2.9 Eger/Cheb
Wallenstein fand bekanntlich in Eger sein Ende - unsere Exkursion ebenfalls. Bevor wir die Zeugnisse vom Weg in den Tod des Generalissimus betrachten, einige Informationen zur Stadt Eger. Sie liegt am Fluss Eger und bildet das Zentrum des Egerlandes.

Bereits 1061 wurde Egire in einer Urkunde von König Heinrich IV. genannt. Nordbayrische Grafen hatten hier eine Burg errichtet. Diese brachte ein Jahrhundert später Friedrich I. Barbarossa in seine Macht, diese spiegelt sich in seiner auch als Ruine imposanten Kaiserpfalz wider. Friedrich II. unterzeichnete dort am 12. Juli 1213 die Goldbulle von Eger, welche die Rechtsstellung der Bischöfe des Reiches gestärkt und den Kirchenstaat vergrößert hatte. 1242 erhielt Eger Nürnberger Stadtrecht, und 1277 wurde es Freie Reichsstadt.
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Im 14. Jh. wird auch schon der tschechische Name erwähnt, sogar im selben Text, „Egra in boemica lingua Cheb". Dieser soll von „Ohyb", also Biegung, abgeleitet sein, was der Verlauf des Flusses nord- und westlich der Stadt nahelegt. Eger ist eine indogermanische Form von „Agria" und bedeutet „der stark strömende, wilde Fluss". 25 Frau Jitka (entspricht Jutta, unsere Stadtführerin, die sich viel Zeit für uns nahm und sehr kundig berichtete) übersetzte den keltischen Namen mit „lebend Wasser mit vielen Fischen".

Die Lage im Drei-Länder-Eck zwischen Böhmen, Bayern und Sachsen ließ den Handel und mit ihm das Handwerk gedeihen. Eger war katholisch, kämpfte gegen die Hussiten, schloss sich später der lutherischen Reformation an, geriet dadurch unter massiven Druck des Kaisers Rudolf II., welcher der Stadt die zugestandene Religionsfreiheit versagt und 1626 auch in Eger die Gegenreformation durchgesetzt hat.

Vor hundert Jahren hatte Eger bereits 26.700 Einwohner, davon nur 133 Tschechen. Im Jahr 1919 kehrten sich die Machtverhältnisse um - die Deutsch sprechende Mehrheit an den Rändern Böhmens kam unter tschechische Herrschaft. Auch 1930 war Eger eine rein deutschsprachige Stadt. Von Oktober 1938 bis Mitte 1945 war das Sudetenland genannte Gebiet mit Eger in das Deutsche Reich einverleibt. Am 20. April 1945 griffen amerikanische Soldaten an und eroberten Eger; darauf weist eine Plakette im Treppenhaus des Rathauses hin.
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Nach den Beneš-Dekreten wurden die deutsch-böhmischen Einwohner enteignet und vertrieben - es kamen Neubürger aus Zentral- und Südböhmen, Mähren, Slowaken, Ukrainer, Rumänen sowie Roma nach Cheb. Sie kauften zunächst Hausgrundstücke, wurden aber 1948 von den Kommunisten enteignet. Heute leben hier rund 32.600 Menschen.

Von der Burg - der einstigen Kaiserpfalz - sind noch der Schwarze Turm, die romanische Doppelkapelle des Hl. Erhard und der Hl. Ursula erhalten (Foto unten links). In diesem Bauwerk (einem der wenigen neben den vergleichbaren auf der Neuenburg an der Unstrut und an der Pfalz in Goslar) verbindet eine achteckige Öffnung die beiden Geschosse mit ihren vier Säulen (Foto unten rechts).
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Außer dem Burgwall über der tief eingetalten Flussniederung sind ferner die Mauern mit bis zu fünfteiligen Fenstern vom Palas erhalten, worin die Generäle Wallensteins nach dem Essen umgebracht wurden (Bild links). Die Grünanlagen im Tal wurden in einer grenzüberschreitenden Landesgartenschau gärtnerisch hergerichtet.
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Etwas versteckt, am Nordrand des Marktplatzes, steht die St.-Nikolaus-Kirche. Der Deutsche Ritterorden hatte in der ursprünglich romanischen Basilika - das Westportal blieb erhalten - die geistige Pflege inne. Die jetzige dreischiffige, 50 Meter lange und 30 Meter breite, Halle sowie Presbyterium und Sakristei stammen aus gotischer Zeit. 26 Vor einem Maria-hilf-Bild, einer Kopie des Originals von Lucas Cranach in Ingolstadt, an der Nordseite betete Kaiser Leopold, als 1683 die Türken vor Wien standen. Nach dem Brand 1742 wurden zwei Türme mit Barockkuppeln nach einem Entwurf von Balthasar Neumann errichtet. In Folge eines weiteren Brandes von 1809 erhielt die Kirche ihre schönen Buntglasfenster sowie eine historistische Inneneinrichtung im neogotischen Stil (Altar, Chorgestühl und Orgel). Die Turmdächer waren nach Beschuss Ende des letztes Krieges verbrannt und erst 2008 erneuert worden. - Wir hatten Mühe, in die düster wirkende Kirche zu gelangen, denn es fand sich eine Dreiviertelstunde lang niemand, der uns hätte aufschließen können. Licht schaltete auch bei unserem zweiten Versuch keiner ein.

Geradezu eine Pilgerstätte der Anhänger des Generalissimus Wallenstein ist das Stadtmuseum, ebenfalls am Südende des lang gestreckten Marktplatzes. Es wurde bereits 1873 mit Erinnerungsstücken - sein ausgestopftes Pferd, Sattel, Reitstiefel und Partisane, mit welcher er erstochen wurde - an den großen Mann sowie kunsthandwerklichen Sammlungen gefüllt und der Öffentlichkeit übergeben. Sein Sterbezimmer wurde nachgebildet, und alles an historischer Stätte: In diesem Haus eines Freundes, erbaut um einen idyllischen Innenhof (der barocke Balkon und die Holztreppe sind spätere Zutaten), kam Wallenstein bei seinem dritten Aufenthalt um sein Leben.
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Vor Nikolaus-Kirche und Pachelbel-Haus steht eine Besonderheit: das Egerer Stöckl. Dieses Wahrzeichen ist ein Komplex von elf eng stehenden, teilweise in Fachwerk ausgeführten Häusern, in denen jüdische Kaufleute wohnten. Zuerst waren es niedrige Buden, die „aufgestöckelt" wurden. Auf dem langen Platz stehen zwei Marktbrunnen, der untere mit einer Herkules-, der obere mit einer Roland-Statue (Fotos auf dieser Seite oben).

Zwischen dem Altstädter und Neustädter Markt ragt eine rostige Eisenplatte in den Himmel, das „Tor der Zeit", das sich wie der Zeiger einer Uhr langsam dreht. Mitten durch die 800 Meter lange Marktstraße, den Fußgängern vorbehalten, zieht sich das ebenfalls eiserne Band der Geschichte mit der Stadtchronik - vorbildlich! Die - vormals deutschen, wieder sehr gepflegten - Häuser in der Altstadt stehen noch immer im Eigentum der Stadt und sind vermietet. Das Barock-Rathaus ist jetzt eine Kunstgalerie. Etwas weiter abwärts steht das letzte erhaltene gotische Steinhaus. Frau Jitka erklärte uns die immer zwei Hausnummern überall in Tschechien: Sie wurden von Kaiserin Maria Theresia zum Zwecke der Besteuerung eingeführt, eine rote und eine blaue, eine für die fortlaufende Nummer des Katasters im Ort, die andere mit 1 in jeder Straße beginnende.

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