finanzgeschäfte abgewickelt. 1585 wurde mit der Börse ein erster behördlich kontrollierter Geldwechsel eingerichtet. Am Ende des Mittelalters war Frankfurt einer der reichsten und mächtigsten Handelsorte in Deutschland. Der Reformator Martin Luther notierte: „Frankfurt ist das Silber- und Goldloch!"

Nach der Gründung des Deutschen Bundes durch den Wiener Kongress wurde Frankfurt zur Freien Stadt erklärt und Sitz des Bundestages. 1848 tagte in der Paulskirche (die erst 1833 gebaut worden war) die erste deutsche Nationalversammlung.

Die Reformbemühungen scheiterten jedoch, nachdem König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen die Kaiserkrone zurückgewiesen hatte. 1866 schließlich wurde Frankfurt durch Preußen annektiert und verlor den Status als Freie Reichsstadt.43

Die Frankfurter Altstadt war durch Bombenangriffe 1944 vollständig zerstört worden. Von rund 2.000 historischen Bürgerhäusern blieben nur etwa zehn unbeschädigt. Der Leiter des Stadtplanungsamtes ab 1946 nannte es „geradezu abwegig, etwa die Altstadt oder auch nur größere Teile derselben wieder so aufzubauen wie sie war."

Mit dem Ergebnis des Wiederaufbaus war schon damals kaum jemand gänzlich zufrieden. Den Altstadtfreunden waren die Neubauten zu wenig historisch nachgebildet, den meisten Architekten dagegen zu stark angepasst und zu wenig modern. Heute spiegeln diese Neubauten die Notdürftigkeit, aber auch die Bescheidenheit der ersten Aufbauphase wider. Das Frankfurter Beispiel verdeutlicht wie kaum ein anderes die lang anhaltende Unsicherheit der Nachkriegszeit in städtebaulichen und architektonischen Entscheidungen. Ergebnis war weder der große innovative Wurf einer neuen Städtebaukonzeption, noch gelang die Bewahrung des alten Stadtgrundrisses und der historischen Stadträume.44
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Als ein Symbol der Wirtschaftskraft der Mainmetropole („Mainhattan") prägt seit 1988 der 256 m hohe „Messeturm" das Stadtbild. Neun Jahre später wurde es vom „Commerzbanktower" übertroffen. Die Europäische Zentralbank (Foto oben) besteht seit 1998.

2.5.2 Unsere Spaziergänge
Am Abend unserer Anreise gingen wir am Nordufer des Mains von der Friedensbrücke entlang bis zum Eisernen Steg, der vor 150 Jahren von einer eigens gegründeten Aktiengesellschaft errichtet worden ist. Dort bogen wir ab zum Römerberg. Das bekannte Rathaus war baubedingt verhangen. Gegenüber ragen sechs Fachwerkhäuser empor, die von der Abendsonne angestrahlt wurden. Bei ihnen handelt es sich um Rekonstruktionen der frühen achtziger Jahre.

Am folgenden Tag gingen wir zunächst durch den riesigen Hauptbahnhof (einem Sackbahnhof). Um diesen Bahnhof herum sind kaum deutsche Geschäfte zu finden, die Ladenschilder sind wahrhaft international.

Die berühmte Frankfurter Zeil soll die umsatzstärkste Einkaufsstraße Deutschlands sein, wie uns Dr. Budesheim sagte. Architektonisch gelungen ist sie gewiss nicht, und sehr belebt war sie am Vormittag ebenfalls nicht. Der Weg führte uns schließlich an der Paulskirche vorbei wieder zum Römer und von dort zum Dom.

Nicht zu Fuß gehen brauchten wir zum Senckenberg-Museum nahe dem Messeturm. Der Arzt Johann Christian Senckenberg hat dort 1763 eine Stiftung eingerichtet, die verschiedenen Naturwissenschaften zu Gute kommen soll. Durch seine Schausammlungen, wissenschaftlichen Einrichtungen und zahlreichen Veröffentlichungen ist das „Senckenberg" eines der bedeutendsten Forschungsmuseen Europas.45 Das Haus wurde 2003 umgestaltet. Als wir darin waren, wurde eine Sonderausstellung ab- und eine andere aufgebaut. Dennoch konnten wir prähistorische Tiere wie Saurier und die Funde aus der Grube Messel und die gegenwärtige Fauna bestaunen.46
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2.5.3 Der Dom
Im Westen vor dem Dom sieht man im „historischen Garten" über Mauerresten römischer Gebäude vor allem die Grundmauern der karolingischen Kaiserpfalz aus der Zeit Ludwigs des Frommen, die im Osten an die Pfalzkapelle anschloss.

