2.5 Prag/Praha
Anders als zwei Jahre zuvor bereiste Dr. Budesheim mit einer Gruppe nicht für eine ganze Woche, sondern für zwei Nächte und einen Tag die Hauptstadt Prag. Ziel ist diesmal vor allem das Schloss mit der Sala Terrena und der Park von Albrecht von Wallenstein auf dem linken Moldau-Ufer, der sog. Kleinen Seite. Unseren abendlichen stadthistorischen Rundgang begannen wir nahe unseres neuen Hotels beim Pulverturm, gingen weiter zum Altstädter Rathaus und zur Teyn-Kirche und blickten kurz ins Judenviertel. In der warmen weichen Abendsonne ließen wir es uns in einem der zahlreichen Straßenlokale gut gehen.
Bildname
Bildname

Am vollen Tag sollte die Stadt von Ost nach West komplett durchwandert werden. Wir begannen auf dem Platz der Republik am leicht über Eck stehenden sog. Gemeindehaus (Foto rechts), besser Gesellschaftshaus, einem extravaganten monumentalen Jugendstilbau aus dem Jahr 1912 mit sechs Sälen. Der größte Saal ist der Smetana-Saal mit 1.500 Plätzen, wo 1918 die Tschechoslowakische Republik ausgerufen wurde. 13 Wir begingen innen nur kurz das schmucke Treppenhaus. Direkt daneben ragt der düstere gotische Pulverturm auf.

Weiter gingen wir zum klassizistischen Ständetheater. Hier im Herzen der Altstadt wurden zwei Opern von Wolfgang Amadeus Mozart uraufgeführt. Daneben finden wir einen gotischen Erker, der aus einer barocken Hauswand hervorlugt. Nur er blieb vom Ursprungsbau einer ehemaligen privaten Hauskapelle erhalten, die wahrscheinlich um 1380 errichtet worden war. Die am 7. April 1348 von Kaiser Karl IV. gegründete Prager Universität, das „Collegium Carolinum", verfügte zunächst nicht über ein Lehrgebäude, sondern es wurde in Privathäusern und Klöstern gelehrt. Erst 1383 stiftete Wenzel IV. der Universität ein eigenes festes Haus. 14
Bildname
Bildname
Dann verliefen wir uns etwas und gerieten weit nach Süden, fast bis zum Nationaltheater an der Moldau. Wir wollten jedoch in die Neustadt, wo wir schließlich die Betlehemskapelle fanden. Sie war einst Predigtstelle von Jan Hus. Was wir heute sehen, ist ein Nachbau.

Nun richteten wir uns wieder zur Altstadt aus und steuerten die Teyn-Kirche (Foto links, links davor das Jan-Hus-Denkmal im Schatten) an. Sie steht nicht direkt am Altstädter Ring, sondern hinter einer Häuserzeile. 1365 begann man mit dem Bau des dreischiffigen, gotischen Langhauses, auch „Kirche der Jungfrau Maria vor dem Teyn" genannt. Das Tympanon über dem Nordportal schuf Peter Parlers Hütte 1390, es stellt die Leiden Christi dar. Der vom Markt aus gesehen rechte Turm ist ein klein wenig dicker als der linke. Der rechte wird gemeinhin als Adam bezeichnet, der linke als Eva; der höhere ragt 80 Meter auf. Versteckt hinter einem Pfeiler rechts vom Hauptaltar steht das Grabmal des am Hofe des Kaisers Rudolf II. wirkenden dänischen Astronomen Tycho Brahe aus dem Jahr 1601. 15

Wir gehen auf den Altstädter Ring. Als Ring werden im oberdeutschen Sprachraum weithin Marktplätze bezeichnet, die sich nicht immer um das Rathaus ausbreiten müssen (wie z. B. in Breslau). Vorm Rathaus sind im Pflaster Kreuze eingelassen für die 24 geköpften Adligen und drei gehängten Bürgerlichen nach der verlorenen Schlacht am Weißen Berg; Wallenstein saß bei der Hinrichtung auf einer Bank. Im Platz lagert das wenig schöne Bronzedenkmal für Jan Hus. Die Hussitenkirche St. Niklas, das Palais Kinský, das Haus „Zur Steinernen Glocke" und andere sehenswerte Gebäude umgeben den Platz.

