2 Reichsstädte
2.1 Bayreuth
2.1.1 Geschichte
Die Stadt wurde mit dem Namen "Baierrute" - das hat mit roden zu tun - 1194 durch Bischof Otto II. von Bamberg erstmals urkundlich erwähnt und erhielt 1231 Stadtrecht. Zur Absicherung ihrer Besitzungen im nordostfränkischen Raum hatten die Grafen von Andechs-Meranien auf dem felsigen flachen Hügel des heutigen Stadtzentrums eine befestigte Siedlung errichtet, umgeben von den sumpfigen Niederungen des Roten Mains und des Sendelbaches.11

1260 ging Bayreuth in den Besitz der fränkischen Hohenzollern, das heißt der Burggrafen von Nürnberg, über. 1430 wurde die Stadt von den Hussiten erobert und zerstört. 1533 führte Markgraf Georg mit der neuen Kirchenordnung die Reformation ein. Erheblich aufgewertet wurde die Stadt, als Markgraf Christian die Residenz von Kulmbach nach Bayreuth verlegte. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt in drei aufeinander folgenden Jahren von kaiserlichen Truppen eingenommen und geplündert.

Das Markgrafenpaar Friedrich und Wilhelmine - der älteren Schwester von Preußenkönig Friedrich dem Großen - trat 1735 die Regierung an. Die Stadt hatte rund 7.000 Einwohner. 1792 schließlich fiel das Fürstentum Bayreuth an Preußen, 1810 aber durch Napoleon an Bayern. 1945 wurde rund ein Drittel der Stadt bei Luftangriffen zerstört. Seit 1975 ist Bayreuth Universitätsstadt mit acht oder neun Fakultäten (vor allem Jura) und mit 74.000 Einwohnern die mit Abstand größte Stadt Oberfrankens,12 die seit 1988 von einem SPD-Oberbürgermeister regiert wird.

2.1.2 Unsere Stadtführung
Am Abend unseres Ankunftstages - und für ganz Eifrige nach einer Vorerkundung - trafen sich zwei Teilgruppen mit ihren Stadtführern. Wir gingen durch das "Rotmaincenter", ob Segen oder Fluch für die Stadt, sei dahingestellt.

Der Besuch von Kirchen war an diesem Abend etwas kompliziert, lief doch gerade die "Bayreuther Orgelnacht". Bei freiem Eintritt wurden zuerst in der Spitalkirche (Was flüstern die beiden unter der Kanzel?), anschließend in der Stadtkirche und abschließend in der Schlosskirche verschiedene Orgelwerke gespielt.
Bildname
Bildname
Durch die Maximilian-Straße, die zu einem langgezogenen Marktplatz mit Busbahnhof erweitert ist, vorbei an Häusern mit schönen Renaissance-Erkern, näherten wir uns der Stadtpfarrkirche zur Heiligen Dreifaltigkeit. In der Reformation wurde sie zur bedeutenden Stätte protestantischen Lebens. In der Residenzzeit war sie die Hauptkirche des Fürstentums. Heute ist sie als evangelische Bischofskirche ein geistliches Zentrum Oberfrankens. Eine Besonderheit ist das Küffnersche Epitaph im nördlichen Seitenschiff (Bild unten).

Vor dem Alten Schloss wurde auch musiziert - von einer lateinamerikanischen Volkstanzgruppe. Wir drängten uns vorbei zum achteckigen Schlossturm. Der Glockenturm wurde Anfang des 17. Jahrhunderts vollendet und ist ein Wahrzeichen Bayreuths. Wer nicht gern Treppen steigt, ist hier richtig: über eine spiralförmige Rampe kann man bequem hinauf gehen und bekommt zur Belohnung einen herrlichen Blick über das Dächermeer der Altstadt bis zu den grünen Berghängen der Umgebung.

