Die Freie Hansestadt Bremen
und die Künstlerkolonie Worpswede
Mehrtagesfahrt mit dem Historischen Verein der Grafschaft Ruppin e.V.
vom 14. bis 16. September 2007

1 Geschichte im Überblick
1.1 Stadt und Land Bremen
Bremen war "gleich Rom namhaft unter den Völkern des Nordens", wie Adam von Bremen, der erste bedeutende deutsche Geschichtsschreiber, im 11. Jh. schrieb. 1

Das Wappen der Hansestadt Bremen zeigt auf rotem Grund einen schräg nach rechts aufgerichteten, mit dem Bart nach links gewandten, silbernen Schlüssel "gotischer Form" (kleines Wappen). Auf dem Schild ruht eine goldene Krone mit fünf Zinken (mittleres Wappen). Das große Wappen hat noch eine Konsole, der Schild wird von zwei aufgerichteten, rückwärts schauenden Löwen mit den Vorderpranken gehalten. 2 (Foto rechts: Wappen von 1567 im Focke-Museum)
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Bremen entstand auf einem Dünenzug sicher vor Hochwasser auf dem Ostufer der Weser (Zeichnung links: Bremen im 10. Jh., hängt in der Krypta der Liebfrauenkirche). Bereits 150 n. Chr. erwähnte der Geograf Claudius Ptolemaeus eine Siedlung mit Namen "Phabiranum". Erstmals urkundlich wurde Bremen 782 genannt. Unter Karl dem Großen wurde es mit dem Angelsachsen Willehad 787 Sitz eines Bistums, seit 845 eines Erzbistums als Vorposten zur Christianisierung der heidnischen Sachsen und Friesen.

Die Stadt wurde 888 und erneut unter Kaiser Otto I. 965 mit Markt-, Münz- und Zollrechten ausgestattet. Sie erlebte nach einer Feuersbrunst unter Erzbischof Adalbert (1043 - 72) ihre erste Blüte. Erste Handelswege nach Norwegen, England, Island und Grönland wurden eröffnet. Der Name, zuerst "Bremun", 858 "Bremon", dann "Brema" gehört zum altsächsischen bremo und bezeichnet "Rand", was sich in "verbrämen", also mit einem Rand verzieren, wiederfindet.

Kaiser Friedrich Barbarossa erkannte Bremen als eigenständige, nur ihm unterstehende, Stadt 1186 an. Selbstbewusst erkämpfte der Rat 1225 erstmals seine Unabhängigkeit gegenüber dem Erzbischof als Landesherrn. Bremen trat der Hanse bei - ihr gehörte es viermal an (1260 - 1285, 1358 - 1427, 1438 - 1563 und 1616 - 1669). Das Stadtrecht wurde 1303 erstmals aufgezeichnet. Die Verfassung "Eintracht" wurde 1433 und als "Neue Eintracht" 1534 geregelt. Bis ins 20. Jh. wurde die Stadt von einem Rats- bzw. Senats-Patriziat geleitet.

Für die Handelsschiffe der Bremer Kaufleute wurde es in Folge der Weserversandung immer schwieriger, an der seit dem 13. Jh. als Hochseekai genutzten "Schlachte" anzulegen. Im 15. Jh. wurde der größte Teil des Unterwesergebietes gekauft, um den Seeverkehr zu sichern. Von 1619 - 23 bauten im flussabwärts gelegenen Vegesack niederländische Konstrukteure den ersten künstlichen Hafen Deutschlands.

1522 wurde Bremen evangelisch-lutherisch, nach erbitterten Kämpfen aber gemäßigt-calvinistisch reformiert nach niederländischem Vorbild. Eine neue Blütezeit folgte um 1600, die sich auch architektonisch niederschlug. Zum Schutz des 1574 - 90 angelegten Weserhafens entstand von 1623 - 27 westlich des Flusses die "Neustadt". Die Reichsfreiheit von 1541 konnte 1646 nur mühsam erhalten werden. Bremen kam mit dem Westfälischen Frieden als Reichslehen an Schweden. Die Bremer widersetzten sich dieser Herrschaft 1666, wurden aber erst 1741 voll unabhängig. (Foto unten: Ansicht von der Neustadt mit ihrer Festung über die Weser auf die Altstadt von 1661 im Focke-Museum)
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Die "Goldene Periode der bremischen Handlung" begann mit der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Nordamerika 1776; sie wurde 1803 - 09 unterbrochen, als die Stadt Sitz des "Départements Wesermünde" (Bouches-du-Weser) im Französischen Kaiserreich wurde.

