Auf den Spuren Wallensteins in Böhmen
Studienreise mit Dr. Werner Budesheim,
Freie Lauenburgische Akademie für Wissenschaft und Kultur
Wentorf bei Hamburg,
vom 16. bis 22. Juli 2014

1 Die Burgen und Schlösser
1.1 Waldstein/Valdštejn
Waldstein gehört zu einer Kette von Felsenburgen am nördlichen Rand Böhmens, gebaut wurde sie bereits in der 2. Hälfte des 13. Jh.s. Die damals gotische Burg steht auf drei großen Sandsteinblöcken, sie ist mit einem tiefen Graben vom Zugang getrennt. An drei Seiten schützt Wald sie vor Blicken, nur nicht auf der uneinnehmbaren Nordseite. Diese Burg mit ihren beiden Brücken bestand aus Holz, außer den steinernen Wehrmauern und -turm sowie Pallas. Ein Brand im 16. Jh. ließ nur die Mauern und einige in den Fels gehauene Keller übrig. 1

Heute finden wir zwei barocke Steinbrücken, die erste mit Stein-Plastiken böhmischer Heiliger verziert, deren Originale aus dem frühen 18. Jh. jetzt in der Kapelle stehen. Auf dem ersten Sandsteinfelsen steht nur das Tor und eine kleine Wegekapelle. Das klassizistische Hauptgebäude mit Rundbogenfenstern auf dem zweiten Felsen ist zweigeschossig, wobei das obere vollständig vom Festsaal eingenommen wird. Dahinter, noch auf demselben Felsen, ragt die barocke Kapelle des Hl. Johannes Nepomuk auf. Der dritte, hintere Fels trägt die Ruine des Palas, in dem im 19. Jh. einige Räume wieder hergestellt und eingerichtet worden sind.
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Der erste bezeugte Besitzer war ein Zdenek (1280 - 1304), der sich nach der Burg von Waldstein nannte. Zur Burg gehörten mehrere Dörfer, um welche sich Mitglieder der Familie Waldstein stritten, wovon Gerichtsakten zeugen. Hussiten besetzten die Burg 1420. Zahlreiche Besitzerwechsel folgten. 1620, nach der Schlacht am Weißen Berg, nahm Albrecht von Wallenstein den ehemaligen Familienbesitz einem protestantischen Adligen ab, zeigte aber kein Interesse an dem zerstörten Stammsitz. Nach dem Tod des Feldherrn blieben nur zwei Besitztümer seiner Familie, diese Burg ist einer davon. Danach blieb die Ruine in den folgenden zwei Jahrhunderten im Eigentum des Gründer-Geschlechts. Nach dem Einzug eines Einsiedlers, eines Musikers aus Prag, Ende des 17. Jh.s wurde die Burgruine wieder interessant und die barocken Bauten entstanden. Waldstein wurde als eine der ersten böhmischen Burgen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Öffentlichkeit zugänglich gemacht; sie wurde durch ihre Lage im Böhmischen Paradies ein attraktives Ausflugsziel mit inzwischen rund 70.000 Besuchern im Jahr.

Wir stiegen nicht ohne Mühe durch einen schattigen Nadelwald hinauf zur Burg, angekommen trafen wir auf einen mittelalterlich in Fell gekleideten Mann, der sich Orso, also Bär, nannte. Was er sagte, übersetzte uns Dana Oppelt, eine mit uns reisende Dame aus Lauenburg, deren Muttersprache Tschechisch ist. Das Burgareal durchwanderten wir anschließend auf dem Plan von links nach rechts und zurück.

1.2 Friedland/Frýdlant
Die Burg steht auf einer Basaltkuppe, einer sog. Teufelsorgel, wie uns der Führer, Herr Malecek erzählte. Von der zuerst frühgotischen Burg stammt noch der Kern des fast tausend Jahre alten, 48 Meter hohen runden Turms, der noch heute den Bau dominiert.
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In der zweiten Hälfte des 16. Jh.s wurde die äußere Form der Anlage wesentlich verändert. Die Vorburg wurde zu einem einstöckigen Schloss mit Giebeln und Sgraffito-Anbauten umgebaut. Herr Malecek legt Wert auf die Feststellung, der wirkliche Name sei Waldstein, Wallenstein nur eine literarische Figur. Der Feldherr lebte nur zwei Wochen hier. Seine Armee wollte er nicht auf seinem Grund überwintern lassen.

