3 Die Städte
3.1 Augsburg
Die Stadt Augsburg (Wappen von 1811 - 1985, danach ein neues, nicht schönes), nach München und Nürnberg drittgrößte in Bayern mit fast 300.000 Einwohnern ist kreisfrei, Verwaltungssitz des Landkreises Augsburg und des Regierungsbezirks Schwaben.
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Sie bildet eines der bedeutenden kulturellen und ökonomischen Zentren Süddeutschlands, sie hat einen katholischen Bischofssitz; Universität, Hoch- und Fachschulen, das Bayerische Institut für Angewandte Umweltforschung und -technik; Deutsche Barockgalerie (Gemälde-Sammlung), Museen, Freilicht-Oper, Marionetten-Theater; Maschinen- und Kraftfahrzeugbau, Luft- und Raumfahrttechnik, Metall verarbeitende, elektrotechnisch-elektronische und Textil-, Leder und Papier-Industrie sowie Flughafen. Der Maler Hans Burgkmair der Ältere, der Ingenieur Rudolf Diesel (siehe Kapitel 6.1), der Flugzeugbauer Wilhelm Messerschmitt und der Schriftsteller Bertolt Brecht (siehe Kapitel 6.5) wurden hier geboren. 15

Zur Regierungszeit des Kaisers Augustus wurde Raetien erobert und römische Provinz. Hier siedelte der keltische Volksstamm der Vindeliker, der zwischen Wertach (lateinisch Virda) und Lech (lateinisch Licus), ansässig war. Augsburg ging aus der 15 v. Chr. gegründeten römischen Legionskolonie Augusta Vindelicorum (oder besser Vindelicum) hervor, woraus sich sein Name herleitet. Wahrscheinlich Kaiser Trajan erhob den Ort zur Hauptstadt der Provinz Raetia. Vom Anfang der Ortschaft ist der Name „Aelia Augusta überliefert, der aber ab 150 n. Chr. zunehmend von der Bezeichnung „Augusta Vindelicum verdrängt wurde. 16

In Kaiser Hadrians Regierungszeit wurde der Ort zum Municipium. Ab dieser Zeit wurden vermehrt Gebäude aus Stein errichtet. Die Siedlung erhielt eine Stadtmauer, die ein Gebiet von ca. 80 Hektar umfasste. Das Ende der Römerzeit führte zum Verfall der antiken Stadt vom 3. bis 6. Jh. Aus der Antike sind - anders als z. B. in Trier - kaum Zeugnisse erhalten. Sie werden in einem Museum (siehe Kapitel 6.4) und als Spolien seit 1954 an der sog. Römermauer, querab vor der Südseite des Domes, ausgestellt. In Augsburg gefundene Steindenkmäler sowie das 6,90 Meter hohe Grabmal des Marcus Aurelius Carus von um 180/200 n. Chr. sind hier in Kopien aufgestellt. Originale Inschriftenplatten und Grabmäler sind im Innenhof und der Tordurchfahrt des Peutinger-Hauses am Dombezirk frei zugänglich.
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Mit dem Bistum entstand im 9. Jh. die mittelalterliche Stadt, die Bischof Ulrich 955 auf dem Lechfeld gegen die Ungarn verteidigte (Foto unten, mehr in Kapitel 2.2). Kaiser Friedrich I., Barbarossa, verlieh ihr 1156 Stadtrecht. Im Jahr 1276 wurde sie Reichsstadt. Augsburg war im 15. und 16. Jh. ein Mittelpunkt des deutschen Wirtschafts- und Geisteslebens (Fugger, Welser; Holbein d. Ä., Peutinger).

(Rechts: Plan von Augsburg um 1550, oben ist Westen.) Im Zeitalter der Reformation, der sich die Stadt anschloss, wurde auf dem Reichstag von 1530 die „Augsburgische Konfession" ausgearbeitet, 1548 von Kaiser Karl V. das „Augsburger Interim" erlassen und schließlich 1555 der „Augsburger Religionsfriede" geschlossen.
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Die „Augsburger Parität", nach der seit 1648 beide Konfessionen zusammen leben, und eine kluge Politik des Rates förderten Kunst und Handwerk.

