6 Die Zisterzienser-Klöster
6.1 Hohenfurth oder Vyšší Brod

Am Zuweg zum Kloster fiel mir etwas auf, was ich bisher nicht gewusst habe: Die Zisterzienser-Klöster haben eigene Wappen. Dieses hat goldene französische Lilien im blauen Feld. Darin liegt ein Herzschild mit rotem Rand, schrägen gelben und blauen Balken.

Der Orden wurde 1098 in Burgund gegründet, unter seinem dritten Abt Bernhard von Clairvaux breitete er sich rasch aus. Seine Regeln schreiben ein Leben vor, das aller Weltlichkeit entsagt und die Observanz von Demut, freiwilliger Armut, Gehorsam, körperlicher Arbeit, Ordensdisziplin und Streben nach Vollkommenheit. Laienbrüder verstärken die Gemeinschaft. 31

Doch nun zum gotischen Bauwerk. 1259 gründete Vok von Rosenberg - sie kennen ihn schon aus Rožmberk und Ceský Krumlov - als der höchste Marschall des Königreiches Böhmen und Hauptmann von Österreich, der Steiermark und Kärnten, das Hohenfurther Stift (lat. Altum Vadum). Von hier aus sollte der bisher öde Landstrich an der oberen Moldau kolonisiert werden. 32

Erst nach 100 Jahren wurde der Bau Mitte des 14. Jahrhunderts fertig. Die romantische Lage, die nahen Wälder am Fuß des Böhmerwaldes und die unweit gelegene „Teufelswand" inspirierte den Komponisten B. Smetana zur gleichnamigen Oper. Bis heute hüten die Ordensbrüder das Andenken an die 1611 ausgestorbenen Rosenberger, deren Geschlecht an Bedeutung den Königen kaum nachstand. Zwei Familienmitglieder waren mit böhmischen Prinzessinnen verehelicht. Hier in Hohenfurth sollen mindestens 40 Rosenberger in der Familiengruft beigesetzt sein. Ihr Wappen verziert die Tore südböhmischer Städte, Burgen, Schlösser und Höfe bis heute.
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Das Hohenfurther Stift ist das besterhaltene und historische authentischste Monasterium in den böhmischen Ländern, blieb es doch abgesehen von zwei Bränden verschont von Kriegen. Mit 70.000 Bänden, 400 Inkunabeln und 1.000 Pergamenten hat Vyšší Brod die drittgrößte Klosterbibliothek in Böhmen. Die Bücherschränke sind aus der Zeit des Rokoko. Die Buchrücken sind einheitlich gestaltet. Sowohl der philosophische als auch der theologische Saal haben Deckengemälde.

In der Kapelle der Jungfrau Maria ist der Mittelpunkt das Tafelbild der Hohenfurther Madonna. Dieses Werk von außerordentlich hohem Niveau dürfte um 1400 entstanden sein in der Zeit des „weichen Stils". Auf dem Bild wird die gekrönte rotblonde Mutter Gottes, mit dem nackten Jesuskind im Arm, vor goldenem Hintergrund dargestellt.

Nach vierzig Jahren der Vernachlässigung wurde das Kloster den Zisterziensermönchen zurück erstattet. 1991 kamen Exil-Tschechen aus Österreich und der Abt aus Polen. Die Mönche bemühen sich, die große Anlage wieder zum geistigen und kulturellen Mittelpunkt der Region zu gestalten.

6.2 Goldenkron oder Zlatá Koruna
Dieses Kloster, das wir in der Abendsonne kurz besuchten, wurde 1263 von König Premysl Otakar II. gegründet. Das Wachstum des Klosters im 14. Jahrhundert und seine viel versprechende bauliche Entfaltung wurden 1420 durch die Hussitenkriege unterbrochen. Die heutige Gestalt des umfangreichen Areals ist das Ergebnis der fleißigen Arbeit des Zisterzienserordens, besonders im 17. und 18. Jahrhundert. Im Jahr 1785 hat Kaiser Joseph II. das Kloster aufgehoben. Das Klosterareal besteht aus dem befestigten Meierhof, der heutigen Gemeinde, und dem eigentlichen, mit Wehrmauern umgebenen Klosterkomplex. Es gehört zu den am besten erhaltenen gotischen Ensembles Böhmens. Nach der Instandsetzung von 1909 - 38 befindet sich hier eine wissenschaftliche Bücherei.

