4 Die Stadt Prag
4.1 Geschichte

Mitten im Herzen Böhmens liegt Prag. Sein tschechischer Name Praha bedeutet „Schwelle", also eine Furt mit Flussinseln über die Moldau. Während der 1000-jährigen Existenz wurde Prag mit vielen huldigenden und rühmenden Attributen wegen seiner Schönheit, Pracht und Größe bedacht. Mal wurde die Stadt als „die Goldene" nach der Burg, mal als „die Hunderttürmige" genannt.

Immerhin wirkten in Prag so berühmte Gelehrte wie Tycho Brahe und Johannes Kepler. Neben dem Baumeister Peter Parler arbeiteten hier J. B. Fischer von Erlach und K. J. Dientzenhofer mehrere Jahre.

Die frühesten Spuren liegen im Dunkeln, die erste Burg wurde um 880 gegründet. Der Premyslide Wenzel, gestorben 935, der Heilige Wenzel, wurde Mittelpunkt der mittelalterlichen Staats- und dynastischen Tradition. 23

Gegen Ende der Romanik war Prag schon eine ausgedehnte Siedlung mit Marktplätzen, steinernen Kirchen und Klöstern, mit Handelshäusern und Adelspalästen. Die größere und bedeutendere Ansiedlung wuchs auf dem breiten und seichten rechten Moldau-Ufer. Diese Altstadt war mit der fürstlichen Burg und den darunter liegenden Siedlungen - der Kleinseite - zuerst durch eine hölzerne und später steinerne Brücke verbunden.
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Unter den Premysliden wuchs Prag mit der Macht im Königreich und dessen Bedeutung in Europa. Karl IV. ließ die Burgen und Stadtteile zu einer würdigen Metropole nicht nur Böhmens, sondern des Heiligen Römischen Reiches, ausbauen, dessen König und späterer Kaiser er wurde. Zu seiner Regierungszeit wurde die neue steinerne Brücke über die Moldau gebaut. Auf beiden Ufern stehen mächtige gotische Brückentürme aus der Bauhütte Peter Parlers. Prag hatte rund 50.000 Einwohner. Und Karl gründete die erste Universität auf dem Boden des damaligen Reiches bereits 1348, die ein gesuchtes Zentrum der gelehrten kirchlichen Opposition wurde. Deren gelehrte Polemiken und Diskussionsschlüsse wurden zu Vorboten der großen Revolte im Königreich.

Kurz nach Karls Tod wurde sein Sohn Wenzel IV. des Throns enthoben, und damit verlor Prag seine Bedeutung als Residenz. Nach dem Interregnum kam die Dynastie der polnischen Jagiellonen. Unter ihrer Herrschaft wurde das Bild des gotischen Prags (oben: der Dom St. Veit) und seiner Burg mit zahlreichen Kleinodien der spätgotischen Architektur vollendet. König Wladislaus Jagiello verlegte dann aber die Residenz nach Buda, nachdem er auch zum ungarischen König gekrönt worden war.

Zum ersten Ständeaufstand gegen Ferdinand I. kam es 1547. Nach der Niederschlagung nahm der Kaiser der Stadt ihre politische Macht und Autorität durch Einsetzung von Schultheißen und Obmännern. Die Selbstverwaltung im Altstädter Rathaus wurde diesen adligen Beamten untergeordnet.

Der zweite Ständeaufstand begann mit dem Sturz der katholisch-königlichen Statthalter Martinic und Slavata von protestantischen Aufrührern, die über die Bedrückung durch die katholische Kirche erbittert waren 24, aus dem Fenster im sog. Ludwigsflügel 1618 und endete mit der Niederlage der protestantischen Liga am Weißen Berg westlich der Stadt. Die Hinrichtungen auf dem Altstädter Ring leiteten die gewaltsame Rekatholisierung und Vertreibung der Protestanten ein. Damit, aber auch durch mehrfache Kriegshandlungen im Stadtgebiet, wurde Prag von einer Metropole zu einer Provinzstadt.

