Bildname
8.8 Fürstenberg
Fürstenberg ist eine Gemeinde im Landkreis Holzminden mit 1.300 Einwohnern. "Weißes Gold von der Weser" - eine der ältesten Porzellan-Manufakturen Europas hat den Namen Fürstenberg berühmt gemacht. 94
Bildname

Das Schloss aus der Weserrenaissance ist nur Fassade und diente zwei Jahrhunderte lang als Produktionsstätte und heute als Museum über alle Etagen von unten nach oben, verbunden durch ein hölzernes Treppenhaus in seiner Mitte.

1708 gelang Ehrenfried Walther von Tschirnhaus und seinem Gesellen Böttcher als ersten Europäern die Herstellung von Porzellan. 1744 begannen in Wolfenbüttel die ersten Versuche. Am 11. Januar 1747 ordnete Herzog Carl I. von Braunschweig die Gründung einer Porzellan-Manufaktur in Fürstenberg an. Nach der Königlich-Preußischen Porzellan-Manufaktur in Meißen (KPM, gegründet 1710) ist es die zweite fürstliche Porzellan-Manufaktur im deutschsprachigen Raum, die kontinuierlich bis heute produziert.

Ab 1753 stellt die Manufaktur Geschirre, Bildnisbüsten und -reliefs sowie figürliche Arbeiten her. Bedeutend sind vor allem Figuren der "Commedia dell'Arte" und die Bergleute von H. S. Feilner, der 1753 - 68 als Modellmeister tätig war. Die Blütezeit des Fürstenberger Porzellans liegt zwischen 1770 - 90. Heute wird vor allem Gebrauchsgeschirr hergestellt. 95

1859 wurde die herzogliche Manufaktur an Privatleute verpachtet und 1888 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 1966 wurde die Rechtsform eine GmbH, eine 100-prozentige Tochter der Norddeutschen Landesbank. 1972 wurde neben dem Schloss ein neues Produktionsgebäude errichtet. Die Anbauten auf dem Schlosshof wurden beseitigt. In den folgenden Jahren wurde das Weserrenaissance-Schloss in seinen historischen Zustand zurück versetzt. 96
Bildname

8.9 Bevern
Bevern ist ein Flecken und eine Samtgemeinde mit rund 4.400 Einwohnern im Landkreis Holzminden, zwischen den Gebirgen Solling, Vogler und Ith. Der Ort hat seinen Namen nach dem Biber und wurde 822/856 erstmals in den Urkunden des Klosters Corvey erwähnt.

Schloss Bevern wurde von 1603 - 12 nach Vorgaben von Statius von Münchhausen geplant. Der Bauherr war berühmt und berüchtigt wegen seines großen Reichtums. Sein enormer wirtschaftlicher Erfolg war jedoch von eher spekulativer Natur und basierte auf dem Getreidehandel, vor allem aber auf Geldverleih. 97

Unsere Führerin Frau Löhr nannte ihn einen genialen Banker, der Geld auch an den Herzog verlieh. In der Kipper- und Wipper-Zeit kam der Baron aber in Schwierigkeiten, als ein Neider Schuldscheine kaufte, aber echtes Silber und keine Schreckensberger Taler verlangte. Münchhausen beherrschte zehn Sprachen und brachte überall im Schloss Sinnsprüche an.

Münchhausen ließ Bevern als regelmäßige Vierflügelanlage um einen quadratischen Innenhof mit Wassergraben, zwei Brücken und einem Schlossgarten errichten. Es gehört zu den bedeutendsten Baudenkmalen der Weserrenaissance. Besucher finden zwar eines der architektonisch schönsten Weserrenaissance-Schlösser vor, aber darin weder Prunkräume noch wertvolle Kunstschätze. Auch die Gesamtanlage von Vorwerk, Schloss und Garten ist nicht mehr erkennbar.

Das Schloss hat ein wechselhaftes Schicksal erfahren. Der Bauherr verstarb hier 1633. Trotz seiner 20 Kinder aus zwei Ehen starb die Linie des Statius von Münchhausen 1676 aus. Bereits 1652 hatte die Witwe Bevern dem Herzog August d. J. zu Braunschweig und Lüneburg (dem Begründer der berühmten Bibliothek in Wolfenbüttel) überlassen, der es zum herzoglichen Jagdschloss umbauen ließ.

