Max Wiese
Bildhauer und Professor an der Kunstakademie in Hanau
Geboren am 1. August 1846 in Danzig
Aufgewachsen in Neuruppin
Gestorben am 25. Juni 1925 in Neuruppin

"Ein Neuruppiner Kind, zufällig in Danzig geboren"

Unübersehbar im Neuruppiner Stadtbild sind die Denkmale Max Wieses als die Verbeugung einer Gemeinde vor ihren berühmten Söhnen und deren Werk. Der Bildhauer Max Wiese hat Fixpunkte im Stadtzentrum geschaffen, die diese Persönlichkeiten nicht nur darstellen, sondern in ihrem Wesen zu erfassen suchen. So wundert es nicht, dass die Stadt Neuruppin auch diesem Künstler ihren Dank zollte, indem sie ihm die Ehrenbürgerschaft verlieh.

Seit kurzem kann im Museum Neuruppin Max Wieses Urkunde über die Ehrenbürgerschaft der Stadt Neuruppin besichtigt werden. Die handgezeichnete und in Leder gebundene Urkunde ist eine Leihgabe des Historischen Vereins der Grafschaft Ruppin an das Museum (Bild rechts: Übergabe, von links nach rechts: Ulrich Nickel, Uta Land, Bürgermeister Jens-Peter Golde, Dr. Peter Schmidt).

Dem Schöpfer der bekannten Neuruppiner Denkmale für Karl Friedrich Schinkel und Theodor Fontane war an seinem 70. Geburtstag die Ehrenbürgerschaft der Stadt Neuruppin verliehen worden - eine besondere Ehrung der Stadt, die er selbst als seine Heimatstadt verstand. Zeitzeuge Karl Paesler-Neuendorf schrieb im Kreiskalender von 1917:
Übergabe Ehrenbürgerbrief: 24.03.2005, Märkische Allgemeine, Peter Geisler

"Wiese, wenn auch zufällig in Danzig geboren, war seinem Blute nach seitens beider Eltern und deren Vorfahren Märker, mütterlicherseits im engsten Sinne ein Neuruppiner Kind. Er hing an seiner Heimat mit allen Fasern seines Herzens, wie weit ihn auch das Leben in der Großstadt Berlin und in der Welt herumgetrieben haben mochte."

Am 1. August 1846 wurde Max Wiese in Danzig geboren, weil sein Vater dort eine Stellung als Königlicher Polizei-Inspektor bekleidete.  Dennoch sind seine Kindheitserinnerungen eng mit Neuruppin verbunden, denn schon als Achtjähriger verlor er seinen Vater für immer. Die Mutter, eine geborene Rühl, zog es zurück in den Schoß der Familie in ihrer Heimatstadt Neuruppin. Ab seinem zehnten Lebensjahr besuchte Max Wiese das hiesige Gymnasium. Aufsätze, Geschichte und Geographie lagen ihm am meisten.

"Schon in der Quarta modellierte ich für meinen damaligen Lehrer, Oberlehrer Bode, als Ferienarbeit eine Reliefkarte von Frankreich aus Glaserkitt in eine große Zigarrenkiste hinein ... Diese Karte brachte mir hohes Lob ein .... Ja er sagte mir sogar beim Abschied von der Schule: 'Wissen Sie, Wiese, die Reliefkarte von Frankreich habe ich Ihnen nie vergessen.' Da mich mein künstlerischer Sinn dazu trieb, modellierte ich nach und nach ohne jede Anleitung kleine Büsten meiner Lehrer in weichem Ton, ließ sie trocknen und brachte sie zur Freude meiner Mitschüler und wohl auch der Lehrer, denn sie wurden in der Lehrerkonferenz herumgegeben, in die Schule."

Über die weitere Ausbildung des jungen Wiese tagte zu Ostern 1864 die Familienkonferenz. Max' eigener Wunsch, im Baugeschäft seines Onkels eine Maurerlehre zu beginnen, wurde verworfen. Für einen kaufmännischen Beruf fehlte das Vermögen, so beschloss man die bildnerische Begabung des 17jährigen Jungen zu nutzen und ihn zum Bildhauer ausbilden zu lassen.

Der Berliner Professor Franz nahm ihn als Lehrling an und ließ ihn gleichzeitig die Akademie besuchen. Nach dreijähriger Ausbildung wechselte er ganz an die Akademie. Als eifriger und talentierter Schüler wurde er in der Komponier- und Modellierklasse mit ersten Preisen und einer Studienreise ausgezeichnet. Danach fand er eine Anstellung bei dem Berliner Bildhauer Siemering. Von ihm lernte er die Modelliertechnik in Wachs, ein Verfahren um Kleinkunst herzustellen, was seine weitere Entwicklung mehr in Richtung Kunsthandwerk lenkte.

