Schlesien -
Schlösser im Hirschberger Tal
Exkursion mit Prof. Dr. Dr. Ulrich Matthée, Kiel
Vom 17. bis 24. Mai 2007

1 Die Landschaft
1.1 Schlesien
Die Landschaft, polnisch Slask und tschechisch Sleszko, beiderseits der mittleren und oberen Oder bekam ihren Namen vermutlich von den Silingen, einem Teilstamm der germanischen Wandalen. Sie umfasst die Ostabdachung der vielfach gegliederten Sudeten mit ihren weit schwingenden Gebirgsketten und Vorstufen mit ihrer höchsten Erhebung, der Schneekoppe (Foto rechts: Blick zur Schneekoppe über einen Teich bei Buchwald/ Bukowiec).
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Ihnen inselartig vorgelagert sind die Vorberge wie Zobten, Striegauer und Strehlener Berge. Es folgen die fruchtbaren Flussebenen der Oder und ihrer Nebenflüsse der Schlesischen Bucht mit flachen Mulden und darauf die flachwelligen Hügelketten des schlesisch-polnischen Landrückens. Im Südosten geht der Landrücken in das Hügelland der oberschlesisch-polnischen Platte über; sie schließt südlich das Kohlebecken ein. Von Nordwesten nach Südosten erstreckt sich Schlesien über rund 420 Kilometer bei einer Breite von 100 bis 150 Kilometern.

Schlesien hat kontinentales Klima mit extremen Sommer- und Wintertemperaturen und etwa 600 Millimetern Niederschlag. Die Flussebenen und Hügellandschaften sind fast frei von Wald und dienen dem intensiven Ackerbau und der Viehzucht, wozu auch die Berghänge gerodet wurden. Rund 60 % der Fläche werden landwirtschaftlich genutzt. Forstwirtschaft wird meist mit Kiefern oder Fichten auf 27 % des Bodens betrieben (Foto oben links: Aussichtspunkt in den Falkenbergen).

Die Steinkohlenlager Schlesiens waren die größten auf dem europäischen Festland. Auf der Grundlage der reichen Bodenschätze besonders in Oberschlesien entwickelten sich der Kohlebergbau und mit ihm vielseitige Industrien, die vor allem Eisen verarbeiten. 1

1.2 Schlesier
Die Schlesier waren ein ostdeutscher Neustamm, der sich im 13. Jh. bildete. Die Einwanderer stammten vorwiegend aus Thüringen, Obersachsen, Franken, dem Rhein-Main-Gebiet und Hessen. Diese Siedler kamen auf Wunsch der Piastenfürsten als Handwerker, Bauern, Kaufleute und Bergleute. Bis etwa 1350 wurden 120 Städte und mehr als 1.200 Dörfer nach Magdeburger Recht gegründet. Die zahlenmäßig schwachen Slawen wurden bald aufgesogen, wobei Oberschlesien ein Übergangsgebiet mit starkem slawischen Volksanteil blieb. 2

Die Schlesier fühlten sich irgendwie in einem Grenzland geboren, zwischen Nord- und Süddeutschland, zwischen dem Polnisch sprachigen Osten und dem aus fernen Zeiten noch ein Erbteil Frankenblut im Volksstamm bewahrenden Mitteldeutschland. Sie waren weltoffen und nachdenklich, sparsam und gastfrei, etwas philiströs und heller Begeisterung erschlossen in Einem.
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Man wollte leben und leben lassen, man schalt am Stammtisch gern ein wenig über Zeitläufe und Mitmenschen, aber am Ende revoltierte man selten. Man blieb gern bei sich zu Hause, wollte fleißig, aber nicht habgierig, betriebsam, aber nicht rücksichtslos, sein - und gab dem schlesischen Dichter Fedor Sommer Recht, wenn er sagte, dass jeder gute Weg den man zu Ende gehe, schließlich ins Himmelreich führe.  3

Gerhart Hauptmann nannte das schlechthin Schlesische: ein Gemisch aus Slawisch und Deutsch, aus Protestantisch und Katholisch, aus Ost und aus West, "getuppelt". Schlechthin schlesisch ist sein Geist: Er senkt sein Haupt in den Mutterschoß Russland, er lehnt an der Schulter des Mädchens Polen und er hat eine Freundin in Mähren, wovon der schlesische Dichter August Scholtis berichtete. 4

Die Eigenart des schlesischen Menschen mit ihrer Besinnung und Gemütstiefe, mit ihrer Freude am Guten, vor allem an christlichen Festen und an den Gottesdiensten überhaupt (links Madonna mit Kind, Schlesisches Museum Görlitz), mit ihrer duldenden Tragkraft, wenn Heimsuchungen zu bestehen sind, mit ihrer Hochschätzung für Brauchtum und Tradition, schließen sie auf für Predigt und Vorträge. 5

