2.6 Pilsen/Plzen
Pilsen - bei diesem Namen läuft den meisten Biertrinkern das Wasser im Mund zusammen (weniger bei mir als Schwarzbier-Liebhaber). Das Pils, Pilsener Bier oder Bier nach Pilsener Brauart hat von hier seinen Namen. Ihr dunkles, trübes, warm vergorenes Bier waren die Pilsener Anfang des 19. Jh.s leid. Das „Bürgerliche Brauhaus" holte 1842 den Braumeister Josef Groll - aus Bayern natürlich. 19  Das Pils ist ein untergäriges Bier mit höherem Hopfengehalt und bis zu 12,5 % Stammwürze. Schonend gedarrtes und somit sehr helles Malz, langsame sehr kalte Gärung sowie lange Lagerung in Höhlen und Kellern sind kennzeichnend. Der Erfolg dieser Braumethode ging mit der Entwicklung wirtschaftlich arbeitender Kältemaschinen einher. Pilsener Urquell - nach dem Geschmack etlicher Tschechen und Deutscher eines der besten Biere der Welt.
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Die moderne Großstadt mit fast 170.000 Einwohnern ist die viertgrößte in Tschechien; sie wirbt schon als Kulturhauptstadt Europas 2015. Neben der Brauerei sind hier die Škoda-Werke - einst die wichtigste Waffenschmiede Österreich-Ungarns - ansässig. Übrigens: Die einstige Maschinenfabrik wurde von einem Graf Ernst von Waldstein gegründet und 1869 vom Ingenieur Emil von Škoda gekauft.
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Nach dem Willen von König Wenzel II. sollte Pilsen 1295 eine der größten und bedeutendsten Städte in Böhmen werden; er teilte ihr nach Prag die zweitweiteste Landfläche zu. Die Straßen sind extra breit angelegt, der Hauptmarkt zählt mit 139 x 193 Metern zu den größten Marktplätzen Europas. Schließlich liegt die Stadt am Handelsweg von Prag nach Westen, der sich hier nach Eger, Nürnberg und Regensburg teilt. Gehandelt wurde mit Rindvieh, das aus ganz Böhmen nach Bayern (!) ausgeführt wurde. 20  

1417 wurde Pilsen zum Zentrum der radikalen Hussiten. Nach der Blockade durch den katholischen Adel wechselte die Stadt wieder zum Katholizismus, fünf Versuche, dies zu verhindern, scheiterten. Ein erbeutetes Kamel - Glücksbringer der Hussiten - kam ins Stadtwappen. Dort finden sich auch eine Windhündin, die päpstlichen Schlüssel und ein Ritter als Zeichen der Treue zu König und katholischer Kirche; 21 alles wird mit einem Herzschild einer Burg belegt.

Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges blieb Pilsen dem Kaiser treu, doch Ernst von Mansfeld nahm sie für mehrere Jahr ein. Die Folgen waren Armut und Schuldenberge. Auch die Quartierung einer kaiserlichen Armee 1631 belastete die Bürger schwer. Nach dem Krieg lag jedes dritte Haus wüst. Der Fernhandel war zum Erliegen gekommen, die Erholung brauchte ein volles Jahrhundert.
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Prägendes Bauwerk ist die mitten im Marktplatz stehende St.-Bartholomäus-Kathedrale (Foto links). Ihr 102 Meter hoher Turm ist der höchste Kirchturm Böhmens. Das gotische Bauwerk des Langhauses ist dreischiffig angelegt. Außen am Chor ist der Gethsemane-Altar angebaut. Ein zweiter Turm blieb unvollendet. Das Rathaus an der Ostseite wurde von einem Italiener Mitte des 16. Jh.s Im Stil der Renaissance errichtet.

Unsere Stadtführung begann östlich der Altstadt auf einem Parkplatz und führte zunächst zu den frisch angelegten Grünanlagen des Stadtparks, der Pilsen wie ein Halsband umschließt. 22  Das lang gezogene weiße Gebäude der Fleischbänke von 1392 dient heute als Ausstellungsraum der Westböhmischen Galerie. Der Weg zum Marktplatz war etwas beschwerlich, weil Straßenbahn-Bauarbeiten ein Durchkommen einengten. Wir gingen alsbald in das Rathaus (das größte im Foto oben rechts), wo uns ein gutes und großes Stadtmodell ausführlich erklärt wurde. Viel mehr ergab der Stadtrundgang für uns leider nicht. Die Bartholomäus-Kirche erkundeten wir anschließend selbst. Und am Brauereimuseum mit Bierprobe - sicherlich sehens- und erlebenswert - mussten wir vorbei gehen.

