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2.4 Chorin
Die Tochter von Lehnin (siehe Kapitel 2.5) gilt allgemein als schönste Zisterze Brandenburgs, was sicher auch an ihrer einsamen Lage zwischen einem Waldsee und Wiesen liegt. Der Askanier Markgraf Johannes I. und sein Bruder Otto III. stifteten 1258 ein Gelände am Parsteiner See; das erste Kloster entstand ab 1260 auf einer Insel, so dass die Anlage Mariensee genannt wurde. Ihr Haus- und Begräbniskloster kam an die Stelle einer slawischen Ringburg.

Der unvollendete Bau wurde zehn Jahre später aufgegeben und etwa 8 km weiter in Chorin neu begonnen. Papst Gregor X. bestätigte 1273 und 74 den Zisterziensern ihre Besitztümer. 34

Die gotische Formensprache und die filigrane Ornamentierung wurden hier erstmals in Brandenburg auf den Backstein transferiert. Chorin wirkt als Schlüsselwerk der norddeutschen Backsteingotik - viele Kirchen wurden nach diesem Vorbild errichtet.
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Der Bau begann mit dem polygonalen Chor, ihm schlossen sich der Ostflügel, der heute fehlende Südflügel und zuletzt der Westflügel an. Das Pfortenhaus und der hohe Westgiebel als Schauseite entstanden danach.

Die wohl schon zu Beginn des Jahrhunderts fertige Kirche wurde 1334 geweiht. Klosterbibliothek und -chronik sind nicht erhalten.
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Im Abtshaus war eine Infirmaria, ein Hospital oder Erholungshaus für Kranke, untergebracht. Zum Besitz gehörten 13 Dörfer und fünf Ackerhöfe, dazu die Erträge von 23 Seen. Die Mönche betrieben elf Wassermühlen, bauten Hopfen und Wein an. Die Landesherren verweilten hier gern nach ihrer Jagd. In der Blütezeit lebten in Chorin etwa 80 Priestermönche und rund 200 Laienbrüder. 35

Nach der Reformation 1542 wurde Chorin kurfürstliches Amt. Der Ostflügel diente im 18. Jh. als Invalidenhaus.

David Gilly schrieb 1797 in seinem Reisebericht „Über die Land- und Wasserbaukunst ..." auch über Chorin. Karl Friedrich Schinkel 36 fand in der Kirche Schweinestall, Scheune und Holzlager; er bestand darauf, die Viehhaltung aus Kirche und Klausurgebäuden zu verlagern, neue Ställe wurden gebaut, auch das heute als Eingang dienende Gebäude.

Erhalten sind die Klosterkirche mit ihrem reich geschmückten Westgiebel (Foto oben), also einer Backsteinfront von vollendetem Stil, aber ohne südliches Seitenschiff, der östliche und westliche Kreuzgang mit Kapitellen voller Tiere, Menschen, Fabelwesen oder Pflanzen; südlich schließt sich der Brüdersaal an; Konversensaal und Küche liegen traditionell im Westen. 37 Vom Südflügel sind Fundamente auch vom Brunnenhaus und daneben ein etwa hundert Jahre alter stattlicher Bergahorn zu finden. Erst 2007 wurden Ostflügel und Abtshaus für Besucher zugänglich. - Die schöne Mittagsstimmung mit dem Sonnenschein in das offene Langhaus nutzten wir für unsere Tagesandacht.
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2.5 Lehnin
Der Gründung geht eine Legende voran: Markgraf Otto I. von Brandenburg ruhte sich mittags von der Jagd unter einer Eiche aus. Während des Schlafes erschien ihm im Traum eine weiße Hirschkuh, die ihn ständig bedrängte und nicht schlafen ließ. Daraufhin ergriff er seinen Pfeil und Bogen und schoss das Tier nieder. Seinen Begleitern erzählte der Markgraf seinen Traum. Nur einer riet, ein Kloster, die anderen, eine Burg hier zu bauen. Seinem Kloster, dem ältesten in der Mark Brandenburg, gab Otto den Namen Lehnin, denn im Slawischen heißt die Hirschkuh Lanye.
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In den Stufen zum Altarraum ist ein verkieselter Eichenstumpf, 45 cm im Durchmesser und 60 cm in der Länge, eingemauert, der tatsächlich aus der Erbauungszeit stammt (links).
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Dies könnte der legendäre Eichenstumpf sein, aber ebenso der Rest eines Naturheiligtums der Heiden, der so als dem neuen Christentum unterlegen dargestellt wird.

Ein Motiv für Markgraf Otto, gerade hier ein Kloster anzulegen, könnte auch in der Grenzlage zum expandierenden Erzbistum Magdeburg liegen, dessen Erzbischof Wichmann kurz zuvor das nahe Zisterzienser-Kloster Zinna gegründet hatte (welches wir anders als vor neun Jahren nicht besuchten).
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Die Stiftung aus dem Jahr 1180 besiedelten drei Jahre später Mönche aus Sittichenbach bei Eisleben. Der Papst und das Generalkapitel in Cîteaux bestätigten die Gründung 1192, der Kaiser drei Jahre darauf. Doch den ersten Abt Sibold erschlugen die Heiden. Daran erinnern zwei Bildtafeln vom Ende des 15. bzw. Anfang des 16. Jh. Die überlebenden fünf Mönche wollten das Kloster verlassen, doch einer von ihnen riet nach einer Marienerscheinung den anderen: „Kehrt um! Es wird euch an nichts mangeln!"