Aus dem Gotteshaus der karolingischen Kaiserpfalz hervor gegangen, ist der Dom im eigentlichen Sinne nie Kathedrale, d. h. Bischofskirche, gewesen. Im Mittelalter war er Sitz eines kaiserlichen Reichsstiftes, Wahlort der Könige sowie einzige Pfarrkirche für Frankfurt. Mit der Verlegung der Krönung des römischen Königs von Aachen nach Frankfurt 1562 erhielt die Stifts- und Pfarrkirche immer häufiger den Ehrentitel „Dom", der sich seit dem 18. Jh. als alleinige Bezeichnung für St. Bartholomäus durchsetzte. Seit Ende des 13. Jh. wird der von einem Gegenpapst heilig gesprochene Karl der Große als Kirchenpatron verehrt - eine Tradition, die bis heute lebendig ist.

Schon in spätmerowingischer Zeit (Ende 7. Jh.) bestand eine etwa 12 m lange Steinkirche, die Karl 794 für sein Konzil durch einen größeren Bau ersetzen ließ. Seit 1315 wurde ein neuer Chor und das mächtige Querhaus - nach Süden und Norden mit je drei Jochen ebenso lang wie das Langhaus -, das die Kirche zu einem gleicharmigen Kreuz und damit einem Zentralbau ähnlich machte. Hundert Jahre danach begann man mit dem Turmbau, der rund hundert Jahre dauerte und kurz vor der Reformation eingestellt wurde.

Seit 1529 war die Stadt der lutherischen Lehre zugetan, und auch der Dom diente für 15 Jahre und während der schwedischen Besatzung ab 1631 dem lutherischen Gottesdienst. Weil man aber um die kaiserlichen Messeprivilegien und das Wahlprivileg bangte, gab man die Kirche und eine Reihe weiterer Stifte und Klöster den Katholiken zurück.

In der Wahlkapelle des Doms, die zwei enge Eingänge hat, konnte das Konklave der Kurfürsten sich ideal versammeln. Hier kamen zusammen:
1. Erzbischof von Mainz (als Sprecher)
2. Erzbischof von Trier
3. Erzbischof von Köln
4. König von Böhmen
5. Pfalzgraf bei Rhein (bis 1623, dann Bayern)
6. Herzog von Sachsen
7. Markgraf von Brandenburg
8. Pfalzgraf bei Rhein (wieder ab 1648) mit einer 8. Stimme und
9. Kurfürst von Hannover (ab 1692 mit der 9. Stimme).

In der Nacht vor dem ersten Besuch des verhassten neuen Herrschers Wilhelm brannte der Dom. Dieses Unglück wurde den Preußen angelastet. Die Gefühle der Stadt wurden in einem Gedicht zum Ausdruck gebracht:
Alles, was uns lieb und theuer,
was uns heilig, hoch und werth,
unsere Tempel fraß das Feuer,
unsere Freiheit fraß das Schwert.

Das Langhaus wurde nach den Wiederaufbau erhöht, die barocke Ausstattung weitgehend entfernt. Der Dom wurde neu ausgemalt, um ihn zu einem „Schatzhaus der deutschen Ge-schichte" zu komplettieren. Nebenbei konnte man mit den „Hauptstadtszenen" seit Karl dem Großen der ungeliebten Parvenu-Hauptstadt Berlin noch zeigen, wer wirklich Hauptstadttradition hatte. Gerade die Funktion als „Geschichtshaus" wollte man nach schwerer Kriegszerstörung aus begreiflichen Gründen nicht wieder herstellen. Seit Beginn der 90er Jahre wurde die jeweils erste Fassung der gotischen Periode zurück gegeben.

Bei der Domführung wurden uns nur einige der zahlreichen Kunstschätze gezeigt. Im hohen Chor beeindruckt der Bartholomäus-Fries in Secco-Malerei. In 27 Szenen wird die Legende des Patrons erzählt. Bartholomäus soll in Indien missioniert haben. In seinem Märtyrium soll ihm bei lebendigem Leibe die Haut abgezogen worden sein. Der Künstler des internationalen Stils hatte eine Vorliebe für prächtige Gewänder und Stoffe; keines der Königsgewänder wurde wiederholt.
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Im nördlichen Querschiff, in der ersten Kapelle, steht der Maria-Schlaf-Altar. Er wurde von 1434 - 38 aus Stein gearbeitet. Er erzählt unter einem reichen Baldachin von Tod Mariens im Kreise der trauernden Apostel. Petrus vollzieht das Totenoffizium. Die Seele Mariens wird darüber von Gott in den Himmel aufgenommen. Sieben Flügelaltäre aus der Zeit um 1500 zieren die Querhäuser.

