Das unbekannte Saarland

Exkursion mit Dr. Werner Budesheim,
Freie Lauenburgische Akademie für Wissenschaft und Kultur e.V., Wentorf
vom 8. bis 14. Juli 2011
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1 Das Land
1.1 Naturraum
Den Namen gab der Fluss Saar, auf Französisch Sarre. Er entspringt in zwei Quellarmen, der Weißen und der Roten Saar, in den Vogesen. Von den 246 km Flusslänge ist die zu Deutschland gehörende Hälfte schiffbar, und zwar ab Saarbrücken. Tief eingeschnitten ist die Saarschleife bei Mettlach, deren Scheitelpunkt von der 180 m hohen bewaldeten Anhöhe bei Cloef (bedeutet Kliff) von uns betrachtet wurde. Bei Konz mündet die Saar in die Mosel. Innerhalb des Saarlandes fließen der Saar die Nied, Blies und Prims zu.

Zum Saarland gehört vor allem das Saar-Nahe-Bergland, eine wellige Landschaft südlich vom Hunsrück. Sie besteht aus Karbon mit ausgedehnten Steinkohle-Lagerstätten. Im Gebiet von Homburg ragt das Pfälzer Gebrüch herein. Im Süden erstreckt sich die fruchtbare Hochfläche das Bliesgaus aus Muschelkalk, im Westen der Saargau. 1  Ferner hat das Saarland Anteil am lothringischen Schichtstufenland.

1.2 Kulturraum
Die Saarländer sprechen im Süden vorwiegend Rheinfränkisch-Pfälzer Dialekt, im Norden dagegen Moselfränkisch. Weinbau wird an der Saar erst am Unterlauf, bereits auf dem Gebiet von Rheinland-Pfalz, betrieben; die Erzeugnisse zählen daher zu den Moselweinen. - Wir probierten in Perl sechs Weinsorten - und einige von uns nahmen auch Flaschen mit, bestellten welche oder wollten dies von zu Hause aus nachholen. 2

Das Saarland lebte über Jahrhunderte stark vom Bergbau. Nur die Steinkohle ist ein bedeutender Bodenschatz. Die maximale Förderung wurde 1955 erreicht. Zusammen mit der aus Lothringen eingeführten Minette-Eisenerz entstand eine Eisen- und Stahl-Industrie. Kohle soll im Saarland noch für rund 150 Jahre liegen. Derzeit sind noch rund 4.000 Bergleute im Saarland beschäftigt, die übrigen sind entweder in Rente oder in das Ruhrgebiet bzw. nach Ibbenbüren abgewandert. Die Saarkohle hat einen hohen Schwefelgehalt. Sie zu fördern kostet rund 240 Euro pro Tonne, die Importkohle nur ein Drittel davon. Der Status des Saargebietes als Ausbeutegebiet wird mit der geplanten Schließung der letzten Grube in zwei Jahren beendet sein. Die Struktur der Industrie ist in den letzten Jahren deutlich vielfältiger geworden. Im Süden ist das Verkehrsnetz aus Bahn- und Straßenverbindungen besonders eng, sie laufen in Saarbrücken zusammen. Die Autobahndichte ist die höchste in Deutschland.

Heute leben im 2.569 km² großen Saarland etwa 1.018.000 Einwohner (31.12.2010).

Außer dem Regionalverband Saarbrücken gliedert sich das Saarland in die Landkreise Merzig-Wadern, Neunkirchen, Saarlouis, Saarpfalzkreis und St. Wendel. Das Gebiet bildet mit Luxemburg, Rheinland-Pfalz, dem belgischen Wallonien sowie dem französischen Lothringen die Großregion Saar-Lor-Lux. 3
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1.3 Geschichte
Erste Siedlungsspuren stammen schon aus der Altsteinzeit vor etwa 100.000 Jahren. In diesem Raum lebten vor unserer Zeitrechnung keltische Stämme der Mediomatriker und Treverer. Die Römer eroberten (fast) ganz Gallien und damit auch die Gebiete an der Saar. Zahlreiche Landstädte und Villen wurden gebaut, vor allem nahe der Flussläufe. Nach der Völkerwanderung brach die Herrschaft der Römer zusammen, die Franken assimilierten die gallo-römischen Volksteile. Reste blieben bis ins Mittelalter erhalten. Bereits die Römer begannen, die ansässigen Völker zu christianisieren. Die eingewanderten Germanen wurden in einer zweiten Welle von Mönchen aus Britannien und Irland bekehrt. Das Land gehörte zum Bistum Metz und zum Erzbistum Trier. Es teilte nun das Schicksal des Fränkischen Reiches, Lotharingiens und ab 925 des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. 4