6.3 Sedlec in Kuttenberg/Kutná Hora
Diese Zisterze wurde 1192, nach anderen Angaben schon 1142/43, gegründet. Damit ist es das älteste Zisterzienserkloster in Böhmen. Die heutige gotische Kirche, heute wie vor neun Jahren Baustelle, bietet außer ihrem Schlingengewölbe nichts Besonderes. Damals durften wir in das Beinhaus steigen. Dieser einfache Bau von 1400 wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts barockisiert. Um 1870 bekam er seine schaurige Ausstattung: Tausende von menschlichen Knochen wurden zu Pyramiden, Leuchtern, Girlanden und Wappen drapiert.

6.4 Marienstern zwischen Kamenz und Bautzen
Dieses Zisterzienserinnenkloster gehört zu den wenigen deutschen Klöstern, die von ihrer Gründung bis heute ihrer ursprünglichen Bestimmung dienen. Das Kloster wurde 1248 gegründet und 1264 in den Zisterzienserorden aufgenommen. Dieses Kloster erhielt durch reiche Zustiftungen 52 Klöster und 8 Dorfteile mit 2.500 Untertanen. 33

Als Klostervögte wirkten zwischen 1365 und 1918 in den Verwaltungs- und Gerichtsangelegenheiten die Adligen der Umgebung, die seit 1599 protestantisch waren. Durch den Traditionsrezess von 1635 (beim Übergang der Oberlausitz an Kursachsen) wurde der Fortbestand garantiert.

Die Klosteranlage stellt auch heute noch ein geschlossenes Ganzes dar. Die Hauptgebäude gehen in ihrer Grundsubstanz auf das 13. oder 14. Jahrhundert zurück. Nach Zerstörungen in den Hussitenkriegen (1429) und im Dreißigjährigen Krieg (1639) wurde das Kloster in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts umfassend erneuert; seine barocke Gestalt hat es bis heute bewahrt. Auffällig ist in der innen noch gotischen Kirche eine Trennwand zwischen Haupt- und Südschiff, auf deren Mauerkrone Skulpturen stehen.
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Um 1830 wurde von St. Marienstern eine Knabenschule, eine unentgeltliche Mädchenschule und eine weiterführende Mädchenschule errichtet. Im Dritten Reich wurden sie verboten.

Der Konvent besteht derzeit aus 23 Zisterzienserinnen zwischen 21 und 87 Jahren. Ihrem feierlichen Chorgebet können sich auch Gäste anschließen. 1973 eröffnete das Kloster ein Heim für geistig behinderte Kinder, von denen es heute mehr als 80 beherbergt.

Auch eine Gaststätte hat das Kloster, wo wir mittags ausgiebig Gaumenfreuden genossen.

6.5 Marienthal bei Ostritz
Die Geschichte von Marienthal ähnelt stark der von Marienstern. Auch dieses Kloster blieb ohne Unterbrechung in Dienst. 1234 gründete es die Tochter König Philips von Schwaben, Königin Kunigunde von Böhmen. Das Kloster wurde 1237 in den Zisterzienserorden inkorporiert. Seit König Wenzel I. war der König der Vogt über das Kloster. Im 13./14. Jahrhundert erwarb das Kloster die Stadt Ostritz und die halbe Herrschaft Rohnau. Das Kloster hatte bis ins 19. Jahrhundert 21 Ortschaften und vier Ortsteile unter sich. 34

1244 wurde die Kirche geweiht vom Prager Bischof. 1783 kam das Kloster an das Domdekanat von Bautzen. 1427 wurden die Gebäude durch die Hussiten völlig zerstört, auch 1515, 1542 und 1683 brannten sie ab. 1743/44 wurden das Kloster barock erneuert.