Die Klosteranlage wurde bis etwa 1260 geschaffen. An den in romanischen Bauformen errichteten Ostteil mit Chor, Vierung und einem Langhausjoch schließen sich im Westen weitere Joche in Frühgotik an. 38 Klosterhof, Wirtschaftshof, Klostermauer, Wehrturm, Klosterpforte, Pförtnerhaus und Torkapelle bildeten nun eine Einheit.
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Lehnin gelang es, drei Töchter zu gründen: 1236 in Paradies bei Meseritz (Neumark, heute polnisch), 1260 Mariensee-Chorin (siehe Kapitel 2.4) und 1307 Himmelpforten. Dazu bedurfte es, wegen der verbleibenden 25 Konventualen, wenigstens 60 Chormönche und mit den Konversen über 100 Konventualen. 39 Zum Besitz gehörten 38 Dörfer, vier Klosterhöfe, eine Mühle, Seen, Wälder und ertragsstarke Fischrechte auf der Havel.

Lehnin gilt als Mittelpunkt klösterlichen Lebens der Mark Brandenburg. Die Bibliothek war über tausend Bände stark, Mönche studierten in angesehenen Universitäten. Mit dem Tod von Markgraf Waldemar 1319 starben die brandenburgischen Askanier aus, denen Lehnin schon immer als Grablege diente. Die Abtei verlor ihre wichtigste Quelle des Gütererwerbs. Fehden zwischen dem Adel zogen das Kloster in Mitleidenschaft bis Anfang des 15. Jh. Die Hohenzollern übernahmen später die Grablege. Mit dem Tod des letzten katholischen Kurfürsten Joachim I. 1535 endete die Glanzzeit. Die neueren Särge kamen in den Berliner Dom, der Untergang des Klosters begann.

Der letzte Abt wollte die neue Kirchenordnung von Joachim II. 1541 nicht und mauerte Bücher und Messgeräte ein. Die letzten 15 Mönche verließen zwei Jahre später ihr Kloster. Lehnin wurde wie Chorin Jagdlager und weltliches Amt. Ländereien und Wirtschaftsgebäude wurden kurfürstliches, später königliches Domänengut. Im Dreißigjährigen Krieg unterlagen Kloster und umliegende Dörfer Plünderungen und Brandschatzungen. Klausur und Kreuzgang wurden abgebrochen. Der Große Kurfürst ließ nach 1640 das verfallene Konversengebäude zum Jagdschloss ausbauen. Ein knappes Jahrhundert später verfiel das Jagdschloss allmählich. Das Gotteshaus teilten sich die Lutheraner mit inzwischen zugezogenen reformierten Schweizern, weshalb Mitte des 18. Jh. eine Scheidewand eingezogen wurde. Umgebende Gebäude wurden 1811 privatisiert, aber hundert Jahre später zurück erworben.

Theodor Fontane beschrieb 1863 Kloster Lehnin ausführlich in seien „Wanderungen durch die Mark Brandenburg" im Band „Havelland". Darin erzählt er auch von einem weißen Fräulein, das sich in einen Mönch verliebt habe. Sie setzte sich auf die Stufen und weinte, wenn sie ihren Mönch nicht fand, sonst war sie glücklich. Die im (vormals lutherischen) Westteil ruinöse Klosterkirche wurde 1871 - 77 wieder aufgebaut und stellt ein frühes Meisterstück moderner Denkmalpflege dar. Sie dient seither als Gemeindekirche.
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Von der originalen mittelalterlichen Ausstattung ist wenig erhalten. Da sind zunächst zwei Grabplatten: die ältere für Markgraf Otto VI. (Foto, nicht IV.!) von 1303 mit ausgezeichnetem Faltenwurf an der Nordwand des Chores, die andere als Ritzzeichnung vermutlich für Abt Peter um 1508. Ihre Altäre haben der Dom in Brandenburg und Kloster Lehnin auf Umwegen letztlich getauscht. Hier wird die Marienkrönung oben und der Marientod unten gezeigt, flankiert von der Hl. Katharina (links oben), der Hl. Barbara (rechts oben), der Hl. Margareta (links unten) und der Hl. Dorothea (rechts unten). In den Flügeln stehen wie üblich die zwölf Apostel. Das Triumphkreuz mit dem romanischen Christus des Drei-Nagel-Typs stammt aus einer Dorfkirche. Die hölzerne Taufe ist ein Werk märkischer Volkskunst des 17. Jh.

Seit 1911 besteht hier das Luise-Henriette-Stift als Diakonissen-Mutterhaus, später ergänzt um Krankenpflegeschule mit Krankenhaus und Hospiz. 40 Heute leben hier neun Diakonissen, dazu 30 Frauen und zwei Männer als Pfleger. In Alt- und Neubauten sind etwa 350 Mitarbeiter beschäftigt, damit ist das Ensemble der größte Arbeitgeber der Region.

Mit viel Glück gelang es uns, gegen 17 Uhr noch Einlass zu bekommen. Schwester Jutta zeigte uns die Klosterkirche, erklärte uns die Gründungslegende - und sang uns gregoreanische Gesänge vor. Die Akustik hier ist erstaunlich. Und sie zitierte den Hl. Bernhard (siehe Kapitel 1.3) mit seinem Leitmotiv: „Das rechte Maß Gott zu lieben, ist zu lieben ohne Maß."

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