Nach Kriegsende wurde Prag barock. Der Vyšehrad wurde zur mächtigen Barockfestung ausgebaut, der erst zu Maria Theresias Zeiten seinen Höhepunkt erreichte. Erst 1784 wurden die Prager Städte: Altstadt, Neustadt, Kleinseite und Hradschin mit einem gemeinsamen Magistrat vereinigt. Auch das Ghetto, die „Židovské Mesto", wurde 1850 als „Josephstadt (Josefov)" eingegliedert. 1883 kam der Vyšehrad hinzu. - Heute hat Prag eine Fläche von 496 km² und mit etwa 1,3 Mio. Einwohnern eine ähnliche Größe wie München. 25

4.2 Unser Rundgang
Vom Steilhang der Burg aus genossen wir das großartige Panorama über die Stadt, wobei durch einzelne Wolkenlücken die Sonne wechselnde Teile der Dachlandschaft anstrahlte. Nach einem Mittagsmahl im Freien beim ehem. Prämonstratenser-Kloster Strahov erkundeten wir die Umgebung der vielen Adelspaläste: das Czernin-Palais, in dem es 1948 zum 3. Fenstersturz kam (danach wurde aus der CSR die CSSR), das Alte Rathaus mit dem Doppeladler, das Toskana-Palais (heute Teil des Außenministeriums), das Schwarzenberg-Palais mit seiner markanten schwaz-weißen Schraffur, auch das Lauenburgische Palais und Sternberg-Palais sowie das Erzbischofs-Palais.

Der Dom St. Veit wurde 1344 begonnen. Bis 1385 gestaltete Peter Parler (der Nachname der aus Gmünd stammenden Familie heißt auf Lateinisch „Sprecher", gemeint ist der Meister der Kölner Dombauhütte) den Dom mehr ornamental aus und flankierte ihn mit seinem monumentalen Glockenturm. Der heilige Veit, lateinisch St. Vitus, wird auch der Gruppe der vierzehn Nothelfer zugerechnet. Die Zahl seiner Patronate ist außerordentlich hoch. So war Vitus der Schutzheilige der Apotheker, Bergleute, Bierbrauer und Gastwirte, Küfer und Winzer (und sogar der Bettnässer). Er wurde bei Epilepsie (Veitstanz), Hysterie, Bessenheit, Tollwut, Schlangenbiss, Blitz und Unwetter und von Sterbenden angerufen. 26

Nach einem Abstecher in den Veits-Dom ging es im Eilmarsch vorbei am Ludwigsflügel der Burg mit dem „Sturzfenster" (das wir nicht sehen durften) und der 1.000 Jahre alten romanischen, barock vorgeblendeten Kirche St. Georg den Hang hinunter zum Wallenstein-Garten.

Der Park ist barock angelegt und eine Oase der Ruhe in der quirligen Stadt. Im Blickpunkt steht die monumentale „Sala terrena" von 1627. Vom Park aus eröffnet sich ein wunderschöner Blick auf die Prager Burg.

Über den Kleinseitigen Ring Magdeburgischen Rechts mit der von Dientzenhofer erbauten Jesuitenkirche St. Nikolaus marschierten wir zum Großpriorspalast des Johanniter-Ordens und dem Buquoy-Palast (heute französiche Botschaft). Ausgelassen haben wir jedoch das Palais Lobkowiz mit der deutschen Botschaft.

Uns saß die Zeit im Nacken, wollten wir doch vor 17:00 Uhr an der Astronomischen Uhr des Altstädter Rathauses sein. So schoben wir uns durch die Menschenmassen über die Karlsbrücke, waren auch durch rote Ampeln und querende Straßenbahnen kaum zu stoppen. Und tatsächlich sahen die meisten von uns - außer der Nachhut der „Koffeiniki und Nikotiniki" unter Führung von Oberst Kewitsch - das Wunderwerk der Technik in Aktion. Ein Abstecher führte uns zur alten Karolina-Universität sowie an den Südrand des Wenzelsplatzes und vorbei an der Alten Synagoge bis zum Hotel „Interconti" am Moldau-Ufer, wo uns nach geraumer Wartezeit der Bus wieder aufnahm.
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