Das historische Rathaus ist an der Südseite am schönsten, vor allem der gotische Turm mit seiner astronomischen Uhr von 1410 wird gern bestaunt und auch bestiegen. Das Rathaus selbst wurde im gotischen Baustil mit Rund- und Spitzbogenfenstern ausgestattet. Die Westseite, also rechts vom Turm (im Foto), wirkt seltsam mit nur einer Fensterachse und dem Lindenhain daneben. Während des Prager Aufstandes im Mai 1945 wurde das Rathaus stark beschädigt, nach dem Krieg jedoch umfassend restauriert. Der ausgebrannte neogotische Anbau wurde jedoch abgebrochen; hier liegt heute ein kleiner Park mit einer Gedenkstätte für die Gefallenen des Aufstandes.
Bildname
Bildname
Wir gingen weiter durch das Clementinum, einst die Niederlassung der Jesuiten. Dr. Budesheim wies darauf hin, dieser Orden wollte ursprünglich in Palästina die Muslime bekehren, später erst die Protestanten.

Unser Weg führte unvermeidlich über die Karlsbrücke. Dieses Bauwerk über die Moldau verbindet seit 1357 die Altstadt mit der Kleinseite. Zuerst gab es eine Furt etwas flussaufwärts. Im 10. Jh. wurde erstmals eine Holzbrücke erwähnt. In der zweiten Hälfte des 12. Jh.s wurde die erste, romanische Steinbrücke erbaut; von ihr blieb noch der linksseitige Torturm. Die von Karl IV. begründete heutige gotische Brücke mit 16 Bögen ist 516 Meter lang und durchschnittlich zehn Meter breit. Im 18. und 19. Jh. wurden 30 barocken Heiligen-Figuren aufgestellt. 16

Auf der Kleinseite angekommen gingen wir in die Nikolai-Kirche, auch St.-Nikolaus-Kirche. Diese prachtvolle Barockkirche von 1703 bis 1754 mit 70 Meter hoher Kuppel und ihrem Glockenturm zeigt innen vor allem ein 1.500 Quadratmeter großes Deckenfresko der Apotheose des Hl. Nikolaus.

Nun kamen wir in den Wallenstein-Palast. Der Festsaal für den Senat (Foto auf der Übersichtsseite mit dem Inhaltsverzeichnis) ist nur am Wochenende für Besucher zugänglich, weshalb Dr. Budesheim für unseren Prag-Aufenthalt den Sonnabend gewählt hatte. Der Palast wurde in den Jahren 1623 bis 30 im Auftrag von Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein im Stil des frühen böhmischen Barocks erbaut.
Bildname

Angebaut ist die Loggia nach italienischen Vorbildern (Foto oben rechts). Die Wandgemälde zeigen Motive aus der Äneis und olympische Götter, bei denen Neptun und Mars hervorgehoben werden. Sie verherrlichen - ähnlich wie im Festsaal - Wallenstein als Feldherrn, indem sie an dessen kriegerische Erfolge erinnern. Außerdem verdeutlichen sie auch dessen Bestrebungen, in Nordeuropa eine große Seemacht zu schaffen. Ein weitläufiger Garten mit Neptun-Brunnen, Bronze-Figuren, einer Vogel-Voliere und einer seltsam wirkenden grauen Grottenwand ist der Loggia vorgelagert. Nach der Ermordung Wallensteins 1634 wurde der Palast konfisziert, aber später von seinem Neffen Maximilian zurück erworben. Er blieb im Besitz der Familie Waldstein bis 1945 und wurde danach erneut enteignet. Seit 1992 hat der Senat des Parlaments der Tschechischen Republik hier seinen Sitz. 17