1.3 Die Oder und ihre Zuflüsse
Die Oder bildet das Rückgrat Schlesiens. Der Name stammt vermutlich schon aus vorgermanischer Zeit und ist von "Adra" für Wasserader abgeleitet. Die Slawen wandelten ihn in Vjodr um, wobei das "Vj" für "Fluss im Sumpf" steht. Der lateinische Name Viadrus wurde möglicherweise aus dem griechischen Adros übernommen. Der Oder fließen von rechts 15 Nebenflüsse zu wie: Olsa, Raude, Klodnitz, Malapane, Stober, Weide, Bartsch und Obra und vor allem die Warthe mit Netze. Von links kommen weitere 12 wie: Oppa, Zinna, Hotzenplotz, Glatzer Neiße, Ohle, Lohe, Weistritz, Katzbach, Bober (rechts im Foto bei Hermsdorf) mit Queis und die Lausitzer Neiße.
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Die Oder misst bis zur Einmündung in die Ostsee heute 866 Kilometer; vor den Begradigungen war sie etwa 1.040 Kilometer lang. Sie entspringt in 554 Metern Höhe im Odergebirge, durchfließt die Mährische Pforte bis Oderberg nach Nordosten und schlägt dann eine nordwestliche, schließlich nördliche Richtung ein. Für die Schifffahrt, früher wegen des schwankenden Wasserstandes nicht voll ausgenutzt, wurden hohe Mittel aufgewendet. Die mittlere Abflussmenge liegt bei 584 Kubikmeter je Sekunde, womit die Oder nach Rhein, Donau, Inn und Elbe an fünfter Stelle der wasserreichsten deutschen Flüsse liegt. Ab der Neißemündung bildet die Oder die deutsch-polnische Grenze, bis diese südlich von Stettin strikt nach Norden auf das Oderhaff abbiegt. 6

1.4 Riesengebirge mit Schneekoppe
Dieser höchste Teil der Sudeten erstreckt sich von den Quellen des Zackens südöstlich bis zu denen des Bobers, etwa 37 Kilometer lang und 22 bis 25 Kilometer breit. Auf dem Kamm verläuft die schlesisch-böhmische und heute polnisch-tschechische Grenze. Im Nordwesten hängt das Riesengebirge über einen Sattel mit dem Iserkamm zusammen, im Osten ist es durch die Landeshuter Pforte vom Waldenburger Bergland getrennt. Anders als im Süden fällt es nach Norden steil ins Hirschberger Tal ab. 7

Der höchste Berg im Riesengebirge ist mit 1.602 Meter die Schneekoppe (polnisch Sniezka, tschechisch Snezka). Sie ist damit der höchste Berg Schlesiens (einst auch Preußens, Foto unten links auf einer Tasse aus der KPM von Friedrich Wilhelm III. 1830, Schlesisches Museum Görlitz) und Tschechiens. Geologisch ist sie ein Granitkegel mit Schieferhaube, von Gneis- und Glimmerschieferplatten bedeckt. Auf dem Gipfel stehen eine Laurentius-Kapelle, welche die Grafen Schaffgotsch ab 1665 errichten ließen, eine Wetterstation und die futuristisch anmutende polnische Bergbaude aus den frühen 70er Jahren, im Volksmund UFO genannt. Während von tschechischer Seite ein Lift bis zum Gipfel führt, kann von polnischer Seite von Krummhübel (Karpacz) aus nur bis zur Kleinen Koppe auf 1.377 Meter gefahren werden. 8

Während unserer Reise sollte auch die Schneekoppe bestiegen werden, was jedoch fehlschlug. Es lag aber nicht an der Angst vor der Atombombe! Einige Wochen nach unserer Rückkehr berichteten Zeitungen von einem Beitrag im staatlichen tschechischen Frühstücksfernsehen CT2. Computer-Hacker waren eingedrungen und hatten die simulierte Detonation auf dem Riesengebirge eingespeist - unkommentiert. 9  Vielleicht aber wollte Rübezahl uns nicht vorlassen?

Carl (nicht Gerhart) Hauptmann sinnierte einst über das Riesengebirge und Rübezahl: "Das ist das großartige Geheimnis, dass Rübezahl als der Geist des Riesengebirges mit Händen nicht zu packen ist, und ich glaube, dass Rübezahl in Urzeiten die Riesentochter zum Weibe nahm. Und dass das Riesengebirge in seiner gedehnten Erdwucht und seiner ewigen Frühlings-Fruchtbarkeit selber die verzauberte Riesentochter ist, die weithin in alle Lande sichtbar unter dem hellen Sommerhimmel aufragt und gewaltig gedehnt unter den nächtlichen Sternen. Und dass Rübezahl der seit alters versklavte Riese 'Hin und Her' ist, weil er für die ewig fruchtbare Riesin wie das Vogelmännchen für die brütende Vogelfrau zu sorgen hat." 10
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1.5 Hirschberger Tal
Dieser Talkessel in einer Höhe von 250 bis 400 Metern bedeckt 273 Quadratkilometer. Das Tal ist von Teilen der Sudeten zu Füßen des südlichen Riesengebirges eingerahmt. Im Osten grenzt es an den Landeshuter Kamm, im Westen an das Isergebirge und seine Vorberge und im Norden an das Bober-Katzbach-Gebirge. Der Bober durchfließt das Tal an seiner Nordseite. Seine Zuflüsse Lomnitz und Zacken kommen von Südosten und Südwesten an den Talseiten entlang. Sie münden bei Hirschberg in den Bober, der immerhin 268 Kilometer bis zur Mündung in die Oder bei Crossen (Krosno) misst.

Das Hirschberger Tal ist durch Hügelketten gegliedert, die kleinere Talsenken trennen. In den 80er und 90er Jahren entstand eine malerische Seenplatte aus einer Reihe von Stauseen. Im Tal liegen zahlreiche Landsitze und Schlösser, die von der Burgruine Kynast (Chojnik) überragt werden. - Wir besuchten 12 davon (Landkarte bei Buchwald).

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