2 Schlösser, Burgen und der Adel
2.1 Krumau oder Ceský Krumlov

In Böhmen lebten einst 14.000 (!) Adelsfamilien. 4 Sie prägten mit ihren Burgen und Schlössern dieses europäische Kernland. Das Schloss Krumau beherrscht die malerische Kleinstadt (mehr im Kapitel „Die Städte") von seiner hohen Warte aus. Auf dem Bergsporn hoch über den Mäandern der Moldau wurde vor der Mitte des 13. Jahrhunderts von den Wittingonen eine Burg errichtet. Getrennt vom Pallas steht der zylindrische Turm. 5

In der ersten Hälfe des 14. Jahrhunderts ließ Petr von Rožmberk - wir sagen Rosenberg, obwohl es alter tschechischer Adel ist - oberhalb die sog. Obere Burg errichten, die von seinen Nachkommen um 1510 umgebaut wurde. In der Zeit der Renaisscance stiegen die Wohnansprüche des Hochadels. Mit den von den letzten Rosenbergern Vilém und Petr Vok (mit roter Rose im Wappen) erbauten Objekten erreichte der Komplex sein heutiges Ausmaß von zwei unteren und zwei oberen Burghöfen.

Kaiser Ferdinand II. vermachte Krumau den Eggenbergern 1622. Diese ließen auch das Barocktheater einbauen sowie den Garten anlegen, welcher über die „Mantelbrücke" über die tiefe Schlucht hinweg bequem erreichbar ist.
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Das Wappern der Eggenberger (links) begegnete uns öfter - auf Wirtshausschildern und Bierflaschen.

1719 übernahmen die Schwarzenberger (links Wappen, aufgenommen in Kuttenberg) Krumau. Allein ihr Krumauer Zweig hatte am Ende der Feudalherrschaft 26 Herrenhöfe und Güter mit 200.000 Untertanen in Böhmen! Fürst Josef Adam ließ u.a. den herrlich erfrischenden Maskensaal errichten und 1748 künstlerisch ausmalen. Eine der beiden Besichtigungstrassen begingen wir - leider wie auch in vielen anderen Schlössern bei Fotografierverbot.

2.2 Rosenberg oder Rožmberk
Rosenberg, nahe der Grenze zu Österreich, ist winzig klein, eine Stadt en miniatur (aber immerhin gibt es „neue Mädchen", wie ein Plakat verkündete). Nach einem Mittagessen an der schmalen Vltava stiegen wir bei Regen auf zum Schloss, um uns darin im Trockenen führen zu lassen. - Das Geschlecht derer von Rožmberk wurde bereits 1250 genannt. Um 1300 übersiedelte Voks Sohn Jindrich (Heinrich) nach Krumlov, das für drei Jahrhunderte deren Hauptsitz wurde. In Folge des Bedeutungsverlustes des Stammsitzes verfiel die Burg mehr und mehr. Größere Reparaturen ließ Petr Vok Ende des 16. Jahrhunderts vornehmen, bevor 1612 die Familie Švamberk das Anwesen übernahm. Sieben Jahre später bekam sie der aus Frankreich stammende habsburgische Heerführer Karl Bonaventura Buquoy aus der Hand von Kaiser Ferdinand. Mitte des 19. Jahrhunderts ließ Karl Albert von Buquoy die Kreuzfahrer-Galerie anbauen. 6  - Die Burg hat Holz verkleidete Wände, Kassettendecken, eine zeitgenössische Einrichtung und historische Waffen.

2.3 Frauenberg oder Hluboka
Hier stand um die Mitte des 13. Jahrhunderts bereits eine gotische Burg, die Mitte des 16. Jahrhunderts in ein Renaissance-Schloss umgebaut wurde. Hundert Jahre später kaufte es Johann Adolf I. von Schwarzenberg, ein europäisch bedeutender Diplomat, der eine Linie seines Geschlechtes begründete, die in Südböhmen fast dreihundert Jahre lang lebte. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde das Anwesen zu einem Barockschloss umgebaut. 7