Eine Blütezeit erlebte das Schloss ab 1667 unter dem jüngsten Sohn, Ferdinand Albrecht I., der es als Abfindung, als herzogliche Apanage-Residenz, bekam. 1687 starb der Herzog. Die herzogliche Nebenlinie Braunschweig-Bevern regierte ab 1734 das Herzogtum Braunschweig. Aus diesem Hause stammte Elisabeth Christine, die Gattin König Friedrich II. von Preußen, die in Schönhausen versauerte. 1773 endete die Hofhaltung.
Bildname
Bildname
Im weiteren Verlauf wurde die Schlossnutzung immer profaner. Ende des 18. Jh. diente es zunächst als Pensionärssitz. Später wurde es als Knopffabrik genutzt. 1834 fielen dem vollständigen Umbau alle Prunkräume zu Opfer; man richtete hier eine "Correctionsanstalt" (oder Besserungsanstalt, eher Gefängnis für etwa 800 Herumtreiber, die zwischen Haft oder Auswanderung nach Übersee wählen konnten) mit Wohnungen und Werkstätten ein, die 1870 in eine Erziehungsanstalt für elternlose Kinder, das Wilhelmstift, umgewandelt wurde.

1933 befand sich sogar eine SASportschule und danach eine Garnison in den historischen Mauern. Von 1945 - 49 wurde das Gebäude zum Rückführungslager für verschleppte Zivil- und Fremdarbeiter, dann zur Flüchtlingsunterkunft (aus Lettland) und anschließend zum Möbellager. 1957 erwarb die Gemeinde Bevern das Schloss und bemühte sich, es vor dem völligen Verfall zu bewahren. Die Schlosskapelle wurde restauriert, das Heimatmuseum eingerichtet. Im Jahr 1986 übernahm der Landkreis Holzminden das Schloss von der Gemeinde Bevern für 1 D-Mark, investierte 1,3 Mio. D-Mark und richtete hier zwei Dienststellen ein, das Kulturreferat und die archäologische Denkmalpflege, und baut es seitdem kontinuierlich zu einem Kulturzentrum für die Region aus. 98

In der Schlosskapelle finden seit 1984 regelmäßig Kammermusik-Konzerte statt. Der Innenhof ist durch seine reizvolle Kulisse und seine hervor ragende Akustik ein idealer Aufführungsort für Open-Air-Veranstaltungen. Schlosshof und -fassaden werden zur großflächigen Bühne, auf der die Schauspieler in auf sie projizierten Lichteffekten agieren. Schloss Bevern ist in die "Erlebniswelt Renaissance" einbezogen; hier wird seit 2006 an 21 Stationen das Leben des Statius von Münchhausen nach erzählt. Das geht leider nicht ohne störende Eingriffe in die Bausubstanz ab wie die Scheinwerfer auf dem Flur im Obergeschoss zeigen.
Bildname
Bildname
8.10 Detmold
Der markante dicke Turm stammt vom Bergfried der 1366 erstmals erwähnten Burg, die aber schon zur Frühzeit der Edelherren zur Lippe bestanden haben dürfte. Nach der Soester Fehde 1447 wurde sie wieder aufgebaut und mit einer mächtigen Wallanlage bewehrt. Bereits seit 1511 diente sie den lippischen Landesherren als Residenz.

Graf Bernhard VIII. berief 1549 den Baumeister Jörg Unkair für sein "Niggehus". Von ihm ist das Konzept einer vierflügeligen Anlage, das er bereits in Neuhaus bei Paderborn verwirklicht hatte. Nach Unkairs Tod 1554 fügte der flämische "Steinschneider" Johann Robin im Schlosshof die Renaissance-Galerie ein. Cord Tönnies vollendete den Neubau des Schlosses.

Im 18. Jh. wurde das Schloss teilweise barockisiert. Die Befestigungen am Eingang wurden beseitigt, um Raum für den Schlossplatz zu schaffen.

Die Führung, mit dem älteren, sehr kundigen Herrn Huber, beginnt im "Roten Saal". Der Raum wurde 1882 von Fürst Woldemar als Empfangsraum mit einer Wandbespannung aus rotem Seidendamast ausgestattet. Die Decke zeigt spätbarocke italienische Stuckaturen von 1707. Murano-Leuchter und eine Schneeballvase von 1755 aus Meißen fallen uns auf. Die Eingangstür flankieren die beiden Porträts des letzten regierenden Fürsten und seiner Frau.

Der rund 200 m² große Ahnensaal, auch 1882 im Rittersaal in Formen der Spätrenaissance geschaffen, wurde ganz in dunklem Eichenholz ausgeführt. Die alten, zugeschnittenen Ahnenbilder haben neutrale Hintergründe aus Goldbronze. Der Saal wurde bereits 1882, erst drei Jahre nach Edisons Erfindung, elektrifiziert.

