4.12 Wettin
Die Kleinstadt im Saalkreis am rechten Ufer der Saale zählt nach Eingemeindungen nur 2.400 Einwohner. Ein Ortsteil ist das Gut Mücheln. Hier steht die einzige Kapelle des Templerordens auf deutschem Boden. Die einschiffige, turmlose Hallenkirche wurde 1280 von Dietrich II., Graf von Brehna und Wettin, der Jungfrau Maria geweiht. 40 Die Kapelle der Komturei soll auch der Wallfahrt gedient haben. - Wir besuchten dieses trutzige Bauwerk aus Romanik, Gotik und Renaissance am frühen Sonntagmorgen unserer Rückreise, wobei wir leider die einzigartige Bemalung und Steinmetzarbeiten im Innern nicht sehen konnten.
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Die Stadt Wettin selbst, erstmals erwähnt als "Civitas Vitin" 961, soll aus einem karolingischen Kastell unter Kaiser Heinrich I. entstanden sein. 41  Sie wird von ihrer 500 m lang gezogenen und 100 m breiten ummauerten Burganlage um 50 m überragt. Darin ist jetzt das Burggymnasium unterbracht, die Tore werden am Sonntag verschlossen gehalten. Von 1934 - 39 war (die martialischen Eingangsbereiche verraten es dem Kundigen) hier eine Gauparteischule der NSDAP untergebracht. Unterhalb quert eine nur von der Strömung angetriebene Gierfähre die Saale. Laut Dr. Budesheim verkehrt diese immer, selbst wenn nur ein Radtourist oder Schulkind übergesetzt werden möchte.

Nach ihrer Burg benannte sich seit Beginn des 12. Jh. ein altes deutsches Herrschergeschlecht, die Wettiner. Sie erhielten 1089 (bzw. 1123/25) die Mark Meißen und u.a. 1247 - 64 die Landgrafschaft Thüringen. Nach dem Aussterben der Askanier 1423 bekamen die Wettiner unter Friedrich I., dem Streitbaren, das Herzogtum Sachsen-Wittenberg mit der Kurwürde. In der "Leipziger Teilung" von 1485 erhielt die ernestinische Line (nach Ernst von Wettin) die Kurwürde mit Kursachsen, dem größten Teil Thüringens und dem Vogtland.
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Da die Ernestiner unter Kurfürst Friedrich III., dem Weisen, die Reformation förderten und den Schmalkaldischen Krieg verloren, mussten sie in der Wittenberger Kapitulation 1547 den Kurhut abgeben an die albertinische Linie (nach Albert von Wettin) unter Moritz von Sachsen mit dem nördlichen Thüringen und der Markgrafschaft Meißen. Diese Linie stellte nach dem Übertritt zum Katholizismus Könige von Polen-Litauen wie August II., den Starken, und durch Napoleon ab 1806 die Regenten des neuen Königreiches Sachsen. Die Ernestiner, in elf Linien verzweigt, besetzten über Sachsen-Coburg die Throne von Belgien und Bulgarien und stellten die Prinzgemahle der Königinnen von Großbritannien und Portugal. 42

4.13 Bernburg
Bernburg ist jetzt mit knapp 31.000 Einwohnern Sitz des Salzlandkreises, in der Mitte zwischen Halle und Magdeburg gelegen. Wir dürfen eine karolingische Befestigungsanlage vermuten. Bereits 1138 tauchte der Name "Berneburch" oder "Berneborch" für eine Burg der Askanier auf. Die beiden Siedlungskerne, Talstädte genannt,  Altstadt von 1205 und Neustadt von 1250, erhielten 1279 Stadtrechte und wuchsen mit der Berg- bzw. Oberstadt (mit Stadtrechten ab 1450) zusammen. Residenzstadt war Bernburg schon ab 1252, bis der Regierungssitz nach Ballenstadt zog. 43 Für Archäologen: Ein jungsteinzeitlicher Teil der Trichterbecherkultur wird "Bernburger Gruppe" genannt.
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Hoch über dem linken Saaleufer auf einem Sandsteinfelsen liegt das Plateau, auf dem sich die Schlossbauten meist aus der Renaissance ab 1538 gruppieren. Sie bildeten einst eines der prächtigsten Renaissance-Schlösser in Deutschland. Im Hof dominiert der runde Uhlenspegelturm, der größte erhaltene Bergfried aus dem 12. Jh. mit an der Basis 3,60 m dicken Mauern.

Hier soll Till Eulenspiegel seine Späße getrieben haben, indem er als Turmwächter bei Angriffen von ferne nicht auf der Trompete geblasen, bei ruhigem Umfeld aber falschen Alarm gegeben habe.