Der bequemste Weg zum Hradschin führt mit der Straßenbahn Linie 22 nach oben. Die Geschichte der inzwischen größten Burganlage Europas reicht bis ins 9. Jh. zurück. Sie gehört mit der Altstadt zum Weltkulturerbe der UNESCO. Wir bekamen die Tickets für den „kleinen Burgrundgang", mit Altem Veitsdom, Königspalast, Georgsbasilika und Goldenem Gässchen für 250 Kronen.
Bildname

Wir begannen im Veitsdom, auch Kathedrale St. Vitus genannt. 1344, nachdem Prag Sitz eines Erzbischofs geworden war, begannen die Bauarbeiten. Sie dauerten sechs Jahrhunderte, denn erst 1929 wurde der Westteil fertig, die Türme sind somit neugotisch. So groß ist der Veitsdom: 124 Meter lang, am Querhaus 60 Meter breit und das Mittelschiffdach 60 Meter hoch. Der Südturm ragt 99 Meter auf. Besonders stark mit Wandbildern und sogar Halbedelsteinen geschmückt ist die Wenzelskapelle an der Südseite aus dem 14. Jh. 18

Der Alte Königspalast hat seinen Eingang gegenüber vom Südturm. Größter Raum darin ist der Vladislav-Saal mit seinem gotischen Netzgewölbe von 1500, er ist 62 Meter lang, 16 Meter breit und 13 Meter hoch. Hier wurden Könige gewählt und Ritterturniere abgehalten. Ganz wichtig für unser Thema war der Kanzleiraum im Ludwigsflügel.
Bildname
Aus einem Fenster (damals sicher viel kleiner als heute) wurden 1618 die kaiserlichen Statthalter in den Burggraben geworfen; dieser „Prager Fenstersturz" gab den Auftakt zum Dreißigjährigen Krieg. Dr. Budesheim vermutet damals eine abgeschrägte Mauer unter dem Fenster, auf der die Männer 16 Meter hinunter rollten bzw. rutschten, nicht aber auf einen Haufen bzw. Wagen mit Mist fielen.

Ältestes Gebäude auf der Prager Burg ist die St.-Georgs-Basilika. Sie entstand bereits um 920 im romanischen Stil (Foto vom Innenraum). Die rote Fassade im Barockstil wurde vorgeblendet. Innen erlebt man etwas düstere, aber formreine Romanik.

Direkt an die Wehrmauer gelehnte kleine Häuschen stehen am „Goldenen Gässchen". Doch dieser gepflasterte Weg ist kaum zu sehen vor lauter Touristen. Mit Mühe erheischt man einen Blick in eine der musealen Handwerksstuben oder eines der Lädchen.
Bildname

Der Name kommt womöglich von Alchimisten, die für Kaiser Rudolf II. Gold machen sollten. In Haus Nr. 22 lebte Franz Kafka 1916/17. Dr. Budesheim erzählt uns, zuerst hätten sich die Wächter in ihren Freiwachen kleine Unterstände und Buden aufgebaut und dann sich mit einfachem Handwerk beschäftigt.

Den Rest des sonnigen Nachmittags hatten wir frei. Verschiedene Treppen und Wege führten zurück zur Altstadt durch Parks. Unser Grüppchen blieb noch oben im frisch angelegten Weinberg, um ein Glas kühlen Weißwein zu trinken. Langsam gingen wir zurück an der Terrasse mit herrlichen Ausblicken über die Stadt und kamen am Hradschiner Platz wieder heraus. Wir betrachteten die Sachsen-Lauenburger Wappen am Toskanischen Palast und arbeiteten uns nach oben bis zum Strahov-Kloster. Von dort fuhren wir mit Straßenbahn und Metro zurück.

zurück   Übersicht   weiter