Auch hier wurde 1838 eine Mädchenschule eingerichtet, die 1938 vom Staat geschlossen wurde. Heute betreuen die Nonnen geistig behinderte Mädchen und Frauen im Caritas-Pflegeheim. - Wir fuhren mit dem Bus bis auf den Klosterhof und betrachteten die Bauten im Abendsonnenlicht. Das nahe Neißeufer wirkt naturnah, anders als der schön kultivierte Klostergarten. Die sehr düstere Kirche wirkt anheimelnd.

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7 Die Herrnhuter-Gemeine
Die kleine Stadt Herrnhut ist ein Unikum in der Oberlausitz. Der Ort hat 1.500 Seelen, die Gemeine 570 Mitglieder. Die Brüder-Unität ist eine weltweit verbreitete Freikirche mit ca. 800.000 Mitgliedern. Die Wurzeln liegen in der tschechischen Revolution des 15. Jahrhunderts (Jan Hus + 1415) sowie bei den sog. „Böhmischen Brüdern" (Johann Amos Comenius + 1670). Im Zuge der Gegenreformation sammelten sich einzelne Gruppen der verfolgten Brüder-Unität auf dem Gut des Grafen Zinzendorf (1700 - 1760) und gründeten 1722 den Ort Herrnhut.

Hier entstand unter dem Einfluss Zinzendorfs die „Erneuerte Brüder-Unität". Der „Herrnhuter Pietismus" ist von der Freude am Erlösungswerk Jesu Christi geprägt. Ab 1732 wurden Missionare in die Welt ausgesandt, die sich vorwiegend um die Benachteiligten kümmern. 35

Das Besondere an dieser Freikirche ist die Möglichkeit der Doppelmitgliedschaft. Eine gleichzeitige Mitgliedschaft in einer Landeskirche ist möglich. In Herrnhut gibt es eine Reihe kirchlicher Betriebe, u.a. die Comenius-Buchhandlung, die Unitäts-Forstverwaltung und das Unitäts-Archiv.

Die Herrnhuter mögen es schlicht und einfach. Der Betsaal ist ganz in weiß gehalten und schmucklos. Die weißen Bänke sind zur Längsseite ausgerichtet, eine Orgel gibt es, aber keinen Altar. Auch der große Friedhof mit seinen vielen gestutzten Linden hat nur einfache Grabplatten im Rasen, selbst für Bischöfe. Lediglich die Familie Zinzendorf hat erhabene Grabmale in einem der Sandwege. Einen schönen Überblick konnten wir vom Hutberg gewinnen.
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Einen begeisterten Pastor (und seinen erwachsenen Sohn) sowie eine Gruppe Jugendlicher aus Deutschland und der Tschechei trafen wir im benachbarten Berthelsdorf. Dort wird versucht, das völlig verwahrloste Gut und Schloss des Grafen Zinzendorf wieder herzurichten. Ein späterer Anbau des Herrenhauses wurde abgebrochen, die Außenwand neu aufgemauert. Das Dach ist inzwischen neu gedeckt. Im staubigen Inneren des ehemaligen Schlosses, aus dem die Jugendlichen den Schutt in Eimern hinaus trugen, sind noch Reste der Stuckdecken zu sehen, die alle abgestützt werden mussten. Wir haben daher für das mühevolle Vorhaben Geld gespendet. 36

Das barocke Schloss wurde 1721/22 erbaut von Graf Nikolaus von Zinzendorf, der als Hof- und Justizrat die Ortsherrschaft von seiner Großmutter übernommen hatte. Der trockene Baugrund zog viele Schwärmer an, mehr noch war es die Brüdergemeine. Denn Zinzendorf hob hier die Leibeigenschaft, Steuern und Abgaben auf (!), bis August der Starke ihn vertrieb. In der Gemeine wohnten die Brüder, Schwestern und Witwen in je einem Haus. Diese Unität bestand bis 1913. 1933 wurde eine Wehrmachts-Pferdezucht auf dem Gut eingerichtet, das nach 1945 zu einem Volksgut wurde. Das Herrenhaus wurde 1963 aufgegeben. Darauf lasten Restitutionsansprüche aus der Schweiz. Im September 1998 wurde der Freundeskreis Schloss Berthelsdorf e.V. gegründet. Die Treuhand-Liegenschafts-Gesellschaft („Mafia") hat das Schloss unter der Hand verkauft. Der Freistaat Sachsen hat ein Vorkaufsrecht. Nach dem Oberverwaltungsgerichts-Urteil ist jetzt der Verein Besitzer. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ist bei den Renovierungsarbeiten eingestiegen. Geplant ist ein Zinzendorf-Museum, ggf. ein Sächsisches Adelsmuseum. 37
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Danke

