Goldenes Vlies
Der Kaukasus zwischen Zusammenbruch und Aufbruch
Armenien und Georgien
Studienreise mit Prof. Dr. Dr. Ulrich Matthée, Kiel
vom 24. August bis 8. September 2010

1 Der Naturraum
1.1 Teil Europas
Frage vorweg an Sie: Wie heißt der höchste Berg Europas und wo liegt er? In der Schule werden Sie vermutlich gelernt haben, wie es auch im Brockhaus steht: in den Alpen der Montblanc; seine Höhe wird mit 4.809 Metern angegeben. 1 Doch damit tun Sie den Kaukasiern Unrecht. Die Völker des Kaukasus, insbesondere die seit Urzeiten christlichen, sehen sich als Teil der abendländischen Kultur, wie Prof. Matthée betont.

Demnach gehört der Kaukasus, der Große wie der Kleine, zu Europa, wie die Ebene zwischen beiden. Der höchste Berg Europas ist damit der 5.642 m hoch aufragende Elbrus. Auch dreizehn seiner Nachbarn überragen den Alpengipfel wie: der Dychtau (5.203 m), der Schchara mit 5.201 (oder 5.068) m, der Dschanga mit 5.051 m, der Kasbek mit 5.047 (oder 5.037 oder 5.033) m, außerdem der Schota Rustaweli mit 4.860 m und der Gistola mit 4.859 m. 2

1.2 Gebirge
Bildname
Der Kaukasus liegt auf der Landbrücke zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer. Der Große Kaukasus ist ein Hochgebirge und erstreckt sich über etwa 1.200 km Länge und bis zu 180 km Breite. Der Kleine Kaukasus südlich vom Großen hat überwiegend den Charakter eines Mittelgebirges, er ist immerhin über 600 km lang und 120 km breit und ragt bis zu 3.724 m auf mit dem Gjamysch. Der ruhende Vulkan Ararat hat übrigens zwei Gipfel, der Große Ararat wird mit 5.165 m Höhe genannt (wollen wir ihn auch noch zu Europa zählen?), der Kleine mit 3.914 m (oder 3.896 m) 3  (Foto: Jungfrau Maria vor dem Ararat, Gemälde in einer Kirche in Etschmiadsin).

Die Fläche Kaukasiens ist etwa ebenso groß wie die Deutschlands, die Zahl seiner Einwohner aber nur ein Viertel davon.

Nord-Kaukasien (Zis-Kaukasien) umfasst die Nordabdachung des Großen Kaukasus (Bild rechts: Schlucht am 2.395 m hohen Kreuzpass, Foto darunter: beschädigte Betonstraße mit Eisenrohren geflickt) und das Vorland mit der Kuban-Niederung sowie den Süden der Kaspischen Senke.

Trans-Kaukasien erstreckt sich südlich des Hauptkammes mit dessen Südabdachung, die Niederung der Kolchis, die Kura-Arax-Niederung, das Tiefland von Lenkoran, den Kleinen Kaukasus und das nördliche Ararat-Hochland.

Der Kasbek (Prof. Matthée nannte ihn stets Kazbegi, rechts) ist besonders eindrucksvoll. Der nördliche Kasbek soll nach der griechischen Mythologie der Berg sein, an den Prometheus gekettet wurde, weil er den Göttern das Licht stahl.
Bildname
Bildname

Der südliche Ararat soll nach der Bibel (der Nova Vulgata) der Berg sein, auf dem nach der Sintflut die Arche Noah gelandet ist. (Foto unten: Kreuzpass)
Bildname
Bildname