Das Schloss selbst brannte einmal ab, der Markgraf ignorierte zuerst den kleinen Brand. Weil das Gebäude nicht mehr zu retten war, erhob er kurzerhand eine Brandsteuer. Heute sitzt im Alten Schloss das Finanzamt.
Bildname

Wir gingen weiter, vorbei an der Jean-Paul-Apotheke und am Jean-Paul-Café in der Friedrichstraße, und kamen zum Jean-Paul-Platz.13 Hier fand der Dichter seine „3 B: Berge, Bier und Bücher. Auf dem Weg in die Stadt waren wir schon an der „Rollwenzelei vorbei gefahren. Im Dachgeschoss von diesem Wirtshaus schrieb Johann Paul Friedrich Richter - so sein eigentlicher Name - einige seiner Werke.

Vor dem Neuen Schloss, der jetzigen Bezirksregierung von Oberfranken, steht der Brunnen der vier Erdteile. Wir gingen um das Schloss herum in den Hofgarten bei beginnender Dämmerung unter dunklen Alleen. Am Luisen-Tempel vorbei kamen wir zum „Haus Wahnfried", der Villa von Richard Wagner.14 Im Garten liegt das Grab des Komponisten - und an dessen Ecke auch das Grab seines Hundes. "Hier, wo mein Wähnen Frieden fand - sei dieses Haus von mir benannt." Das Haus nannte der Künstler auch „Ärgersheim", wenn wieder einmal das Geld alle war.

Wir schlossen den kühlen Abend ab mit einer fränkischen Mahlzeit mit Weizenbier.

2.1.3 Festspielhaus
„Ich denke daran, den Siegfried wirklich noch in Musik zu setzen, nur bin ich nicht gesonnen, ihn auf's geradewohl vom ersten besten Theater aufführen zu lassen: im Gegenteil trage ich mich mit den allerkühnsten Plänen [...] Dann würde ich nämlich hier [...] nach meinem Plane aus Brettern ein Theater errichten lassen, die geeignetsten Sänger dazu mir kommen und alles Nötige für diesen einen besonderen Fall mir so herstellen lassen, dass ich einer vortrefflichen Aufführung der Oper gewiß sein könnte." Richard Wagner an Ernst Benedikt Kietz, 14. September 1850 15
Bildname
Wirklichkeit wurde diese Idee erst 1872, als der Grundstein gelegt wurde. Die Gesamtkosten des Theaterbaus beliefen sich auf eine Gesamtsumme von 428.384 Mark (ca. 3,29 Millionen Euro). 1876 begann der Festspielbetrieb mit „Rheingold.

Bayreuth war gedacht als demokratisches Kunstfest, bei dem sich die Freunde von Wagners Kunst in sommerlicher Unbeschwertheit und frei von den Sorgen und Lasten des Alltags versammeln sollten. Die Erstarrung in konservativem Traditionalismus, die ideologische Verbrämung von Richard Wagner16

und seinem Werk und seine unselige Erhebung zur chauvinistischen Manifestation des sogenannten deutschen Geistes war ein Produkt der nachfolgenden Generation, deren ideologischer Vermittlungsanspruch in Verbindung mit subjektiv-verklärter, unkritischer Darstellungsabsicht über den nationalsozialistischen Ungeist schließlich in die Katastrophe führte. Erst das neue Bayreuth konnte ab 1951 wieder an die ästhetischen Essenzen von Richard Wagners Kunstwerk anknüpfen.17 Viele An- und Umbauten folgten bis in die Gegenwart, so dass inzwischen ein festes Theatergebäude mit allem Komfort besteht. Wir konnten das Haus nicht betreten, weil der Probenbetrieb nicht gestört werden darf.