Die "Freie Hansestadt Bremen", so ihr Name seit 1806, wurde - durch den Bürgermeister Johann Smidt auf dem Wiener Kongress - 1815 Mitglied des Deutschen Bundes, 1866 des Norddeutschen Bundes und 1871 des Deutschen Reiches. Dem Deutschen Zollverein trat man erst 1888 bei.

Der bedeutende Bürgermeister Johann Smidt (1773 - 1857) sicherte 1827 mit dem Wasserbaudirektor Johannes Jacobus von Ronzelen den Seehafen durch den Kauf von Land vom Königreich Hannover mit der Gründung von Bremerhaven 45 Kilometer nördlich. Die "Weserkorrektion" ab 1886 schuf eine tiefe Hauptfahrrinne für große Seeschiffe, und neue Häfen unterhalb der Altstadt ließen den Seehandel aufblühen. Der Verkehr mit den USA ließ Bremen Mitte des 19. Jh. zum zweitgrößten deutschen Hafen werden. Für über 7 Millionen Auswanderer aus Deutschland und Osteuropa wurde Bremen der bedeutendste Hafen überhaupt. 1928 lief ein Achtel der deutschen Ein- und Ausfuhren über Bremen.

Die nationalsozialistische Diktatur setzte die Verfassung von 1920 außer Kraft und vereinigte Bremen mit Oldenburg unter einem Reichsstatthalter. Der Bau von Schiffen und Flugzeugen für die Rüstung wurde von ihr gefördert. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt durch 173 alliierte Luftangriffe zu 62 % seiner Bausubstanz stark zerstört. Nach dem Krieg wurde Bremen Hafen der US-Streitkräfte. Zusammen mit Bremerhaven bildete Bremen ab 1945 die "Enklave Bremen" innerhalb der britischen Besatzungszone. Aus ihr machte die Militärregierung 1947 das "Land Bremen", das kleinste der späteren Bundesrepublik Deutschland.

Das Land Bremen und die Stadt wurden immer von sozialdemokratischen Senatspräsidenten und Bürgermeistern geführt, wie Wilhelm Kaisen (1945 - 65), Hans Koschnick (1967 - 85), Konrad Wedemeier (1985 - 95), Henning Scherf (1995 - 2005) und Jens Böhrnsen.
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1.2 Der Norddeutsche Lloyd, das Blaue Band und Schiffe namens "Bremen"
Bremen an der Weser ist seit jeher der Hafen in die Neue Welt, zum amerikanischen Doppelkontinent. Noch zur Blütezeit der Segelschiffe, der stolzen Klipper, wagte ein Bremer Kaufmann, Neuland zu betreten: Hermann Heinrich Meier (links) setzte auf das neue Dampfschiff. Seine Reederei sollte sich nur dem Passagier- und Auswandererverkehr nach Amerika widmen und ausschließlich mit den neuen Dampfschiffen betrieben werden.

Meier war sich sicher: "Wir werden in wenigen Jahren einen Verkehrsstrom zwischen den Kontinenten haben, den wir nur noch mit großen Dampfschiffen bewältigen können. So einen Dampfer aus Eisen und Stahl kann man doch in beliebiger Größe bauen. Mit den Segelschiffen stehen wir aber am Ende einer Entwicklung. Die Zukunft gehört dem Dampfer!" Konsul H.H., wie ihn die Bremer nannten, gewann Senator Duckwitz für seinen Plan - unter einer Bedingung: "Das erste Schiff muss 'Bremen' heißen..." 3

Der Norddeutsche Lloyd (kurz NDL, vorsichtig nicht "Deutscher Lloyd" nach britischem Vorbild genannt) wurde am 20. Februar 1857 gegründet. Er begann mit: Bugsierdienst auf der Außenweser, Passagierverkehr auf der Unterweser, Seebäderverkehr nach Norderney - und dem Versicherungsgeschäft. Dampfschiffe konnten damals nur die Briten bauen; so wurden auf der Insel vier Bauten bestellt.