Nach seiner Ermordung kam die Burg bzw. das Schloss in den Besitz von Matthias Gallas, dem Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armee. Ende des 17. Jh.s wurde das Schloss nach Bränden im Frühbarock umgebaut. Von 1757 bis zur Enteignung 1945 gehörte es den Grafen Clam-Gallas. Die letzte Gräfin Clam-Gallas verbot übrigens Hitler Zutritt und Übernachtung im Schloss, eine mutige Entscheidung. 1944 ging sie nach Wien, um in einem amerikanischen Soldaten-Hospital zu arbeiten. Der junge Herr Malecek würde das Schloss der Familie zurück geben, das seit 1945 der tschechische Staat hat. Schon 1801 wurde hier das erste Burgmuseum Europas eröffnet!

Im Schloss sind fünfzig Räume öffentlich zugänglich. Die Einrichtung besteht aus Möbeln der letzten vier Jahrhunderte. Zu besichtigen sind weiter Keramik, Porzellan, eine Waffenkammer und eine Pfeifenausstellung. In der Schlosskirche steht ein bedeutender Hochaltar der Spätrenaissance. Aus dem Anfang des 20. Jh.s stammt die Schlossküche mit einer Sammlung von Kupfer- und Zinngeschirr; beide Öfen und der Grill sind funktionsfähig. 2

Unser Rundgang durch das Schloss lässt uns im zweiten Raum auf zwei Gemälde von der Ermordung Wallensteins blicken, dazu ein Porträt seines Astrologen Seni. Rechts der Tür hängt ein Bild seiner zweiten Frau, Isabella von Harrach. Auch sein Pferd „Mas querido", also auf Spanisch in etwa „Geliebtester", wurde bildlich verewigt. Die Wände im dritten Raum füllen diverse Gemälde der Familie Gallas. Der vierte Raum ist der Musiksalon. Der fünfte Raum mit Vitrinen stellt auch eine Uniform von Radetzky aus, dazu ein Fotoalbum aller Soldaten von Graf Eduard sowie seine Geschenke zum 80. Geburtstag. Im sechsten Raum hängen Uniformen der Diener. Kaiser Joseph II. hat hier einmal übernachtet mit Blick auf das Isergebirge. Im siebten Raum stehen eine Sänfte und Schlitten. - Fotos kann ich Ihnen hier nicht liefern, verständlicherweise war das Fotografieren nicht erlaubt. Die Burgkapelle hat über Eck zwei Altäre: rechts den lutherischen, links den katholischen. Die Orgel befand sich 1874 auf der Weltausstellung. Hier werden Konzerte, auch mit mittelalterlicher Musik, gegeben. Die Schlossküche befindet sich im ehemaligen Pferdestall. Zweimal im Jahr gibt es eine Nachtführung, dann wird hier gekocht. Am Schluss unseres Rundgangs bedanken wir uns mit einem heftigen Applaus.

1.3 Münchengrätz/Mnichovo Hradište
Das Städtchen an der Iser, zwischen Turnau und Jungbunzlau, mit heute 8.400 Einwohnern entstand Mitte des 13. Jh.s als Marktflecken und gehörte zu einem Zisterzienser-Kloster. Sein damaliger Besitzer wurde nach dem Ständeaufstand auf dem Altstädter Ring in Prag hingerichtet, das konfiszierte Anwesen kam 1623 an Albrecht von Wallenstein. Nach dessen Ermordung wurde es wieder konfisziert und kam an Wallensteins Vetter Max von Waldstein. Die Familie behielt das im 17. Jh. großzügig umgebaute Schloss bis 1945. 3 Warum kamen wir hierher? Hier, auf friedländischem Gebiet, liegt Generalissimus Wallenstein begraben.
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In der St.-Anna-Kapelle des angeschlossenem Kapuziner-Konvents befinden sich seit 1782 die sterblichen Überreste des Feldherrn und Herzogs Albrecht von Wallenstein, die nach der Auflösung der Kartause Valdice hierher überführt wurden. Ursprünglich war ein Mausoleum geplant. Bei einer Untersuchung der Knochen wurde Quecksilber gefunden, das damals zur Behandlung von Syphilis genommen wurde; diese Geschlechtskrankheit soll sich der Feldherr in Ungarn eingefangen haben. Auf ein Foto der modernen Grabplatte an der Nordwand hätte ich auch verzichtet, wenn das Fotografieren erlaubt wäre.