In der Westturmhalle steht die Kreuzigungsgruppe, die neben Jesus den guten und den bösen Schächer zeigt. Johannes erscheint ohne Bart, weil er noch jung war.

2.5.4 Goethes Geburtshaus
Am Großen Hirschgraben steht Goethes Elternhaus, das zu den berühmtesten und beliebtesten Dichter-Gedenkstätten Deutschlands zählt. Das Bürgerhaus aus dem 18. Jahrhundert vermittelt mit seinen alten Möbeln (jedoch keine Betten) und Bildern kein museales, sondern ein lebendiges Bild von Goethes Jugend. Gemälde aus dem Spätbarock und der Romantik stammen auch aus der Malerfamilie Tischbein und von Caspar David Friedrich.

Johann Wolfgang Goethe kam hier am 28. August 1749 „mit dem Glockenschlag zwölf" zur Welt. Hier wuchs er mit seiner Schwester Cornelia auf. Damals wurde das komfortable Gebäude (mit eigenem Weinkeller) „hell und heiter" nach „Frankfurter Gusto" eingerichtet. Sein Vater war der Kaiserliche Rat Dr. Johann Caspar Goethe, ein gebildeter Jurist, der zur Oberschicht der Freien Reichsstadt gehörte. Seine Mutter Catharina Elisabeth geb. Textor nannte man gern „Rätin". Sohn Wolfgang sollte ebenfalls Jurist werden, entfaltete aber schon in jungen Jahren ein heraus ragendes poetisches Talent. Nach dem Studium in Leipzig und Straßburg kehrte er ins Elternhaus zurück und führte darin eine kleine Anwaltskanzlei. Als Autor des „Sturm und Drang" schrieb er „Götz von Berlichingen", „Die Leiden des jungen Werthers". Ende 1775 verließ er Frankfurt, um zu Herzog Carl August von Sachsen-Weimar in dessen Residenz zu ziehen.47 Goethes Vater war sparsam, speiste kaum in Gasthäusern und feierte selten. Er vererbte: 17 Sack baren Geldes, Häuser, eine Schneiderei, ein Hotel und 15 Hypotheken-Forderungen.48  49

Der Rundgang beginnt von hinten über den kleinen Innenhof in der Küche, die sogar eine Wasserpumpe hatte. Es folgt die Blaue Stube, über die repräsentative Treppe in der Hausmitte gelangt man in den 1. Stock. Dort liegen das Musikzimmer, Gemäldekabinett, Cornelias Zimmer und die Bibliothek. Von der Bibliothek führt der Blick durch ein Seitenfenster die Straße hinab, für das der Vater sogar prozessierte, weil es in der Brandmauer eingelassen ist.

Bildname 2.6 Mainz
„Der Anblick des Rheins und der Gegend umher ist freilich etwas einzig Schönes", schrieb Goethe 1814. Und in der Tat, noch heute geht wohl Jedem das Herz auf angesichts des grandiosen Panoramas, das ihm die vieltürmige, ehrwürdige, 2000-jährige Stadt am Strom bietet. Das „Goldene Mainz", so heißt heute wieder die arbeitsame, fröhlich-weinselige Metropole des Mittelrheins, Hochburg des Karnevals.

Mogontiacum, wie die Römer die Hauptstadt ihrer Provinz „Germania superior" nannten, erlangte früh Bedeutung für Schifffahrt, Handel und Handwerk. Bonifazius erkor im 8. Jahrhundert Mainz zum Sitz seines Bistums. Unter seinen Nachfolgern, die als Landesherren zugleich Kurfürsten waren, erlebte es die glanzvollsten Zeiten, wurde 1254 Haupt des Rheinischen Städtebundes. Durch Revolutionstruppen geriet es unter französische Herrschaft, fiel 1814 an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt und ist seit 1950 Hauptstadt von Rheinland-Pfalz.

Wie ein Steingebirge wächst der doppeltürmige, doppelchorige Dom St. Martin und St. Ste-phan, diese „Gottesburg", aus dem Gewimmel der ihn umdrängenden Häuser empor. Er ist neben den Kaiserdomen von Speyer und Worms das reifste und erhebendste Werk romanischer Baukunst am Rhein.50

Wir durchstreiften die ruhige Innenstadt in Feierabendlaune am Vorabend unserer Rückreise. Dabei sahen wir uns den Dom von allen Seiten an (er war schon geschlossen) und genossen den milden Abend in guten Weinlokalen.

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