Als Einjährig-Freiwilliger nahm er 1870 am Feldzug gegen Frankreich teil. In der Schlacht bei Gravelotte am 17. August 1870 wurde er durch einen Schuss an der Brust und dem Oberarm verletzt.

"Stabsarzt Dr. Külp fragte mich: 'Wo sind Sie verwundet?' - 'Im Pectoralis und Triceps', antwortete ich prompt. 'Sie sind Mediziner?' - 'Nein, aber Bildhauer.'" Über ein Jahr hatte Wiese mit den Folgen der Verletzung zu kämpfen, die seinen rechten Arm lähmte.  Während dieser Zeit hielt er sich oft in Neuruppin bei seiner Mutter auf. Er arbeitete an einer Büste des Direktors Starke und schätzte besonders die Unterhaltungen mit Fontanes Schwester Elise. 1871 wurde er zum Unteroffizier befördert und für invalide erklärt.

Bei Siemering kam er erneut als Gehilfe in Arbeit, bis sich 1872 die Gelegenheit ergab, ein eigenes Atelier zu eröffnen. Prof.  Siemering unterstützte ihn auch bei der Aufnahme in den Künstlerverein. Mit nur 26 Jahren hatte Wiese es durch Fleiß und Talent geschafft, auf eigenen Füßen stehen zu können. Er erhielt vornehmlich Aufträge für Silber- und Bronzearbeiten und stellte Werke der Kleinkunst her, die regen Absatz fanden. Den ersten großen Auftrag erhielt er von Kommerzienrat Ebell aus Berlin, er wurde mit der Herstellung einer Statue des Großen Kurfürsten und zwölf Hohenzollernporträts für den Giebel des Hohenzollernhauses in der Poststraße betraut.

Auf den beruflichen Erfolg stellte sich bald auch privates Glück ein. Am 27. Januar 1877 verheiratete er sich mit Gertrud Renowitzky, der Tochter eines Berliner Großkaufmannes. Im Jahr der feierlichen Einweihung seines Schinkel-Denkmals auf dem Kirchplatz in Neuruppin, 1883, begann beruflich ein neuer wichtiger Lebensabschnitt für Wiese - seine langjährige Lehrtätigkeit, zunächst an der Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums in Berlin.  Im August 1884 wurde er dann als erster Lehrer an die Königliche Zeichenakademie Hanau berufen, wo man ihn schon nach einem Jahr mit der Verleihung des Professorentitels ausgezeichnete. Nach dem Tode des Direktors Hausmann stieg er im Jahr 1887 selbst in diese Position auf und führte die Akademie während seiner 22jährigen Tätigkeit in das neue Jahrhundert. Er war der erste Nicht-Hanauer, der erste Preuße und auch der erste Bildhauer auf diesem Posten.
Modell Brüder Grimm
Neben der noch unter Hausmann eingerichteten Ziselier- und Gravierklasse nahm er auch Zirkel- und Projektionszeichnungen in den Lehrplan auf. 1889 wurde eine Goldschmiedewerkstatt eingerichtet, wodurch der Akademie die Bezeichnung "Fachschule für Edelmetallindustrie" verliehen wurde. Trotz seiner umfangreichen Verwaltungsaufgaben und seiner Lehrtätigkeit fand er Zeit für eigene künstlerische Arbeiten, wie zum Beispiel:
  • die monumentalen Eckgruppen "Lokomotivbau und Ingenieurbau" für die Frontbekrönung des Frankfurter Hauptbahnhofes,
  • das Bronzedenkmal "Kaiser Wilhelm I." für die Stadt Oppeln,
  • das Denkmal des Grafen Philipp Ludwig II. von Hessen für Hanau,
  • mit zwei Entwürfen beteiligte er sich 1889 an einer Ausschreibung der Stadt Hanau für ein Gebrüder-Grimm-Denkmal (für seinen Entwurf bekam er den ersten Preis, leider kam er dann doch nicht zur Ausführung, Bild links, Aufschrift auf dem Sockel: "Jacob und Wilhelm Grimm geb. zu Hanau", um 1889, Gips, Holz, bronzefarben, 107 x 45 x 41 cm, Museum Hanau
  • für das Alte Museum Berlin schuf er in sechs Jahren Arbeit eine Marmorstatue Andreas Schlüters.