Schöner als die Kirche ist links davon das „ausnahmsvolle Schloss", wie es auf einem Schild zu lesen ist. Hübsche Stilblüten aus Übersetzungen finden wir auch an anderen Stellen im Schloss. Immerhin befinden sich hier rund 4.000 Ausstellungsstücke. Zwei Stammbäume zeigen die Abkunft von Albrecht und seiner Isabella seit dem Ende des 13. Jh.s.

Eine Schlossführung beginnt im ersten Raum, dem Vorzimmer. Der zweite ist das Schlafzimmer der Gräfin, wo auch böhmisches Glas ausgestellt wird. Dieses besteht aus zwei Schichten, dazwischen ist ausgeschnittene Goldfolie eingelegt. Der dritte Raum ist der italienische Salon, er zeigt an drei Wänden Tapeten mit Hafenansichten; diese sollen Venedig und Neapel abbilden, sind aber eher Idealbilder. Bei einer Restaurierung wurde das Deckenbild des Zeus wieder gefunden. Weiterhin sind Modelle der Grabeskirche und vom Heiligen Grab in Jerusalem zu sehen. Der vierte Raum ist der Salon von Vinzenz von Waldstein mit Frau von Sternberg. Der fünfte Raum gegenüber ist der Jagd gewidmet, er diente für Spiele, zum Rauchen und Diskutieren. Hier wurde ein Deckenfresko der Diana frei gelegt; das dritte der Überlieferung nach blieb im Schloss bislang unentdeckt. Der sechste Raum ist der große Ecksalon, auch hier dominieren Jagdmotive, er diente dem Empfang. Er wurde im Stil Ludwig XV. eingerichtet und bildet heute oft eine Filmkulisse. Ausgestellt ist auch Meißner Porzellan zum Schokolade trinken. Hundert Jahre jünger sind die Petroleum-Lampen und Berliner Porzellan. Der siebte Raum ist der Damensalon mit seinen Seidenbezügen auf Stühlen und der Chaiselongue (frz. chaise longue „langer Stuhl"). Der achte Raum gehörte einst Maria Schwarzenberg und wurde 1860 - 72 als Porzellan-Salon eingerichtet. Die Kassettendecke im Stil der Renaissance um 1580 stammt aus einem anderen Schloss; in der Mitte erscheint das Wallenstein-Wappen. Die Wände sind mit Sgraffiti und Delfter Kacheln geschmückt, Teller und Vasen werden ausgestellt, auch mit japanischem Zwiebelmuster. Im neunten Raum, dem Teesalon, stehen wertvolle Deckelvasen aus japanischem Porzellan, mit rund 100.000 Euro taxiert. Der zehnte Raum ist das kleine Porzellanzimmer. Von hier ist ein Blick über das Gitter in die Bibliothek mit rund 20.000 Bänden (insbes. Alchemie) möglich. 1833 fand hier ein Drei-Kaiser/Königs-Treffen statt (Österreich, Russland, Preußen); Zweck war die Erhaltung des Absolutismus gegen die französische Demokratie. - Fotos gibt es keine, dies ist verständlicherweise nicht erlaubt.