Im wesentlichen Teilen regierten hier benachbarte Herrscher. Den größten Teil des Gebietes an der Saar bildeten ab 1381 die Grafschaft Nassau-Saarbrücken und die Herrschaft Ottweiler. Nach dem Aussterben beider Linien fiel das Land an Nassau-Usingen. Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken wurde 1741 neuer Besitzer; ihm sind der staatliche Bergbau und die Industrie an der Saar zu verdanken. Der Kaiser hatte (außer für Lothringen) die Bergbauberechtigung dem jeweiligen Landesherren zu vergeben, und zwar mit jedem Regierungswechsel erneut.

Bereits im 16. Jh. geriet das Gebiet unter französische Kontrolle. Der französische König Ludwig XIV. hielt die Grafschaft Saarbrücken von 1679 bis 97 besetzt. Danach erhielt der Graf im Frieden von Ryswick seine alten Rechte zurück. Der inzwischen katholischen Mehrheit wurde die freie Ausübung ihrer Religion gestattet.
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Napoleon brauchte Geld für seine Feldzüge und hat 1793 das Schwarze Gold, also die Kohlengruben an der Saar, einkassiert. Durch die Friedensschlüsse von Campo Formio 1797 und von Lunéville 1801 kam die Grafschaft an Frankreich. Das Kaiserreich förderte Technik und Forschung systematisch. Der Wiener Kongress ordnete die größten Teile des Saargebiets den Königreichen Preußen und Bayern zu; kleinere Teile wie das Fürstentum Lichtenberg mit St. Wendel kam an Sachsen-Coburg-Gotha bzw. das Fürstentum Birkenfeld zu Oldenburg. Der Bau der Eisenbahnen durch das bayerische bzw. preußische Königreich ab 1849 brachte den Bergbau enorm in Schwung. Das Saarrevier wurde drittgrößtes Schwerindustrie-Gebiet des Deutschen Reiches. (links: Kohlebrocken im Museum Bexbach)

Pfalz-Zweibrücken führte im 16. Jh. die Reformation nach Martin Luther, später nach Jean Calvin ein. Nassau-Saarbrücken wurde und blieb lutherisch. Die evangelischen Christen gehörten seit 1815 zur Ev. Kirche in Preußen, die ab 1922 Ev. Kirche der altpreußischen Union hieß. 1947 entstanden selbständige Landeskirchen, hier also der Ev. Kirche im Rheinland. Die zu Lothringen und die zum Fürstbistum Trier gehörenden Teile blieben katholisch. Der Anteil der Katholiken ist prozentual der höchste aller Bundesländer.

Nach der Niederlage 1918 war Großbritannien mit einer Annexion durch Frankreich einverstanden, nicht aber die USA. Jetzt wurde das Saargebiet gebildet, und zwar aus den südlichen Teilen der preußischen Rheinprovinz und dem westlichen Teil der bayerischen Pfalz. Die Grenze wurde an den Wohnorten der Bergleute ausgerichtet. Das Saargebiet kam 1920 unter die Verwaltung des Völkerbundes, blieb aber ins französische Zollgebiet eingegliedert.

15 Jahre später sollte nach dem Versailler Vertrag das Volk selbst über seine Zugehörigkeit entscheiden. Drei Varianten wurden angeboten: 1. Vereinigung mit Frankreich (unter Verlust deutscher Sprache und Kultur wie in Elsass-Lothringen), 2. Beibehaltung des Status quo (ohne konkrete Planungen) und 3. Vereinigung mit Deutschland (um den Preis von Adolf Hitler beherrscht zu werden). 5

Unter dem Motto „Deutsche Mutter - heim zu dir" lief die Propaganda vor der Abstimmung 1935. Dabei entschieden sich 90,7 % für das Deutsche Reich. Weil nur 0,4 % für Frankreich optierten, wurde das Saargebiet im Zweiten Weltkrieg so stark bombardiert. Mit 80 % ist der Zerstörungsgrad Saarbrückens ähnlich wie in Dresden oder Plauen. Während des Weltkrieges arbeiteten etwa 70.000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene im Saarrevier.