Reliefplatte zum Graf Philipp Ludwig II.-Denkmal, Aufschrift auf der Platte: "Graf Philipp Ludwig II. empfängt die Schlüssel der von den Emigranten erbauten Kirche.", 1897, Bronze, Museum Hanau
Modell Landgraf Philipp

Während der Chicagoer Weltausstellung 1893 war er im Auftrag der deutschen Regierung Preisrichter für die Abteilung Edelmetallindustrie. Der mehrmonatige Amerikaaufenthalt brachte ihm eine Fülle künstlerischer Impressionen, festgehalten in zahlreichen Zeichnungen und Skizzen. Auch zur Pariser Weltausstellung 1900 wurde er entsandt und auf der Weltausstellung in St. Louis wurden Werke der Kleinkunst von der Hand Max Wieses gezeigt, darunter die Indische Schlangentänzerin mit echtem Miniaturschmuck auf einem Amethystquarz und die Elfenbeinfigur Indisches Märchen mit Emailgewand.

Noch im Jahr seiner freiwilligen Pensionierung 1905 wurde vor dem Kloster Haina die Büste für Philipp den Großmütigen, Landgrafen von Hessen, enthüllt.

Wegen unleidlicher Auseinandersetzungen mit dem Regierungspräsidenten in Kassel ließ sich Wiese im April 1905 pensionieren. Es zog ihn nach Berlin zurück, wo er in Charlottenburg seinen Wohnsitz nahm.
Schinkel-Denkmal in Neuruppin
Das Schinkeldenkmal war Wieses erstes großes Werk für Neuruppin. Am 100. Geburtstag Schinkels 1881 war eine feierliche Grundsteinlegung für das Denkmal auf dem Kirchplatz erfolgt, ohne dass bis dahin ein Entwurf vorlag. Max Wiese bekam noch im gleichen Jahr den Auftrag für seinen traditionellen Standbildentwurf mit einer umgebenden Denkmalsarchitektur. Bei der Enthüllung des Denkmals wurde Max Wiese der Königliche Kronenorden IV. Klasse verliehen, die Akademie der Künste zeichnete ihn mit der Kleinen Goldenen Medaille aus.

Im Rahmen der Umgestaltung des Gymnasialplatzes - jetzt Schulplatzes - 1938/39 wurde das Schinkeldenkmal dorthin umgesetzt, ein Missgriff, denn die monumentale Wirkung und der unmittelbare Bezug zu Schinkels Geburtshaus gingen dadurch verloren. Die Mauereinfassung verblieb bis zum Ende des II.  Weltkrieges auf dem Kirchplatz, um dann abgebaut zu werden, so dass nach der Rückkehr auf den alten Standort 1959 nur noch ein "Wiesenhügel" das Denkmal trug. 2003 wurde die Umfassung nach alten Ansichten neu erbaut, wodurch der gesamte Kirchplatz eine architektonische Aufwertung erfuhr und das Schinkeldenkmal selbst wieder einen würdigen Rahmen bekam. Max Wiese hatte nach seiner Rückkehr aus Hanau selbst schon einmal auf eigene Kosten das Schinkeldenkmal restauriert, weil die Patina und die Umfassungsmauer unansehnlich geworden waren.

Dabei begegnete er seinem alten Schulfreund Bittkau, dem uns gut bekannten Pfarrer und Heimatforscher. Von ihm erfuhr Wiese, dass Gelder für ein Fontanedenkmal gesammelt worden waren und nun in Berlin vom Provinzialdirektor von Manteuffel verwaltet würden. Es stellte sich heraus, dass sich ein Kapital von 14.500 Mark angesammelt hatte. Wiese erbot sich, für diese Summe das Vorhaben zu realisieren und einen kostenlosen Entwurf vorzulegen. Um ein authentisches Kunstwerk entwerfen zu können, nahm der Bildhauer Kontakt zur Familie Fontanes auf. Die Söhne des Dichters schilderten ihm die Gewohnheiten ihres Vaters und die Schwester, Elise Weber-Fontane, stellte Fotografien zur Verfügung. Mit den Fontanes diskutierte er auch seine Skizzen und fand schließlich großen Beifall für seinen Entwurf, den er nach Fontanes eigener Maxime für das Theater geschaffen hatte: "Der Mensch soll auf der Bühne nicht als Ornamentlinie sich fühlen, sondern frei und ohne jeden Zwang sich ergehen und benehmen."

Dieser Entwurf überzeugte das Denkmalskomitee unter dem Vorsitz des Landesdirektors von Manteuffel und den Magistrat der Stadt Neuruppin. Wiese wurde der Auftrag für die Fertigstellung erteilt.
Fontane-Denkmal in Neuruppin

Im August des Jahres 1907 begann Wiese mit der Modellierarbeit in einem Gartenhäuschen am Lietzensee in Berlin. 50 Tonnen Ton wurden angeliefert, im Dezember war das Tonmodell fertig und konnte in Gips abgeformt werden. Trotz der widrigen Kälte, die im Gartenhäuschen herrschte, schaffte Wiese es, das große Gipsmodell bis Anfang Januar zu vollenden.