1.4 Brandeis/Brandýs nad Labem
Die Doppelstadt an der Elbe nördlich von Prag hatte zuerst eine Brückenfestung auf einem Felsvorsprung. Einer der Eigentümer war am böhmischen Ständeaufstand 1547 beteiligt, so dass die Herrschaft Brandeis an den König und späteren Kaiser Ferdinand I. fiel. Dieser ließ die Burg in ein Renaissance-Schloss umbauen. Kaiser Rudolf II. erhob Brandeis zur königlichen Kammerstadt und weilte oft im Schloss. Aus seiner Zeit stammen die Sgraffito-Zeichnungen an den Wänden im Innenhof. Doch warum kamen wir? Hier wurde eine für Wallenstein wichtige Urkunde ausgestellt.
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Am 19. Januar 1628 setzte Kaiser Ferdinand II. damit die Herzöge von Mecklenburg ab und belehnte Wallenstein zunächst unterpfändlich, am 16. Juni 1629 erblich mit Brandeis. 4 Viel später, im Jahr 1813, trafen sich die drei Herrscher, der österreichische Kaiser Franz I., der preußische König Friedrich Wilhelm III. und der russische Zar Alexander I. mit dem Oberbefehlshaber der Koalitionskriege, Fürst Schwarzenberg. Sie erörterten dort das gemeinsame Vorgehen gegen Napoleon. 1860 ersteigerte Leopold II. aus dem toskanischen Geschlecht der Habsburger das Schloss. Ihr Doppeladler-Wappen ziert noch eine Wand. Seit 1995 gehört das Schloss der Stadt Brandeis.
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In einem Saal sahen wir Gemälde, auch von Maria Theresia und von Franz Stephan von Lothringen, gegenüber Joseph II. Eindrucksvoll ist das Relief „Anbetung der Hl. Drei Könige", das in den zwanziger Jahren wiedergefunden wurde. Ein Raum stellt Uniformen aus, rote für die Garde, weiße für Generäle, dazu Helme mit Pfaufedern. Die lange Waffenkammer zeigt Blank- und Schusswaffen, als Kriegs-, Sport- und Jagdwaffen gefertigt, Vorder- und Hinterlader. Einer der späteren Räume zeigt Fotos vom letzten Kaiser Karl (regierte von 1916 - 18) als Kronprinz und seiner Frau Zita, als er hier ein Dragoner-Regiment befehligte. Hier wohnte der später unglückliche Monarch seit seiner Hochzeit 1911. Im Jahr darauf wurde sein Regiment an die Ostgrenze nach Galizien verlegt. Kaiser geworden, wollte er den Weltkrieg beenden. Nachdem der österreichische Reichsteil nicht mehr zusammen hielt, wollte er den ungarischen Teil erhalten und dort König bleiben. Karl kaufte als Privatmann 1917 das Schloss, wurde aber 1919 vom neuen Staat Tschechoslowakei enteignet. Er ging auf die portugiesische Atlantikinsel Madeira ins Exil, wo er 1922 starb. Sein Grab wird dort oft besucht (ich war auch dort) und mit Blumen geschmückt. Karls Frau Zita hat ihren Mann um 65 Jahre überlebt und starb 1989 mit 97 Jahren.

Die Reihenfolge in der Schlossführung erfordert einen Rücksprung in der Geschichte. Wir kamen in die toskanischen Zimmer. Die Toskana wurde bekanntlich gegen Lothringen getauscht, und Leopold der II. zog nach Brandeis. Er war hier beliebt, sprach auch Tschechisch. Seine hier erhaltene toskanische Bibliothek hatte einst 3.000 Bände - in Italienisch, Französisch und Latein. Das folgende Arbeitszimmer nutzte Ludwig Salvator, der viel reiste und mit seinen Erlebnissen 60 Bücher geschrieben, Karten und Tiere selbst gezeichnet hat. Er konnte zwölf Sprachen, auch Lateinisch, Griechisch und Arabisch. Er hatte keine Frau und keine Kinder und vererbte sein Hab und Gut seinem Kammerherrn. Dieser verkaufte das Schloss an Kronprinz Karl. Der Korridor auf dem Weg zurück hängt voller Jagd-Trophäen. Tragisch: Der Kaiser erschoss den Fürsten Schwarzenberg, weil er ihn angeblich mit einem Hirsch verwechselte - aber vielleicht deshalb, weil dieser seine Frau begehrte.

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