3.5 Worms
Mit Trier und Köln streitet sich Worms mit seinen rund 82.000 Einwohnern, die älteste römische Siedlung in Deutschland zu sein. Klimatisch gehört der Rheingraben zu den wärmsten und trockensten Gebieten in Deutschland - seine Niederschlagsmenge entspricht etwa der von Jerusalem. Der Name Worms ist für immer mit der Nibelungen-Sage verbunden; Hagen, Siegfried und Kriemhild benennen hier Straßen. 24  Nach der Sage stritten Brünhild und Kriemhild, welche der beiden Königinnen als Ranghöhere zuerst in den Dom eintreten dürfe. Seit 2002 werden Nibelungen-Festspiele veranstaltet, deren Tribüne uns leider die Sicht versperrte. - Das Wappen zeigt den silbernen Petrusschlüssel und einen fünfzackigen goldenen Stern.
Bildname

Die Kelten nannten den Ort im 1./2. Jh. n. Chr. Borbetomagus, die Römer Civitas Vangionum nach den germanischen Wangionen, worauf sich der Wonnegau (Wangengau) für das Umland bezieht. Die einstige Garnisonssiedlung mit Tempelbezirk von Kaiser Augustus entwickelte sich zu einer bedeutenden Stadt. Im 4. Jh. war Worms Bischofssitz, bis die Garnisonstruppen 401 abzogen. Die von den Römern angesiedelten Burgunder machten Worms zum kulturellen Zentrum ihres Reiches; sie versuchten deren Oberherrschaft abzuschütteln, wurden jedoch 435 geschlagen. Im Jahr darauf brachen die Hunnen in die Rheinebene herein und vernichteten den größten Teil des Burgundervolkes. Die Franken drängten in die Rheinebene und breiteten gleichzeitig das Christentum aus. 469 von Franken besetzt, wurde das seit dem 7. Jh. Wormatia genannte Königsgut eine der wichtigsten Städte des Mittelalters.

Die Bischofsliste beginnt 614 mit Berchtulf. Unter den Karolingern bildete Worms eines der Machtzentren. Karl der Große machte es zu seinem Wintersitz. Die königlichen Rechte gingen 898 auf den Bischof über (rechts: Bronzestandbild für Bischof Burchard, um 1000 n.Chr.). Unter ihrer Herrschaft nahm die Stadt, in der sich eine auf Jiddisch Vermayze genannte bedeutende Judengemeinde bildete, ihren großen Aufschwung. Im Investiturstreit stand Worms auf der Seite von Kaiser Heinrich IV., der mit der Verleihung von Zollfreiheiten 1074 ihren Aufstieg zur Freien Reichsstadt einleitete. Unter den Staufern bildete Worms einen Mittelpunkt kaiserlicher Macht. Hier wurde 1122 das Wormser Konkordat geschlossen. Kaiser Friedrich Barbarossa verlieh der Stadt den Freiheitsbrief 1184. 1273 wurde Worms als freie Reichsstadt genannt. 1495 fand auf dem Reichstag unter Kaiser Maximilian eine Reichsreform statt, auf dem die Reichssteuer eingeführt wurde. Auf einem anderen sprach 1521 Martin Luther vor Kaiser Karl V.: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders..." (Unten: Wandmosaik in der Dreifaltigkeitskirche) Vom 8. bis 16. Jh. fanden hier über 100 Reichs- und Hoftage statt. 25
Bildname
Bildname
Der Dreißigjährige Krieg schädigte Worms schwer, die Pestepidemie von 1666 ließ die Bewohnerzahl auf nur noch 3.000 absinken. Kurfürst Ludwig von der Pfalz wollte Worms zur Residenz der Kurpfalz erheben, was die Stadt 1659 ablehnte. Ihre Stellung verlor die alte Stadt damit im 18. Jh. an das neue Mannheim. Einst hatte die Stadt 100 Türme, doch ihre Schönheit wurde im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 durch den französischen General Mélac unter Ludwig XIV. ausgelöscht. 1797 kam Worms unter französische Herrschaft, sogar sein meist mit Mainz oder Trier in Personalunion geführtes Bistum wurde zeitweilig aufgehoben. Ab 1816 gehörte es zu Hessen-Darmstadt und seit 1945 zum Bundesland Rheinland-Pfalz. 26