2.7 Mies/Stríbro
Mies am Fluss Mies - nie gehört, eine Stadt und einen Fluss dieses wenig ansprechenden Namens. Dennoch: Herr von Wallenstein verbrachte hier seine drittletzte Nacht, auch wenn hier niemand davon weiß. Dr. Budesheim weist darauf hin, die Ortsangaben in der Biografie von Golo Mann seien teilweise falsch, obwohl er dreißig Jahre daran gelesen und geschrieben habe.

Diese Kleinstadt, deren seit dem 14. Jh. bekannter tschechischer Name Stríbro übersetzt „Silber" bedeutet, was auf den im Spätmittelalter hier betriebenen Silberbergbau hinweist, hat heute etwa 7.700 Einwohner. 23
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Ihren Marktplatz (Bild links) hat sie frisch renoviert, ebenso wie die meisten hübschen Hausfassaden. Das an der westlichen Schmalseite aufragende Rathaus (Foto unten rechts) mit seinen drei Giebeln der Spätrenaissance weist erstaunliche Sgraffito-Bilder auf, die wie Holzschnitte im Großformat wirken.

Gegründet wurde Miesa als feste Stadt bei einem gleichnamigen Dorfe, angeblich als Bollwerk gegen die Einfälle von Deutschen, im Jahr 1131. Die Kirche gehörte mit ihrer Kommende dem Johanniter-Orden. Einem Stadtbrand 1479 überstand nur das außerhalb gelegene Brauhaus. 1541 wurde die Reformation angenommen, etwas später wurden die verfallenen Silberbergwerke wieder eröffnet. Im Zuge der Gegenreformation ab 1620 wanderten immer mehr deutsche Bergleute in die weitgehend von Tschechen bewohnte Stadt ein. - Wir nutzten den sonnigen Nachmittag zu einer Rast in einem der kühlen Kellerlokale oder am Marktplatz und lauschten um drei Uhr dem romantischen Glockenspiel.
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2.8 Plan/Planá u Mariánských Lázní
An der Kleinstadt Plan mit ihren rund 5.500 Einwohnern nahe Marienbad wären wir vermutlich achtlos vorbei gefahren - hätte nicht Wallenstein hier seine letzte Nacht verbracht.

Diese Stadt renoviert zur Zeit ihren 300 Meter langen Marktplatz, an den sich ihr Rathaus und rund zwanzig hübsche, meist nur zweigeschossige Bürgerhäuser reihen. Der Sage nach soll hier einst ein Turnierplatz gelegen haben, auf dem Ritter ihre Kräfte maßen. Im späten Mittelalter erlebte Plan seine Blütezeit mit Bergbau und besaß das Münzrecht. Nach dem Dreißigjährigen Krieg brauchte sie ein halbes Jahrhundert, um sich von den Schäden zu erholen. Vor hundert Jahren lebte sie vor allem vom Holz- und Kohlenhandel. 24
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Wir arbeiteten uns von Ost nach West vor, umgingen die Himmelfahrts-Kirche und kamen zu einem schlossähnlichen Gebäude mit einer Schule darin. Doch hier waren wir falsch. Das Schloss, in welchem die Hauptperson der Reise einst nächtigte, liegt weiter nördlich, recht versteckt. Die einstige Burg wurden von den Grafen Schlik zum Renaissance-Schloss umgebaut, reichlich ein Jahrhundert später zur Barockanlage erweitert und überformt.
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In der Zeit des Kalten Krieges diente es als Kaserne für den Grenzschutz. Zur Straße breitet sich ein verwitterter gelber Schweifgiebel eines Nebengebäudes aus - leider hinter einem hässlichen Blechtor. Wir waren schon umgekehrt, als ein Mitreisender rief, er habe das Tor geöffnet. So ermutigt, drangen wir ein - und mussten das Barockschloss als Ruine wahrnehmen. An dem von uns umrundeten Dreigeschosser waren einige Fenster eingedrückt, der Putz bröckelt, und ein Blick ins Innere lässt uns erschaudern. Die Privatisierung will seit zwanzig Jahren nicht gelingen, schade bei dieser herrlichen Lage (Foto oben links).

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