Dr. Budesheim wies darauf hin,  dass alle drei jüngeren Kriege zwischen Deutschen und Franzosen - 1870, 1914 f. und 1939 f. - auf französischem Boden geführt wurden. Außerdem machte sich die französische Besatzung auch dadurch unbeliebt, dass sie Truppen aus ihren Kolonien (Nordafrika) einsetzte.

Die Franzosen trachteten danach, im Falle ihres Sieges das gesamte linksrheinische Gebiet von Deutschland abzuspalten. Die alliierten Außenminister lehnten dies ab mit Hinweis auf die Atlantik-Charta, nach der es keine Gebietsveränderungen geben dürfe, die nicht mit den frei geäußerten Wünschen der betroffenen Völker überein stimmen. Nach dem Einmarsch der Amerikaner 1945 wurde das Saargebiet der neuen französischen Besatzungszone zugeordnet. Im Jahr darauf gliederten die Franzosen weitere Teile der ehem. Rheinprovinz dem jetzt Saarland genannten Territorium an, insbes. Merzig-Wadern und den nördlichen Saargau. Das Saarland ist etwa 1/3 größer als das Saargebiet.
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Die Regierung des separatistischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann (Christliche Volkspartei, CVP) und die oppositionellen Sozialdemokraten (Sozialistische Partei des Saarlandes, SPS) bildeten schrittweise eine Autonomie heraus. Das französisch besetzte Saarland bekam 1947 eine Verfassung; der Besatzungsstatus wurde 1950 aufgehoben, und ab 1953 war es faktisch ein unabhängiger Staat. In und um Saarbrücken wurden ganze Stadtteile für die künftigen europäischen Institutionen geplant, die sich heute in Brüssel, Luxemburg und Straßburg befinden.

Bundeskanzler Konrad Adenauer, der ein zwielichtiges Spiel spielte, wollte aus Rücksicht auf den französischen Präsidenten Charles de Gaulle das Saarland nicht zurück. Er mied jeden Kontakt mit der Regierung Hoffmann. Adenauer und Frankreichs Ministerpräsident Mendèz-France beschlossen 1954 im Rahmen der Pariser Verträge ein Saarstatut. Der internationale Status sollte unter dem Dach der Westeuropäischen Union (WEU) erhalten bleiben.

Im Oktober 1955 lehnte eine Zweidrittelmehrheit (67,7 %) das Saarstatut ab. Daher musste neu verhandelt werden und 1956 das deutsch-französische Saarabkommen in Luxemburg geschlossen werden. Zu Beginn 1957 wurde das Saarland zehntes bzw. elftes Bundesland (ohne/mit Berlin). Im April 1958 wurde Franz-Josef Röder Ministerpräsident und blieb es zwanzig Jahre. Seit dem 5. Juli 1959, dem Tag „X", gehört das Saarland auch wirtschaftlich zur Bundesrepublik Deutschland.

Die CDU regierte das Land von 1955 bis 1980. Nun stieg die SPD zur stärksten Partei auf, sie koalierte mit der CDU; 1985 wurde Oskar Lafontaine Ministerpräsident. Im Saarland mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet, wagte er 1990 entgegen der von der CDU/CSU angefachten Wiedervereinigungs-Euphorie die Kanzlerkandidatur - und musste scheitern. Sein Fazit: „Die Leute machen offenbar einen Unterschied zwischen ‚der hat Recht und ‚den wählen wir."

Nach dem Wechsel des populären Ministerpräsidenten in das Bundesfinanzministerium und dem bald folgenden Zerwürfnis mit Bundeskanzler Gerhard Schröder blies der SPD an der Saar wieder der Wind ins Gesicht; nach einem kurzen Zwischenspiel kam die CDU mit Ministerpräsident Peter Müller wieder an die Macht.

1.4 Wappen
Der geviertelte Schild zeigt die vier größten Landesherren aus dem Alten Reich: oben auf Blau den nassauischen silbernen, doppelschwänzigen Löwen für Saarbrücken, daneben auf Silber das rote Kreuz für Kurtrier, unten auf Gold ein roter Schrägbalken mit drei gestutzten Adlern für Lothringen sowie auf Schwarz den goldenen pfälzer Löwen für Pfalz-Zweibrücken. 6

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