Im 15. und 16. Jh. gelang es den Handelshäusern der Fugger und Welser, Augsburg wirtschaftlich an die Spitze Deutschlands zu bringen. Die Bankgeschäfte der beiden Familien entwickelten die Stadt zu einem der führenden Geldmärkte Europas. In den 2.500 Webereien wurden enorme Mengen an Leinen und Barchent produziert und exportiert. Augsburg war berühmt für seine feinen Gold- und Silberarbeiten. Nicht nur die Großbauten von Elias Holl zeigen die Abneigung der Augsburger gegen alle Äußerlichkeiten. Verschwenderische Pracht entfaltet sich nur innen. Das Denkmal auf dem Fuggerplatz ehrt nicht, wie man denken könnte, Jakob Fugger („Der Reiche"), sondern Johann (Hans) Jakob Fugger (1516 - 1575), einen Förderer der Kunst und Wissenschaft, einen Neffen von Jakob Fugger. Es ist das einzige Denkmal in Augsburg, das einen Fugger würdigt (Foto rechts). 17

Die Stadt wurde vom Dreißigjährigen Krieg stark in Mitleidenschaft gezogen, das einstige bedeutende Wirtschaftszentrum in Mitteleuropa befand sich im Niedergang. Rund die Hälfte der Bewohner verließ die Stadt (Foto unten: Giebelhäuser am Rathausplatz).
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Der hohe Rang der Reichsstadt Augsburg lief vor zwei Jahrhunderten ab. Vom zentralistisch denkenden Franzosenkaiser Napoleon wurde München als Residenz des neuen Königreiches Bayern bevorzugt. Mit einem Federstrich wurden 1803 im Reichsdeputationshauptschluss fast alle freien Reichsstädte abgeschafft. 18 Im 19. Jh. etablierten sich vor allem die Textil- und Metallindustrie. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt durch Bombenangriffe der Alliierten schwer beschädigt.

3.2 München
Auf eine ausführliche Darstellung der Landeshauptstadt Bayerns wird hier verzichtet. Wir unternahmen eine Führung mit Frau Petra Wucher, seit 30 Jahren für „stattreisen" tätig, beginnend am Isartor, in dem sich das Karl-Valentin-Musäum befindet. Weiter gingen wir über den Viktualienmarkt, vorbei am „Alten Peter zum Marienplatz und in die Frauenkirche. Den Weg durch die Hypobank-Passage zum Literatur-Haus und durch die Brienner Straße gingen wir gemeinsam, anschließend arbeiteten wir uns bei großer Hitze zum Karlsplatz und hier zur Glyptothek vor (sieh Kapitel 7.1).

3.3 Nördlingen
In der Mitte des Ries-Kraters, eingebettet in die fruchtbare Ebene, liegt die nahezu kreisrunde Große Kreisstadt. Bereits 1327 entstand die bis heute erhaltene Stadtmauer mit vollständigem Wehrgang; mit fünf Toren und elf weiteren Türmen bildet sie eines der ansehnlichsten Werke mittelalterlicher Festungs-Baukunst. 19

„Nordilinga" wurde im Jahr 898 zum ersten Mal urkundlich als karolingischer Königshof erwähnt. Unter der Herrschaft des Bischofs von Regensburg wuchs Nördlingen zum Markt heran. 20
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1215 wurde Nördlingen freie Reichsstadt - und blieb es bis zum Ende des Alten Reiches 1803. Im 15. und 16. Jh. gedieh sie zu einer tüchtigen Handwerker-, Handels- und Messestadt. Nördlingen war damals so wichtig wie Augsburg und Frankfurt und wurde reich. Die Stadt, an der Kreuzung zweier großer Handelsstraßen (Frankfurt/Würzburg - Augsburg und Nürnberg - Ulm) gelegen, stieg zum wichtigen Handelsplatz für Getreide, Vieh, Textilien, Pelze und Metallwaren auf.
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Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges wohnten in Nördlingen rund 8.500 Menschen. Die Stadt musste sich 1634 den kaiserlich-habsburgischen Truppen öffnen, wurde aber nach hohen Reparations-Zahlungen nicht von den siegreichen Truppen geplündert. Allerdings büßte die Stadt während und nach der Belagerungszeit durch Hunger und Krankheit über die Hälfte ihrer Bevölkerung ein, ihre einstige Einwohnerzahl wurde erst 1939 wieder erreicht. 21