Am 9. Januar 1907 stellte er es der Öffentlichkeit vor und erntete viel Lob bei Besuchern und Kritikern. In Neuruppin wurde der Denkmalsuntergrund mit 400 Wagen Erde aufgefüllt, als Unterbau dienten hiesige Findlinge. Die feierliche Enthüllung am 8. Juni 1907 gestaltete sich zu einem 'sehr würdigen und eindrucksvollen Feste' (Zitat Wiese). Alle Honoratioren aus Stadt und Landkreis waren erschienen, leider auch der ungeliebte Regierungspräsident aus Kassel, der zu diesem Zeitpunkt Oberpräsident der Mark Brandenburg war.

Nach 1907 schuf Max Wiese noch weitere Denkmäler für Neuruppin. 1911 entstand das Jahn-Lose-Denkmal für den Begründer der deutschen Turnerbewegung Friedrich Ludwig Jahn und den Mitbegründer des Neuruppiner Männerturnvereins und der Neuruppiner Turnerfeuerwehr, den Lehrer Karl Loose. Es stand ursprünglich in der Grünanlage in der Parkstraße (Puschkinstr.) und hat jetzt seinen Platz vor der Neuruppiner Seebadeanstalt, dem "Jahnbad", gefunden.

Nachdem das 1879 errichtete eiserne Kriegerdenkmal wegen Rostschäden abgerissen werden musste, erhielt Bildhauer Wiese den Auftrag für den Entwurf eines neuen Denkmals. Es sollte anlässlich des einhundertjährigen Bestehens des Infanterie-Regiments Nr. 24 errichtet werden. Am 29. Juni 1913 fand die Einweihung des neuen Ehrenmals statt. Es war eine Darstellung des Fahnenträgers von Vionville, der in der Schlacht am 16. August 1870 die Regimentsfahne rettete. Es fand seinen Standort am südlichen Flügel des Schulplatzes (heute OdF-Denkmal). Zwei breite Steinstufen führten zu dem erhöhten Ehrenhof empor. Der Sockel war aus rotem schwedischen Granit. Darauf erhob sich der drei Meter hohe, stürmende Fahnenträger. Nach dem II. Weltkrieg verschwand die bronzene Figur, niemand kann heute eine zuverlässige Aussage machen, wohin und wodurch.

In der Zeit von 1914 bis 1922 schuf Wiese auch Kriegerdenkmale für Fehrbellin, Walsleben und Kerzlin.

Max Wieses Verbundenheit zu Neuruppin reichte über seinen Tod hinaus, denn in Neuruppin auf dem "Alten Friedhof" fand er sein Grab, für das er eigens die Figur des auferstehenden Christus schuf Leider ist die Grabstätte nicht mehr erhalten.

Aus altem Schriftwechsel - im Bestand des Museums Neuruppin - ist ersichtlich, dass Wiese auch gern seinen künstlerischen Nachlass in Neuruppin gesehen hätte. Offenbar wurde auch schon alles in seine Ehrenheimatstadt transportiert. Da es aber aus Mangel an städtischem Engagement nie zu einer Präsentation kam, gingen die Exponate zurück an seine Tochter.

Wiese hat sich mit seinen Denkmälern in Neuruppin selbst ein Denkmal gesetzt. Auch wenn er bei der Obrigkeit nie ganz die Anerkennung fand, die er suchte, ist die Liebe der Neuruppiner und ihrer Gäste besonders zu seinem Fontanedenkmal die größte Anerkennung, die einem Künstler zuteil werden kann.

Text von Sabine Dallmann, Neuruppin.
Abgedruckt im Mitteilungsblatt Nr. 16.

Werke in und bei Neuruppin:
Schinkel-Denkmal in Neuruppin (1883)
Fontane-Denkmal in Neuruppin (1907)
Kriegerdenkmal in Neuruppin (nicht erhalten)
Kriegerdenkmale in Fehrbellin, Kerzlin und Walsleben.

Quelle der Bilder:
Übergabe Ehrenbürgerbrief: 24.03.2005, Märkische Allgemeine, Peter Geisler
Modell Brüder Grimm und Landgraf Philipp: Internet: www.hanau.de/kultur/museen
Schinkel- und Fontane-Denkmal: Manfred Maronde
Briefmarke: Internet: www.briefmarken-archiv.de/brd/01/2003/a030102.htm
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