Im Südwestflügel werden drei festliche Räume "Königszimmer" genannt, seit 1711 König Friedrich I. von Preußen hier weilte. Besonderen Schmuck tragen die Räume durch die Gobelins mit Motiven Alexanders des Großen, die Burggräfin Amalie zu Dohna einbrachte und um 1670 in Brüssel gewebt wurden (rechts, im roten Mantel). Die Vorlagen stammten vom Hofmaler Ludwigs XIV. von Frankreich. 99 Das Parkett ist schon 300 Jahre alt.
Bildname
Bildname
8.11 Hann. Münden
Das Welfenschloss ist ein viergeschossiger Bau am Werra-Ufer. Eine Burganlage diente ab 1488 als Residenz des Herzogtums Calenberg-Göttingen und wurde 1501 durch Herzog Erich I. im Stil der Gotik ausgebaut. Nach dem schweren Brand von 1561 wurde es von Herzog Erich II. im Stil der frühen Weserrenaissance aus- und neugebaut. Später verlor das Welfenschloss mehr und mehr an Bedeutung.

Während das Schloss äußerlich nahezu unverändert erhalten ist, litt sein Inneres im Laufe der Jahrhunderte. Schon im Dreißigjährigen Krieg begannen die Zerstörungen der Schlosseinrichtung und der Kunstschätze. Das Schloss stand von da an bis zum Beginn des 18. Jh. leer. Dann wurde es zur Kaserne umgebaut. Nach dem Siebenjährigen Krieg und einem weiteren Leerstand bauten die Mündener ihr Schloss 1776 in einen großen Kornspeicher um. Ein Brand von 1849 zerstörte den in Fachwerk aufgeführten Südflügel, der nicht wieder aufgebaut wurde. Später beherbergte der Ostflügel das Amtsgericht und der Westflügel die neue Forstakademie, die die Stadt über ihre Grenzen hinaus bekannt gemacht hat. Heute sind im Schloss das Stadtarchiv, die Stadtbücherei, das städtische Museum und das Amtsgericht untergebracht. 100

8.12 Schloss Neuhaus
Der Paderborner Stadtteil (eingemeindet 1975) und das Schloss liegen am Zusammenfluss der drei Flüsse Pader, Alme und Lippe. Hier lag von 1370 bis 1803 die Residenz der Bischöfe und Fürstbischöfe.

Erstmals urkundlich erwähnt wurde Neuhaus 1036 (bzw. 1093). Im 13. Jh. spitzten sich die Rivalitäten zwischen der erstarkten und selbstbewussten Bürgerschaft der Stadt und dem Landesherrn so zu, dass Fürstbischof Simon I. zur Lippe (1247 - 77) beim Papst das Burgenbaurecht erwirkte und 1257 in der Nähe des Haupthofes Neuhaus mit dem Bau der Burganlage begann.

Im 13. Jh. entstand eines der schönsten, repräsentativsten, eigenwilligsten und bedeutendsten Wasserschlösser ganz Westfalens. Über sechs Jahrhunderte wurde am Schloss gebaut und erweitert; so stellt es sich heute als prunkvolles, geschichtsträchtiges Bauwerk dar. 101

Verschiedene Autoren werten das Schloss wie folgt: "Erstes Bauwerk der Weserrenaissance", "Erste größere, ja wirklich bedeutende Bauaufgabe der Renaissance, zumindest in der nördlichen Hälfte Deutschlands", "Frühester oder doch zumindest frühester erhaltener Schlossbau der Renaissance in Deutschland", "Konzeption einer regelmäßigen, rechtwinkligen Vierflügelanlage mit Treppentürmen in den Hofwinkeln, wie es sie bis dahin nirgendwo auf dem Boden des Deutschen Reiches gab", "Der Anfang der Entwicklung des Schlossbaus im Weserraum, welche die mittelalterliche Burg unter weitgehendem Verzicht auf die Verteidigungsaufgabe zu Gunsten einer Ganzheitsidee und nicht zuletzt wegen des gesteigerten menschlichen Wohnbedürfnisses ablöste" und "Für unser Gebiet Epoche machendes Gebäude". 102

Bischof Heinrich von Spiegel ließ nach mehrfacher Zerstörung durch Paderborner Bürger um 1370 einen dreigeschossigen gotischen Wohnturm errichten, der später als "Haus Spiegel" in die Vierflügelanlage integriert wurde und die er bis 1881 überragte.
Bildname
Da dies "Hohe Haus" den Bedürfnissen fürstlicher Hofhaltung immer weniger genügte, ließ Fürstbischof Erich von Braunschweig-Grubenhagen (1508 - 32) durch den schwäbischen Baumeister Jörg Unkair von 1524 - 26 das "Haus Braunschweig" errichten, eine Länge des gotischen Hauses entfernt und quer dazu stehend. Nach Größe, Bauweise und Ausstattung erfüllte es bereits alle Attribute eines Schlosses. In den Glaubenswirren ab 1517 auch im Hochstift Paderborn stoppte Bischof Erich das Vordringen des Protestentismus.

Bischof Hermann II. von Wied (1532 - 46) ließ zwischen 1534 - 36 die Lücke zwischen beiden Häusern mit dem "Haus Köln" schließen. Seine Hinwendung zur sog. Kölnischen Reformation 1543 endete mit seiner Absetzung.