Uns führte Dr. Rainer Merz entlang der Innenseite der Stadtmauer, die 2,7 Kilometer lang ist und dessen Unterhalt im Jahr rund 1,5 Mio. Euro kostet. Der mittelalterliche Bau der Mauer dauerte acht Jahre; zur Finanzierung wurde mit Erlaubnis von Kaiser Ludwig dem Bayern ein „Umgeld" auf Bier erhoben. 22 Ab 1803 begannen die Nördlinger, Teile der nun überflüssigen Stadtmauer abzutragen. 1826 stellte ein anderer Ludwig, König Ludwig I. von Bayern, die Mauer unter seinen Schutz und untersagte ihren weiteren Abriss. 23

Wir begannen am Deininger Tor, an der Handelsstraße nach Regensburg und Wien. In seiner heutigen Form wurde es 1517 errichtet. Während der Belagerung 1634 drangen kaiserliche Truppen in den Turm ein. Die Nördlinger zündeten den Turm daraufhin an. Makaber: Die Belagerer hingen sich wegen der Hitze außen an die Turmwand, bis sie hinunter stürzten - die Nördlinger verzehrten aus Not deren Fleisch. Die Stadtbürger kannten zwei große Ängste: Feinde und Feuer. Der heutige Turmaufbau samt den zwölf Rundbogen-Fenstern und der geschwungenen Dachhaube entstand gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges.

Auch Kuriositäten gibt es hier, so das einzige vollständig erhaltene Bordell in Deutschland in der Frauengasse, das städtische Gebäude hieß „Frauenhaus". Nach den Gerichtsakten, im Stadtarchiv auf 40 Pergamentseiten erhalten, wurden 1472 der städtische „Frauenwirt" Linhardt Freiermuth und seine Ehefrau Barbara Taschenfeind für schuldig gesprochen. Sie sollen eine Dirne zur Abtreibung gezwungen haben. Auch die Hexenverfolgungen sind gut dokumentiert. 1590 - 98 wurden 34 Frauen und ein Mann wegen Hexerei auf dem Scheiterhaufen hingerichtet.
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Wir kamen zum Löpsinger Tor, an der Handelsstraße nach Nürnberg, das dem Deininger (Foto links) ähnelt. Ein Kopf in der Decke der Durchfahrt erinnert an die Nördlinger Sage vom „So Gsell so", deren Schauplatz das Löpsinger Tor ist. Ein Dieb soll einen Wächter bestochen haben. Eines der Tore sollte er einen Spalt weit des Nachts offen lassen, damit der Dieb sich an dem Hab und Gut der Bürger bereichern könne. Ein Schweinchen, das irgendwo entwischt war, schlüpfte jedoch halb aus der Tür heraus. Es wurde dabei von einer Frau, die ihren Mann von der Wirtsstube abholen wollte, entdeckt. Natürlich brüllte sie die ganze Stadt zusammen, als sie das offene Tor bemerkte. Der Torwächter wurde festgenommen und gefoltert. Als er gestand, sprach die Frau zu ihm „So Gsell so", was wohl so viel heißt wie „Du Schlingel". 24 - Hier ist heute das Stadtmauermuseum untergebracht.

Unser unvollständiger „Rundgang" endete hinter der Mühle an der Eger beim Gerberhaus. Die typischen Gerberhäuser mit ihrem Fachwerk und ihren großen, nach vorne kragenden Trockenböden und offenen Galerien in den Obergeschossen sind als solche gut erkennbar. Wichtige Handwerke waren die Gerber und Loderer (= Weber). Die Lodenballen wurden mit Blei versiegelt. Zur besten Zeit im späten Mittelalter waren hier rund 150 Gerber tätig, sie arbeiteten mit Urin und Eichenrinde. Hier hatte jeder Meister Werkstatt und Wohnung unter einem Dach, Äscher- und Lohgruben sowie manchmal ein Werkhaus meist direkt vor der Haustür. Durch die Kombination von Arbeits- und Wohnraum formten Gerber mit ihrem Handwerk über Jahrhunderte hinweg ein markantes Stadtviertel. Die letzte Gerberei wurde 1961 geschlossen. 25

Wir besuchten nach der Stadtführung das Ries-Museum (siehe Kapitel 7.3). Zu Mittag aßen wir Ries-Bratwürste vor dem „Gasthaus zur Sonne", seit 1405 Fürsten-Herberge.

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