Am 12. Juni 1858 erschien das erste dieser Dampfschiffe auf der Weser. Es hatte eine imposante Länge von 100 Metern, eine Wasserverdrängung von 2.674 Bruttoregistertonnen (BRT) und bot 570 Passagieren Platz. Die Reedereiflagge wurde gehisst, blauer Anker und blauer Schlüssel auf weißem Grund, und dieser Dampfer "Bremen" genannt. Leider trafen die "Bremen" und ihre drei Schwesterschiffe verschiedene Unglücke, so dass zeitweilig nur eines im Dienst war. Doch H.H. Meier hielt durch und ließ sich zehn Jahre nach seiner Reedereigründung in den Reichstag wählen. Da hatte er schon acht Dampfer und beförderte 15.000 Passagiere im Jahr über den Atlantik.

Das "Blaue Band" ist eine Auszeichnung für das schnellste Passagierschiff, das den Nordatlantik überquert. Gerechnet wurde die Strecke von Southampton bzw. Plymouth an der britischen Südküste oder Cherbourg an der französischen Westspitze, erst ab 1935 von der britischen Kanalinsel Bishops Rock bis zum New Yorker Feuerschiff. Vor zwei Jahrhunderten brauchten Segelschiffe dafür etwa einen Monat, ein halbes Jahrhundert danach, bei Gründung des NDL, etwa neun Tage.

Ein Vierteljahrhundert später waren neue britische Schiffe schon in der Lage, die Strecke Southampton - New York zwei Tage schneller zurück zu legen.

Ende des Jahrhunderts übernahm der Lloyd vom Deutschen Reich die Postlinien nach Ostasien und Australien, mit Zweiglinien nach Japan und Neuguinea. Hierfür eigneten sich kombinierte Fracht- und Passagierschiffe. Der zweite dieser Kombi-Frachter bekam wieder den Namen "Bremen". (Bild rechts: die fünf Schiffe namens "Bremen" im Größenvergleich)
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Der Hamburger Konkurrent Hapag (Hamburg-Amerikanische Packetfahrt Actien-Gesellschaft, gegründet 1847, vor einem Jahrhundert mit 206 Einheiten die größte Schifffahrtsgesellschaft der Welt) unter dem bekannten Direktor Albert Ballin begann jetzt mit zwei Schiffsschrauben statt einer bauen zu lassen, was wieder mehr Tempo brachte. Einen Meilenstein setzte der Schnelldampfer "Kaiser Wilhelm der Große" 1897. Er machte mit seinen vier Schornsteinen, vier Decks und einer langen Promenade am Sonnendeck einen gewaltigen Eindruck, war er doch bereits 197 Meter lang und mit 14.349 BRT das größte Schiff seiner Zeit. Dieser Dampfer errang als erstes deutsches Schiff das "Blaue Band" mit 5 Tagen, 5 Stunden und 25 Minuten. (Bild links: Schnitt durch den Dampfer "Kaiser Wilhelm II.")

Der Erste Weltkrieg hatte für die deutsche Handelsflotte fatale Folgen. Der Norddeutsche Lloyd besaß bei Kriegsausbruch 135 Seeschiffe mit fast 1 Mio. BRT Gesamttonnage. Davon blieben nur Schlepper, Leichter und Barkassen; alle anderen Einheiten gingen an die Siegermächte, soweit sie nicht durch Kriegseinwirkungen verloren gegangen waren.

Die Zwanziger Jahre brachten noch einmal einen großen Aufschwung für die Handelsschifffahrt. Eine neue "Bremen" und eine neue "Europa" wurden auf Kiel gelegt und gingen 1929 auf Jungfernreise. Die vierte "Bremen" verdrängte 51.735 BRT, entwickelte 125.000 PS Maschinenleistung und war 286 Meter lang. Sie errang das "Blaue Band" - das 22 Jahre lang von Großbritannien gehalten worden war - und gilt als das berühmteste deutsche Passagierschiff (Bild unten, dies hing einst im Haus auf der Zugspitze). Vor dem Zweiten Weltkrieg besaß der NDL wieder 85 Seeschiffe mit 618.000 BRT, die fast alle verloren gingen.
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Die fünfte "Bremen" lief seit 1939 als "Pasteur" unter französischer Flagge, wurde 1957 vom NDL gekauft und umgebaut. Immerhin 32.360 BRT schwer, verband sie als eine der letzten "großen alten Damen" Modernität mit Tradition. Sie war eines der "bestausgelastetsten" Schiffe auf der Nordatlantik-Route und beförderte in zwölf Jahren 358.000 Passagiere über fast 3 Mio. Kilometer.