Nachfolger Rembert von Kerssenbrock (1547 - 68) ließ fast rechtwinklig zum Ostgiebel des Hauses Braunschweig einen Gebäudeflügel mit Treppenturm und zwei eingeschossigen Standerkern errichten für die Küchen- und Speiseräume. Der Grundriss ist nun U-förmig und dürfte noch nach Plänen von Jörg Unkair verwirklicht sein.

Nach drei wenig bedeutenden Fürstbischöfen wurde 1585 Dietrich IV. von Fürstenberg zum Bischof ernannt. Er war der bedeutendste Schlossbauherr; sein Reichtum ermöglichte es ihm, ohne Rückgriff auf Steuereinnahmen zu bauen. Er ließ sofort die Vierflügelanlage zu Ende bauen und die vier mächtigen runden Außenecktürme anbauen. Auch im Innenhof gibt es jetzt vier Treppentürme. Hier kam es zur Abkehr von der Baukunst der Spätgotik und der Frührenaissance mitteldeutscher Prägung zur Hinwendung zu einer niederländisch geprägten manieristischen Form. Zwillingsfenster, Zwerchhäuser und Treppentürme nach Unkair blieben zwar. Hinzu kamen jedoch neumodische Schweifgiebel, Roll- und Beschlagwerk, Löwenköpfe und Pilaster.

Fürstbischof Hermann Werner Freiherr Wolff-Metternich (1683 - 1704) ließ das "Haus Kerssenbrock" "regularisieren", indem er den Standerker im Hof entfernen und das "Rasterwerk" des "Hauses Fürstenberg" übernehmen ließ.

Sein Nachnachfolger wurde 1719 Clemens August von Bayern aus dem Kurfürstengeschlecht. Sein Spitzname "Monsieur de Cinq Églises" deutet auf seine enorme Machtfülle hin: Bischof von Münster, Erzbischof von Köln, Administrator von Hildesheim und Osnabrück.

Kurfürst Clemens August ließ den vorderen Flügel umbauen, verbreiterte den vorderen Schlosseingang, brach die hintere Durchfahrt in den Nordflügel, ließ die Gräftebrücke, die Schlosswache (mit seinem Wappen, unten links) und den Marstall errichten und den Barockgarten anlegen.
Bildname
Beschädigt wurde das Schloss während des Siebenjährigen Krieges von 1756 - 63. 1802 und 1814 besetzten es preußische Truppen. Anschließend verschwand die gesamte Einrichtung des Schlosses; es wurde ab 1820 als Garnison für Kavallerie-Einheiten und das westfälische Husaren-Regiment "missbraucht" (Plan unten rechts). 1920 zog das 15. Preuß. Reiterregiment ins Schloss und blieb dort bis 1945. Dann fiel es den Engländern in die Hände, die es erst 1964 wieder frei gaben. Der Bund überließ es für "eine müde Mark" der Gemeinde Schloss Neuhaus,

nachdem bereits der völlige Verfall gedroht hatte. Die Stadt ließ in den Innenräumen eine Realschule einrichten. Ein Teil der Klassenräume wurde in drei Gebäude, auch den zuvor sehr herunter gekommen und bis 1994 sanierten Marstall, im Schlosspark verlagert.

Der barocke Marstall wurde von 1729 - 33 nach französischem Vorbild als U-förmige Dreiflügelanlage mit Seitentrakten errichtet. Er kontrastiert zum Schloss: Dort das noch überwiegend trutzige und abweisende Äußere des Renaissance-Schlosses, hier das sich einladend Öffnende einer barocken Anlage. Der Wittelsbacher Kurfürst war ein leidenschaftlicher Reiter. Im Erdgeschoss konnte er über 100 Pferde halten. Im Mittelteil war die Wagenremise mit sieben Toren.
Bildname
Bildname

Das große Foto zeigt das Nordwest-Portal mit der Reisegruppe um Prof. Matthée, der links vor dem Türblatt zu sehen ist. Hinter den gedrehten Säulen steht die Allegorie der Misericordia, der Barmherzigkeit, versteckt. Oben bekrönt wird das Portal vom Wappen Dietrich von Fürstenbergs mit den Insignien seiner geistlichen und weltlichen Macht. Im Ganzen weist das Portal überreichen Schmuck auf und wirkt überladen. Es ist ein Beispiel für den "horror vacui", der "Angst vor der Leere".

Der rund 24.000 Einwohner umfassende Ortsteil, vier Kilometer vom Zentrum von Paderborn, hat die alte Schreibweise beibehalten und schreibt sich immer noch "Schloß Neuhaus", da Eigennamen von der Reform nicht betroffen sind. 103

zurück   Übersicht   weiter