Durch zwei alliierte Bombenangriffe am 21. Februar und 18. März 1945 wurden nicht nur Hauptbahnhof und Chemiefabriken, sondern auch weite Teile des Stadtzentrums zerstört. 60 % der damals 58.000 Einwohner wurden obdachlos, rund 6.500 Gebäude waren zerstört oder schwer beschädigt. Heute sind rund 40 % der Wormser evangelisch, rund 30 % katholisch, der Rest gehört keiner oder einer anderen Religion an.
Bildname
Der tausendjährige Dom St. Peter thront wie eine Krone über der Stadt. Er ist zwar der jüngste und kleinste der drei Kaiserdome, gilt aber als eine der bedeutendsten romanischen Kirchen des Abendlandes. Man sagt, der Mainzer Dom sei besser ausgestattet, der Speyrer Dom größer, der Wormser dagegen am reinsten erhalten, wie unsere Führerin Frau Kissel erzählt. Besonders der Westchor kündigt in Gliederung und Gestalt bereits das Ende der Romanik und den Beginn der Gotik an.
Bildname

Die zerstörungen in den Kriegen des 17. bis 18. Jhs. haben die einstige enge und reich gestaltete Umbauung vernichtet; dadurch wirkt der Baukörper noch gewaltiger. 27

Bischof Burchard baute den ersten großen Dom ab 1005, die dreischiffige Basilika wurde 1018 zum ersten Mal geweiht - Kaiser Heinrich II. war der höchste Gast. Zwei Jahre später stürzte der westliche Baukörper ein und musste erneuert werden. Der jetzige Dom mit den Untergeschossen der Chorflankentürme des Vorgängerbaus geht auf einen Neubau zwischen 1125 und 1181 zurück.
Bildname
Bildname

Der Wormser Dom ist eine doppelchörige Pfeilerbasilika im "gebundenen System" mit einem Querschiff. Auf der Vierung wie auf dem Westchor erhebt sich je ein Zentralturm. Beide Chöre flankieren je zwei runde Treppentürme (Oben: Modell im rechten Westchor). Statt der ursprünglichen Holzdecke überspannen das Hauptschiff ein Kreuzrippengewölbe und die Seitenschiffe Kreuzgratgewölbe.
Bildname

Die zweischiffige gotische Nikolaus-Kapelle wurde Ende des 13. Jhs. angebaut. Hier wie im kleineren Vorgängerbau wurden Reliquien aufbewahrt, die angeblich Kaiserin Theophanu aus Byzanz mitgebracht haben soll. Die südlichen Annen- und Georgs-Seitenkapellen wurden ab 1320 angebaut. Am Südportal erhebt sich ein großer gotischer Figurenzyklus seit 1300 - 20 von der Straßburger Münsterbauhütte. Wir bewundern eine reitende Maria auf einem Fabeltier, die "Triumphierende Kirche auf den vier Evangelisten".

1689 stand der Dom in Flammen, Sprengungen erschütterten ihn. Der Ostchor wurde 1738 - 42 neu eingerichtet. Innen erstrahlt Balthasar Neumanns barocker Hochaltar mit Säulen in Marmor und Goldauflage. Vor dem Kreuzaltar liegen die Ahnen des salischen Kaiserhauses begraben, unter ihnen 955 Herzog Konrad der Rote, der auf dem Lechfeld fiel. An der nördlichen Chorwand sehen wir romanische Plastiken.

Mit St. Paulus, St. Martin, St. Magnus und St. Andreas besitzt Worms weitere romanische Kirchen, die meisten in Deutschland nach Köln, dazu die spätgotische Liebfrauenkirche.