2.1.4 Richard-Wagner-Museum
Das Haus Wahnfried, von Wagners königlichem Gönner Ludwig II. von Bayern mit 25.000 Talern bezuschusst, wurde 1872 begonnen, 1874 fertiggestellt und von Wagner18 mit seiner Familie - seiner zweiten Frau Cosima, einer Tochter Franz Liszts, und den Kindern - bezogen. Hier vollendete er 1874 mit der Partitur der "Götterdämmerung" den "Ring des Nibelungen", das größte Werk der Musiktheatergeschichte, und begann 1877 sein letztes und "Weltabschiedswerk" "Parsifal", das er 1882 ebenfalls in Wahnfried mit den Passionsworten "Es ist vollbracht!" vollendete. 1883 starb Richard Wagner in Venedig. Sein Leichnam wurde nach Bayreuth überführt und in der Grabstätte im Garten des Hauses Wahnfried beigesetzt, wo auch Cosima ihre letzte Ruhe finden sollte.

Nach dem Tod Cosima und Siegfried Wagners 1930 benutzte das Haus Siegfried Wagners Witwe Winifred als Gästehaus und beherbergte hier u.a. Arturo Toscanini, Richard Strauss und ab 1936 auch Adolf Hitler. Im Krieg wurde das Haus Wahnfried durch den Einschlag einer Fliegerbrandbombe am 5. April 1945 von der Gartenseite in den Saal zur Hälfte zerstört. Die Familie Wagner bewohnte das zunächst provisorisch abgedichtete Haus Wahnfried bis zum Tode Wieland Wagners im Jahre 1966. Im Jahre 1973 wurde die Richard-Wagner-Stiftung gegründet. Die Familie Wagner brachte im wesentlichen das Festspielhaus und das Richard-Wagner-Archiv in diese Stiftung ein und schenkte das Haus Wahnfried der Stadt Bayreuth.19

Ein verregneter Nachmittag war gut für einen Rundgang durch das Museum im „Haus Wahnfried", gelegen in grüner Umgebung am Hofgarten. Im Erdgeschoss ist alles einfach und übersichtlich - aber in den Obergeschossen geht es Treppe auf - Treppe ab. Das Museum besitzt Original-Kompositionen und vor allem Schwarz-Weiß-Fotografien der verschiedensten Opern-Inszenierungen. Alle anzusehen dauert weit mehr als einen Nachmittag.
Bildname
2.1.5 Brauerei-Museum
Oberfranken ist Bierland. Eine Brauerei anzuschauen ist da obligatorisch. Die Gebr. Maisel haben seit 1887 in Bayreuth ihr Stammhaus, das noch bis 1974 in Betrieb war. Wegen des gestiegenen Bierdurstes wurde ein modernes Brauhaus gebaut, wenig später wurde das alte Museum. Ein kundiger junger Mann weihte uns in die Braukunst ein. Er führte uns durch Maschinenhaus, Sudhaus, Hopfenkammer, Büttnerei, Fasskeller (rechts: Er aber sags ihm: Er kann mich am Arsch lecken), Flaschenkeller und die „Weiße Gasse" bis zur Probierstube (der Hauptsache), vorbei an Sammlungen von Bierdeckeln, Emailschildern und Gläsern erstaunlichen Ausmaßes.

Bier bekamen wir, soviel wir bis 18:00 Uhr trinken konnten: selbstverständlich Weizen und das uns bislang unbekannte, noch edlere Dampfbier. Uns hat es geschmeckt. Vielleicht lag es neben der Brautradition auch am sehr weichen Wasser der Brunnen nah am Main mit nur 2 - 3 Härtegraden bei einem Durchschnitt von 19. Maisels - eine von einst 2.400 und heute noch 1.300 Brauereien in Deutschland, von denen wiederum die Hälfte in Bayern und davon die meisten in Franken liegen - lohnt sich zu probieren.20
Bildname

2.2 Bamberg
Bamberg sei wie Rom auf sieben Hügeln errichtet, wie Venedig von Wasserstraßen durchzogen und mindestens so schön wie die Altstadt von Prag, in der die selben Baumeister wirkten. So sagt der Volksmund. Die Stadt ist seit 1993 Weltkulturerbe der UNESCO.21