Die Gebäude sind zum Teil verhängt, auch ganze Mauern behelfsmäßig gegen ein Herausbrechen mit Eisenträgern gesichert, ein Renaissance-Erker bedarf sogar schon der Sicherheitsgurte. Die wenigen zugänglichen Räume im Schloss machen einen eher traurigen Eindruck (wie das Gesicht auf dem Schild der Frauenfigur).
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Im "Alten und Krummen Haus" ist ein Heimatmuseum untergebracht. Dieses stellt auch die Geschichte der Wassermühlen dar. Wir sahen darin an der Treppe einen ausgestopften Bären, obwohl im Zwinger seit 1996 artgerecht Bären gehalten werden sollen. (links: Saalehafen)

4.14 Calbe
Die Kleinstadt mit einem roten Kalb unter einer silbernen Brücke einer Burg im Wappen liegt mit ihren 11.000 Einwohnern ebenfalls auf dem linken Saaleufer. Bis hier ist die Saale für Europaschiffe ausgebaut.

Calbe wurde laut einer Urkunde von Kaiser Otto I. von 936 unter dem Namen "Calvo" erstmals erwähnt. Es gab sicherlich ältere Ansiedlungen schon zu Beginn des 9. Jh., wenn nicht gar schon im 8. Jh.
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Der ottonische, vielleicht sogar schon karolingische Königshof (curia regia) bzw. die Burganlage waren die Ausgangspunkte. An der Grenze zwischen sächsischen und slawischen Gebieten wurden bereits 1160 Marktrechte verliehen. In Calbe hatten die Magdeburger Erzbischöfe ihren Sommer- und Zweitsitz. 44

An der Ecke des zweistöckigen Rathauses im Stil einer Villa steht die Rolandsstatue. Als "Rolandstadt" kann sich Calbe schon seit 1381 bezeichnen. Diese Figur ist von 1976, nachdem der hölzerne Vorgänger in den Nachkriegsjahren als Brennholz herhalten musste. 45

Rechts hinter dem Rathaus befindet sich der "Hexenturm", einst ein Teil der Stadtbefestigung, wie der Wehrgang beweist. Seit dem Calbenser Hexenprozess im Jahre 1634 heißt er "Hexenturm".

Von den drei Stadtkirchen ist St. Stephani mit ihrer gotischen Doppelturmfassade besonders stattlich. Das Bauwerk ist eines der Calbenser Wahrzeichen und prägt maßgeblich die Stadtsilhouette mit ihren 57 m hohen Zwillingstürmen. Die dreischiffige spätgotische Hallenkirche entstand von 1494 - 95. Sie beherbergt gut erhaltene, zeitbezogene Taufsteine aus der Renaissance und einen spätgotischen Altarstein.

Allerdings: Die Häuser um den Kirchplatz stehen zum großen Teil leer und machen einen erschreckenden Eindruck.
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4.15 Barby
Wir nähern uns dem Ende der Saale und damit unserer Reise. Unterhalb der Mündung der Saale liegt die Kleinstadt Barby mit etwa 4.500 Einwohnern. Barby wurde 961 erstmals in einer Urkunde von Kaiser Otto I. als "Barbogi" genannt, was im Althochdeutschen etwa "Ort an der waldlosen Flusskrümmung" (wörtlich "barer Bogen") bedeutet. Das Barbyer Gebiet wurde 1497 zur Reichsgrafschaft erhoben, wovon das Schloss noch heute zeugt.

Dieses repräsentativste Profanbauwerk der Stadt mit zwei Geschossen und ausgebautem Mansardendach wurde zwischen 1687 und 1715 unter Herzog Heinrich von Sachsen-Weißenfels errichtet. Nach dem Aussterben der Herzöge 1746 wurde das Gebäude von der Herrnhuter Brüdergemeine erworben. Den Franzosen unter Napoleon diente es als Lazarett, ab 1820 als Getreidelager. 1855 richtete der preußische Staat ein Lehrerseminar ein; ab 1925 war es Aufbauschule. Nach dem 2. Weltkrieg nutzte die Sowjetarmee das Objekt. Ab 1959 diente es für zwei Jahrzehnte "als Aufnahmelager für Umsiedler oder Rückkehrer aus der BRD und Wohnheim für ausländische Gastarbeiter", wie es im DDR-Deutsch hieß. Traurige Berühmtheit erlangte das Schloss danach wieder, wurden hier doch die nach der geltenden Lehre nutzlos gewordenen Grundbücher und Grundakten im "Archivdepot für Grundstücksangelegenheiten" in teils feuchten Kellern "endgelagert". Als Grundbucharchiv des Landes Sachsen-Anhalt dient es noch heute. 46

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