Die protestantische barocke Dreifaltigkeitskirche wurde 1725 geweiht. Sie brannte 1945 total aus. Erneuert wurde sie von 1955 - 59 in moderner Betonbauweise mit schönen Fenstern. Das Mosaik der Orgelempore zeigt Martin Luther vor dem Reichstag in Worms.
Bildname
Bildname
Worms hat auf dem "Heiligen Sand" mit dem seit 1076 stehenden ältesten Grabstein den ältesten Judenfriedhof Europas, er ist sogar älter als der von Prag und hat auch das Dritte Reich überdauert. Viele auf den Stein gelegte Kiesel lassen die Gräber zweier bedeutender Rabbiner erkennen. Wenn ein jüdisches Grab einmal geschlossen wurde, darf es bis zum jüngsten Tag nicht mehr geöffnet werden, sein Stein mit Name, Charakter, Grad der Frömmigkeit und Bestattungstag muss so lange stehen bleiben.

Die seit dem 10. Jh. bestehende Gemeinde mit ihrer Synagoge von 1034 genoss ein sehr hohes Ansehen in der deutschen Judenschaft. Ihr Einkommen resultierte vor allem aus dem Fernhandel und Bankgeschäft. Ab 1096 waren die Juden auf ihr Getto beschränkt und wurden ab 1349 blutig verfolgt. Eine der ältesten Synagogen Europas, die unterirdische Mikwe (Ritualbad) und das jüdische Museum im Raschi-Haus erzählen vom einstigen blühenden Kulturleben, wovon ich mich 1989 auf einer anderen Exkursion beeindrucken ließ.

3.6 Hofheim
Hofheim ist der größte Stadtteil von Lampertheim im südhessischen Ried. Als fränkische Gründung aus dem 5./6. Jh. zeigt es sich als ruhige Wohngemeinde mit etwa 5.400 Einwohnern.
Bildname
Bildname
Bauherr der barocken Pfarrkirche war der Trierer Erzbischof Kurfürst Franz Georg von Schönborn. Baumeister war der berühmte Würzburger Balthasar Neumann von 1747 - 54, der auch den Wormser Dom innen neu ausgestattet hatte. Der einschiffige Raum hat eine 5/10-Chorapsis. Die dreiteilige Westfassade hat einen hervor springenden Mittelteil, aus dem der dreigeschossige Turm mit Oculus, Rundbogenfenstern und Zwiebelhaube hervor wächst. Gegliedert mit Lisenen und einer großen Seitenvolute zeigt er den typischen Stil Neumanns. 28 Als Pfarrer in Weiß begrüßte uns Herr Ott vor seiner Kirche.

Das Gotteshaus ist dem Erzengel Michael geweiht, wie das Altarbild mit dem getöteten Drachen zeigt. Einst diente die Kirche im damals 300 Einwohner zählenden Dorf simultan Evangelischen und Katholiken, jetzt nur noch Katholiken. Gott habe den Menschen mit freiem Willen und Gewissen ausgestattet - für oder gegen Gott zu entscheiden. Das Gute ist auch Gott. Den Rosenkranz erklärt der Pfarrer als Gebetsform meditativer Art. Maria werde nicht angebetet, nur Gott; Maria stehe als Mutter Jesu am nächsten. In jeder katholischen Kirche gebe es Mariendarstellungen. Pfarrer bleiben hier sehr lange im Amt, in jedem Jahrhundert reichen drei. Viele haben privat Kunstwerke hier gelassen wie er die Josefstatue gegenüber von Maria. Auch der Beichtstuhl und die 14 Kreuzwegstationsbilder sind Spenden.

Die Ampel mit dem Ewigen Licht sei byzantinisch und der wertvollste Gegenstand und angeblich über 2.000 Jahre alt. Sechs Kerzenhalter konnten aus einer abgebrochenen Krankenhauskapelle geborgen werden. Restauratoren wurden früher oft mit Kunstwerken bezahlt, die ihre Sammlungen auf dem Kunstmarkt veräußerten.

zurück   Übersicht   weiter
Bildname