Was wir heute sehen, ist ein Neubau im Stil der Tudorgotik, dessen Rohbau ab 1840 allein 15 Jahre dauerte und deren anspruchsvolle Ausschmückung erst 1871 vollendet wurde. Hluboka gehört zweifelsohne zu den schönsten Schlössern Böhmens. Die Repräsentations-räume - die wir besichtigt haben - haben reich geschnitzte Wandverkleidungen und Türen (links unten eine Klinke mit dem Türkenkopf aus dem Wappen, der Adam von Schwarzenberg 1598 in Györ, Ungarn, verliehen wurde).
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Um das hoch über dem Ort gelegene Schloss liegt ein englischer Garten. Vor dem Schloss Wttingau steht ein Brunnen (auch mit Türkenkopf, hier hackt der Rabe nicht ein Auge aus, sondern zupft nur an den Haaren, rechts unten).
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Der letzte Besitzer, Fürst Adolf, musste 1939 vor den deutschen Faschisten emigrieren, und zwar zuerst nach Italien und dann nach Übersee. Der Besitz gehört kraft eines Gesetzes von 1947 dem Land Böhmen.

2.4 Neuhaus oder Jindrichuv Hradec
Zu Beginn des 13 Jahrhunderts gründete Heinrich aus dem Geschlecht der Wittingonen die Burg, die in einer Urkunde den Beina-men „de Nova Domo", also Neuhaus, bekam. Die Herren von Hradec (mit goldener bzw. gelber Rose) ließen Mitte des 16. Jahrhunderts die gotischen Gebäude zu einem ansehnlichen Renaissancesitz umbauen.
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Seit 1694 gehörte die hiesige Herrschaft der Familie Czernin von Chudenice. Nach einem Brand von 1773 wurde nur ein Teil repariert, der Rest erst Anfang des 20. Jahrhunderts, bis die Arbeiten nach der Bodenreform von 1923 aus Geldmangel eingestellt werden mussten. Der tschechoslowakische Staat, seit der Enteignung 1945 Besitzer des Schlosses, ließ den Komplex von 1976 - 1995 restaurieren. 8  - Auffällig sind insbes. die Attika auf der weißen Schildmauer, ein mächtiger Rundturm und ein schöner runder Pavillon zum Fluss hin. Wir begingen die Anlage nur außen.

2.5 Wittingau oder Trebon
Das Schloss wurde von den Brüdern Pelhrim und Ojír aus dem Landsteiner Zweig (silberne oder weiße fünfblättrige Rose) des Wittingonen-Geschlechts gekauft. Von deren Nachkommen erwarben es die Herren von Rožmberk. Mit den einflussreichen Herren nahm Trebon an Bedeutung zu. Das Schloss, welches Vilém von Rožmberk als Vierflügelanlage errichten ließ, wurde nach 1602 um einen weiteren Hof erweitert. Auffällig ist der Uhrturm über dem Tor. Davor steht seit 1712 ein Brunnen mit dem schwarzenbergischen Wappen. In der Nähe der Stadt wurde mit einem Damm ein Teichsystem aufgestaut, das 1978/79 in die UNESCO-Weltliste von Biosphären-Reservaten eingetragen wurde. 9

Dahinter, im Park versteckt, steht das Mausoleum der Familie Schwarzenberg. Die oktogonale Gruft entstand im Stil der Neugotik von 1874 - 77.

2.6 Worlik oder Orlík
Worlik ist eine Märchenburg: Sie hat hohe, trutzige Mauern mit Zinnen und mächtige Rundtürme. Gebaut wurde sie von Petr Zmrzlík (wie soll man das nur ausspechen?) 1407. Später erwarb sie Kryštof von Švamberk, wurde aber nach dem Aufstand 1621 konfisziert. Im 17. und 18. Jahrhundert war Orlík ein Verwaltungszentrum derer von Eggenberg (die mit der Brauerei) und von Schwarzenberg (mit Türkenkopf). Durch den Moldaustausee wurde Worlik 1960 von einem Felsennest zu einem Wasserschloss. Es gehört seit 1992 Karl von Schwarzenberg, und ist der Öffentlichkeit zugänglich. Uns fehlte jedoch die Zeit, weil wir Prag noch vor uns hatten. 10
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2.7 Leitomischl oder Litomyšl
Diesen herrlichen Renaissance-Bau sahen wir leider bei Regenwetter. Neugierig machte schon der ähnliche Bau des Rathauses unterhalb. Das charakteristische Schloss ließ Wratislaw von Pernstein an der Stelle eines Prämonstratenser-Klosters erbauen von 1558 - 81. Es hat außen und im Innenhof Sgraffito-Fassaden. Das bemerkenswerte spätbarocke Theater von 1796 (es gibt aus der Zeit nur noch fünf) besuchten wir zuerst. Geführt wurden wir kompetent von einer barocken jungen Dame und ihrem Diener (links, „Jiri, Schlüssel!")