Nunmehr, einige Wochen nach der Reise, spüre ich erst - wie sicherlich alle Teilnehmer - wie sehr uns die Exkursion mit Prof. Dr. Dr. Matthée (im Foto am Artillerie-Denkmal von Chlum) bereichert hat. Die böhmischen Lande bleiben mit ihrer alten und erneuerten Pracht ein bleibender Eindruck; ich sage danke.

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1  Aus: „Die große Enzyklopädie der Erde", Novaria Verlag München und Verlag Kister Basel, 1971,  Band 4, Seite 88 ff., auch die Landkarte.
2  Gemälde aus: www.winterkoenig.de, einer Internet-Seite des „Hauses der Bayerischen  Geschichte" www.hdbg.de
3  Aus: „Geschichte im Osten Europas", Band Böhmen und Mähren, Friedrich Prinz, Siedler Verlag  Berlin 1993, Seite 19
4  Internet: Dr. Klaus Koniarek:  www.koni.onlinehome.de/ausfuehrliche-biographien/wallenstein-lang.htm
5  Aus: „Südböhmen - Burgen und Schlösser, historische Städte", Miroslav Trcka, Verlag Atika,  Ceské Budejovice o.J.
6  wie vor
7  wie vor
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9  wie vor
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11 Aus Broschüre „Opocno", Milan Brandejs und Theodor Lokvenc, o.O. o.J.
12 Aus Plakat: „Tschechische Republik - Burgen und Schlösser - Panoramakarte - Bildführer",  ATP Jihlava, www.geoclub.cz
13 wie vor
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15 wie vor
16 Aus: „Schatzkammer Deutschland", Verlag Das Beste,  Stuttgart 1973, Seite 49
17 wie vor, Seite 53
18 Internet: www.hoteloldinn.cz
19 Aus: „Neues großes Volkslexikon", Fackelverlag Stuttgart 1979, Band 5, Seite 550
20 Aus Broschüre: „Kutná Hora", Dr. Jarmila Valentová
21 Aus: „Schatzkammer Deutschland", Verlag Das Beste,  Stuttgart 1973, Seite 466
22 wie vor, Seite 486 f.
23 Aus: „Prag - die historische Stadt", Marie Vitochová und Jindrich Kejr, mit prächtigen Farbtotos  von Jirí Všetecka, Verlag V Ráji 1996
24 Aus: „Die große Enzyklopädie der Erde", Novaria Verlag München, 1971, Band 4, Seite 98
25 Internet: www.auswaertiges-amt.de
26 Aus Internet: www.bautz.de/bbkl, Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band XII  (1997) Spalten 1530-1533 Autor: Erich Wenneker  
27 Fernsehfilm auf 3Sat am 21.09.2003
28 Aus: „Historischer Atlas Deutschland", Bechtermünz Verlag
29 wie 26
30 wie vor, Seite 88
31 Kleine Einführung: www.zisterzienserorden.de von Peter Schulze
32 Aus Broschüre: „Das Zisterzienserstift in Hohenfurth", Milian Hlinomaz, VEGA, o.O, o.J.
33  Aus: „Klosterführer aller Zisterzienserklöster im deutschsprachigen Raum", Verlag Éditions du  Signe, Strasbourg 1998, Seite 439 f.
34 wie vor, Seite 441 f.
35 aus Faltblatt „Die Brüdergemeine in Herrnhut - von gestern im heute für morgen", Internet  www.bruedergemeine-herrnhut.de
36 Spendenkonto Freundeskreis Zinzendorf-Schloss Berthelsdorf e.V., KSK Löbau-Zittau Konto 3  000 062 414, BLZ 855 502 00
37 Aussagen des Pfarrers

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