Im Jahr 1007 hatte Kaiser Heinrich II. das fehdelustige Castrum Babenberg gegen den Widerstand der Bistümer Würzburg und Eichstätt zum Bistumssitz erhoben. Die junge Kirchenstadt war die Morgengabe an seine Gemahlin Kunigunde von Luxemburg. Diese Gabe wurde ein hoher Kaisertraum: Heinrichs „deutsches Rom", das Herz des Reiches, die „geistige und politische Hauptstadt des Erdkreises", von der jeder Ruhm ausgehen sollte. Um die gehügelte „Hauptstadt" mit der Krone des Doms bildete sich zwischen Bischofspfalz und Regnitz das Gassengewinkel der nicht immer fügsamen Bürgerstadt, zwischen den beiden Flussarmen die Inselstadt mit Markt, Brückenrathaus und dem Blick auf die Fischerhäuser von Klein-Venedig.22

800 Jahre lang, bis zur Säkularisation 1802/03, wurde Bamberg als unmittelbares Fürstentum regiert. Der Dom, dreimal errichtet und zweimal abgebrannt, wurde 1237 St. Peter geweiht. Er ist eine doppelchörige, dreischiffige Basilika, mit vier gleich hohen Türmen, romanisch in der Anlage und auch in den gotischen Bauteilen dem romanischen Plan verbunden. Im formklaren Innenraum finden wir ihn:
Bildname
Bildname
Der Bamberger Reiter ist die älteste erhaltene, lebensechte, aus Stein gefertigte, mittelalterliche Steinplastik. Sie bildet einen unbekannten Herrscher ab. Vermutet wird, die Krone weise auf einen König, der Baldachin deute auf einen Heiligen hin. Angenommen wird, die Figur stelle Stephan, den heilig gesprochenen, ersten christlichen ungarischen König dar.23

Vor dem Ostchor kommen wir an das Kaisergrab. Heinrich II., gestorben 1024, und Kunigunde, gestorben 1033, waren zunächst getrennt bestattet. Beide wurden heilig gesprochen, Heinrich war der einzige deutsche Kaiser, der geheiligt wurde. Beider Hochgrab wurde 1513 unter Tilman Riemenschneider24 geschaffen. Die Seiten des Sarkophages stellen Legenden dar: die Pflugscharenprobe von Kunigunde (sie musste über glühende Pflugscharen gehen, weil sie des Ehebruchs angeklagt war) und das Pfennigswunder (ein Baumann betrog die Kaiserin bei der Lohnzahlung, die Pfennige wurden in seiner Hand glühend).

Unter dem Ostchor steht der romanische Sarkophag Kaiser Konrads III. Gegenüber, im Westchor, ist das einzig anerkannte Papstgrab nördlich der Alpen, und zwar von Clemens II. Sehr bekannt ist der Veit-Stoß-Altar, links vom Westchor. Der Meister hat ihn 1523, ein Jahr vor Beginn der Bauernkriege, aus Lindenholz geschnitzt. Die Seitenflügel des Altars zeigen die Flucht nach Ägypten, die Heiligen Drei Könige, die Geburt Marias und die Darbietung Jesu im Tempel, sein Mittelfeld zeigt die Krippenszene.25 Zurück zum Ostchor. An den Seiten der Chorschranke finden wir links und rechts Steinfiguren: Die Ecclesia (ursprünglich mit Kelch oder Kreuz und Fahne), im Mittelalter für die Wahrheit des Christentums, das Neue Testament oder das Gute; dagegen die Synagoge, sie stand für den Irrtum des Judentums, das Alte Testament oder das Böse; einen lachenden Engel, den heiligen Dionysius (der seinen abgeschlagenen Kopf zu seinem Grab getragen haben soll) und mehr.26

zurück  Übersicht   weiter