1.3 Seen
Mitten im Kleinen Kaukasus liegt 1.900 m hoch der Sewan-See. Seine Oberfläche wird zur Zeit mit etwa 940 km² angegeben, 4  was dem Doppelten des Bodensees entspricht. Der Brockhaus nennt noch 1.236 km², unsere armenische Führerin bereits 1.400 km². Dies ist nur die Hälfte seiner historischen Fläche von etwa 2.500 km² bei bis zu 80 m Tiefe. Auch mit der kleinsten Flächenangabe ist der Sewan einer der größten Gebirgsseen der Welt; das ganz auf dem Gebiet Armeniens liegende Gewässer bildet das größte Süßwasser-Reservoir Kaukasiens. Zehn große, vor allem die Kura, und zwanzig kleinere Flüsse speisen den Sewan. Doch es wurde in den letzten Jahrzehnten zur Bewässerung und Stromerzeugung viel mehr Wasser entnommen als zufloss, so dass der Seespiegel allein nach dem Zweiten Weltkrieg um 19 m sank. Entlastung als Energielieferant bekam der See vom 1976 eröffneten Atomkraftwerk. Außerdem wurde ein Fluss durch einen Tunnel zum Sewan umgeleitet. Der Seespiegel liegt momentan bereits 2,66 m über seinem Minimum; pro Jahr soll er um 20 cm steigen, bis 6 m erreicht sind, wie unsere Führerin berichtete. Und sie erzählte auch eine Legende: Einst sollen auf dem Seeboden viele Dörfer gelegen haben. Das Wasser holte man aus einer der zahlreichen Quellen - die gleich danach wieder verriegelt wurde. Doch eine Schwiegertochter vergaß dies - das Wasser füllte das ganze Tal und sie wurde zu Stein.

Dieser See ist geschichtsträchtig: Gräber aus der Bronzezeit, das Reich der Urartäer und armenische Königs- und Fürsten-Klöster. Die Osmanen nannten den Sewan übrigens „Gökcay": „himmelblaues Wasser". Die Urartäer nannten ihn „Land des Sees/des Wassers", „Suina".

Da wir hier Armenien behandeln und das heutige Staatsgebiet nur den nördlichsten Teil des historischen umfasst, werden hier noch zwei weitere, aber abflusslose Salz- bzw. Soda-Seen auf der Ararat-Hochebene vorgestellt: Der westliche Van-See auf türkischem Gebiet, über 3.700 km² groß, mit einer Tiefe von 450 m, liegt 1.650 - 1.720 m über dem Meeresspiegel, bei schwankendem Wasserstand.

Bei Manzikert am Van-See fand 1071 eine entscheidende Schlacht statt, als „die Osmanen die Seldschuken auf die Müllhalde der Geschichte schickten", wie Prof. Matthée sich ausdrückte. ,Noch größer ist der östliche heute auf iranischem Territorium liegende Urmia-See mit 4.700 - 6.000 km² Fläche, nur 16 m flach, rund 1.300 m über dem Meeresspiegel. Sein Salzgehalt von 15 - 23 % übertrifft noch den seines Nachbarn, so dass hier keine Fische leben. Beide Seen sind jeweils das größte Binnengewässer ihres Landes. (Foto: Sewansee vom Kloster aus)
Bildname

1.4 Flüsse
Die Fläche zwischen dem Großen und Kleinen Kaukasus wird von zwei großen Flüssen entwässert, die in entgegengesetzte Richtungen fließen: Die 1.364 km (oder gar 1.500 km) lange (länger als der Rhein) Kura entspringt in der Türkei nahe am Berg Ararat und fließt nach Osten im großen Bogen durch Georgien - auch durch Uplistsiche (Bild oben), Gori, Tiflis, (Foto unten), wo sie Mtkvari heißt - und Aserbaidschan südlich von Baku in das Kaspische Meer. Der Name stammt weniger vom antiken „Cyrus" als vom türkischen „Kür", was „der Langsame" bedeutet.

Der 333 km kurze (kürzer als die Ems) Rioni strömt nach Westen (auch durch Kutaissi) durch die fruchtbare Kolchis-Ebene bei Poti in das Schwarze Meer (rechts, mit Brücken). Bei den Griechen hießen der Fluss und die Hafenstadt „Phasis".

Ein dritter von uns näher erkundeter Fluss ist der Terek im Großen Kaukasus. Er entspringt einem Gletscher am Kasbek, zwängt sich durch die enge Darial-Schlucht (links, ein Teil des Betongitters hat der Fluss schon weg gerissen) und mündet nach 623 km mit einem Delta wie die Kura ins Kaspische Meer.
Bildname
Bildname
BildnameBildname

1.5 Völker
Die Vielfalt an der Schnittstelle der Erdteile stellt am besten diese Landkarte dar:

zurück   Übersicht   weiter
Bildname

zurück   Übersicht   weiter