Legte 1925 noch täglich mindestens ein Passagierdampfer von New York aus Richtung Europa ab, war es im Januar und Februar 1972 kein einziger. Der Wettkampf gegen das schnelle Flugzeug war verloren. Hatte der NDL es 1960 wieder auf 47 Schiffe gebracht, so waren davon doch nur noch zwei Passagierschiffe und alle anderen Frachter. Im Juni 1970 kam es zur Fusion mit dem Hamburger Konkurrenten Hapag zur Hapag-Lloyd AG. Die schlimmsten Befürchtungen wurden wahr - der Lloyd ist in Bremen nur noch Geschichte, die neue Reederei hat alles nach Hamburg verlagert. Von einst 15.000 Arbeitsplätzen blieb praktisch keiner - eine Bremer Institution hatte aufgehört zu existieren.

Die Geschichte des NDL zeigt eindrucksvoll im Obergeschoss das Focke-Museum noch bis Anfang 2008. Modelle, Gemälde, Plakate, Fotos, Kleidung, Ausrüstung und viele andere Erinnerungsstücke werden auf einem Steg mit Reling durchquert. Das Leben sowohl der Passagiere wie der Besatzungen - in der Klassengesellschaft - wird anschaulich dargestellt.
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1.3 Bremens Wirtschaft heute
Während Bremens Hafen ein Tidehafen mit einem Hub zwischen Ebbe und Flut von 4 ½ bis 5 Metern ist, wurde Bremerhaven als Dockhafen angelegt. Rund ein Sechstel der Güter wird über die deutschen Seehäfen Bremens umgeschlagen. Von den über 30 Mio. Tonnen entfällt etwas mehr als die Hälfte auf Bremerhaven.

Importiert werden weiterhin Baumwolle, Kaffee, Kakao und Tabak. Auch Massengüter wie Holz, Kohle, Koks, Eisen und Stahl sowie chemische Erzeugnisse kommen über Bremen - außerdem Kraftfahrzeuge nahezu aller japanischen Hersteller. Zusammen mit der Ausfuhr deutscher und italienischer Automobile werden insgesamt rund 700.000 Autos über Bremen "gefahren" (unten links: Über dem stolzen "Borgward" schwebt der kompakte "Lloyd" im Focke-Museum). Der "Wilhelm-Kaisen-Container-Terminal" hat eine 2,2 Kilometer lange Stromkaje. Bremerhaven besitzt den größten deutschen Hochsee-Fischereihafen. Der Binnenhafen zu Weser und Mittellandkanal schlägt etwa 5,7 Mio. Tonnen um. Jeder vierte Arbeitsplatz in Bremen hängt an den Häfen.
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Bremen hat seit 1971 eine Universität mit etwa 28.000 Studenten, wobei die zwölf Fachbereiche von geistes-, ingenieur- und naturwissenschaftlichen dominiert werden. Bekannt ist z.B. der schlanke Fallturm mit 8,50 Metern Durchmesser und einer Höhe von 147 Metern. Der "freie Fall" über 100 Meter im Vakuum erlaubt Schwerelosigkeit - 4,2 Sekunden kurz. Nahe dabei liegt das "Science-Center Mensch - Erde - Kosmos". Das deutsche Zentrum für Polarforschung bildet das "Alfred-Wegener-Institut" in Bremerhaven.

Die bremische Wirtschaft musste von Mitte der 70er bis Mitte der 80er Jahre eine tief greifende Strukturkrise überwinden, die vor allem Schiffbau und Schifffahrt betraf und zur Schließung der Traditionswerft "AG Weser" (rechts Modell im Focke-Museum) führte. In der Industrie dominiert das Investitionsgütergewerbe. Der Straßen-, Luft- und Raumfahrzeugbau expandiert. Mit Abstand folgen die traditionelle Nahrungs- und Genussmittel-Industrie (Kaffee, Schokolade, Bier, Fisch). 4
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Deutsches Spitzenbier ist in Bremen zu Hause und Kaffee der allerbesten Qualität. Andere Hersteller steuern zu lukullischen Visitenkarte feinste Schokoladen-Erzeugnisse, erlesene Gewürze, vielfältige Frühstücks-Snacks und verführerische Fischspezialitäten bei. Man weiß zu genießen in Bremen, das als eines der bedeutendsten Nahrungs- und Genussmittel-Zentren die Tische Europas deckt. 5

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