2.8 Opatschno oder Opocno
Das Geschlecht von Trcka (sprich Tritzka) besaß einst dieses Schloss. Die Lage begünstigt diesen Ort: Am Rand des Adlergebirges liegt er erhöht über dem „Goldenen Bach". Der Ort schrieb sich in die europäische Geschichte ein: bei der Eroberung durch die Hussiten, durch den Generalissimus Wallenstein und die Verhandlungen mit Zar Alexander I. und König Friedrich Wilhelm III. und Metternich 1813.

Das Bauwerk wurde im Renaissance-Stil von 1560 - 69 von italienischen Architekten erbaut. 11 - Wir besichtigten es auch von innen (Foto rechts: Billard-Salon).

2.9 Náchod
Das Schloss, zu dem wir von der Stadt nach dem Mittagessen aufgestiegen sind, liegt hoch über der Stadt, und wird zur Zeit restauriert. Es gehörte Albrecht von Wallenstein bzw. einem seiner Mitstreiter, von Trcka, und wurde nach deren Ermordung 1634 von Ottavio Piccolomini erworben. 12
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2.10 Kuks
Eigentlich kein Schloss, sondern ein Hospital, ist Kuks, das die Familie von Špork 1692 errichten ließ. Durch ein malerisches böhmisches Dorf mit Blockhäusern, deren Ritzen mit weißem Kalk verfugt sind, gingen wir über die schmale Brücke über die Oberelbe. Mitten in der Fassade springt die Kirche hervor. Klar zu erkennen ist an den Baunähten, dass offenbar während der Bauzeit das Geld knapp wurde. Zum Glück wurde nicht an den allegorischen Figuren auf der Balustrade gespart.

2.11 Chlumetz an der Zidlina oder Chlumec nad Cidlinou
Bei all den vielen Schlössern ist es gar nicht so leicht, etwas wirklich Auffälliges zu konstruieren. Mit der sog. Karlskrone gelang es: Das Bauwerk wurde im Grundriss der böhmischen Wenzelskrone nachempfunden. Die Grafen Kinsky ließen dieses Barockschloss 1721 - 23 erbauen, das - wie wir vor neun Jahren empfanden - durch seine hellen Räume auch von innen sehr sehenswert ist. 13

2.12 Kacina oder Katschina bei Kutná Hora
Dieses Schloss hat die Familie Chotek von Chotkov und Vojnín errichten lassen. Es wurde 1806 begonnen. Der eineinhalb geschossige Bau legt sich klassizistisch streng in die Breite, wir haben ihn einmal umrundet. Im Schloss ist seit 1950 ein Landwirtschaftsmuseum untergebracht. 14

2.13 Münchengrätz oder Mnichovo Hradište
Dieses als Dreiflügelanlage mit hohem Mittelturm erbaute Spätrenaissance-Schloss wurde von Wenzel Budowetz von Budow Anfang des 17. Jahrhunderts erbaut. Auch Budowetz wurde 1621 wegen der Teilnahme am Widerstand gegen die Habsburger auf dem Prager Altstädter Ring hingerichtet. 15

2.14 Waldstein oder Valdštejn
Und schließlich waren wir in einer romantischen Burgruine, zu der wir durch einen Wald (nomen est omen) hinauf steigen mussten. Dort gab es nicht das angekündigte Restaurant, aber immerhin eine Baude mit einer Knackwurst und einer Flasche Pilsner Urquell. -
In der Ruine sind einzelne Räume restauriert, an deren Wänden einige Wappen aufgemalt wurden, auch das derer von Waldstein, bekannt unter Wallenstein.

2.15 Moritzburg
Die Moritzburg liegt nicht in Böhmen, sondern in Sachsen bei Dresden. Wir umrundeten das Wasserschloss, um Abschied von unserer Burgen- und Schlösserreise zu nehmen.

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