2 Ein Dorf und die Städte
2.1 Zittau
Die deutsche Stadt Zittau ist die südlichste der Oberlausitz, welche einst zu Böhmen gehörte. Sie hatte nach dem letzten Krieg 47.000 Einwohner, verlor davon insbes. nach der Wende fast die Hälfte und hat jetzt nur noch 26.000. Die Oberlausitz, ein Gebiet zwischen den Flüssen Pulsnitz im Westen und Queis im Osten, dazwischen die Spree und (Görlitzer) Neiße, reicht bis nach Bad Muskau, bekannt durch des Fürsten Pückler Gartenreich. 5 1346 gründeten die fünf königlichen Städte der Oberlausitz Bautzen, Lauban (heute polnisch Luban), Löbau, Görlitz, Kamenz und das damals noch böhmische Zittau den Sechsstädtebund.
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Die vereinigten Kräfte sollten den Landfrieden sichern und gegen das adlige Raubrittertum vorgehen. Das Wappen zeigt noch heute zweimal den doppelschwänzigen silbernen Löwen auf rotem Grund für Böhmen, dazu zweimal den schwarzen schlesischen Adler mit Brustspange und -kreuz auf goldenem Grund, im Herzschild ein Z. 6

Bereits 1238 wurde Zittau in einer Urkunde des Zisterzienser-Klosters Marienthal erwähnt. König Ottokar von Böhmen legte Stadtgrenze und -mauer 1255 fest und verlieh das Stadtrecht. 1348 kam Zittau erstmals an Sachsen, als Kaiser Karl IV. es als Sicherheit gab, wovon sich die Stadt zehn Jahre später frei kaufte.

Durch den Prager Frieden von 1635 wurde Zittau wieder Sachsen zugeordnet. Im Siebenjährigen Krieg löst die Beschießung durch österreichische Truppen den letzten großen Stadtbrand aus, dem u.a. die Johanniskirche und das Rathaus zum Opfer fielen. Erst 1845 wurde das heutige Rathaus mit den tudorgotischen Ecktürmchen und klassizistischen Rundbogenfenstern im Stil der Neorenaissance nach ursprünglichen Plänen von Schinkel eingeweiht. Der preußische Oberbaudirektor Karl Friedrich Schinkel wurde auch für die St.-Johannis-Kirche hinzugezogen, der mit der Bauleitung seinen Schüler Carl August Schramm beauftragte. Schinkelsch wirkt auch die Baugewerbeschule mit drei Stockwerken und gotischen Spitzbögen. Schramm war hierfür ebenso tätig wie für das Rathaus. 7

Bekannt ist das Große Zittauer Fastentuch, für das die ehemalige Kirche Zum Hl. Kreuz (gleich hinter der Sparkasse, durch den Prof.-Kiesow-Weg) seit 1999 als Museum ausgebaut ist; das hundert Jahre jüngere Kleine Fastentuch wird im Kulturhistorischen Museum gezeigt. Das Große Fastentuch war ab 1472 zwei Jahrhunderte lang in Gebrauch, um in der Passionszeit den Altar zu verhängen.

Unser netter Stadtrundgang mit Frau Karla Rößler am ersten Abend führte zuerst zur Fleischerbastei mit Blumenuhr und dem Meißner Porzellanglockenspiel. Wir kamen vorbei am Dornspachhaus am Markt, einem Renaissancebau von 1553, dessen Name sich von seinem Bauherrn Bürgermeister Nikolaus von Dornspach herleitet, der Innenhof mit seinem Umgang mit Loggien, bestehend aus ionischen Säulen, dient seit 15 Jahren als historisches Wirtshaus (wir haben dort gut zu Abend gegessen).

Frau Rößler empfahl uns Teichelmauche, Stampfkartoffeln mit Rindfleisch. Einige Lokale gibt es auch in der Neustadt (vor der Sparkasse), wo das Zentrum vom Salzhaus eingenommen wird. Das Salzhaus bedeckt eine Grundfläche von 53 mal 25 Meter bei einer Höhe von knapp 30 Metern. Es besitzt acht Geschosse und 340 Fensterflächen und gehört damit zu den bedeutendsten Speicherbauten Deutschlands. 8

Mit dem Nachtschlaf im Hotel „Schwazer Bär" war es für einige von uns, die ihr Zimmer zum Ottokarplatz hatten und ihr Fenster offen ließen, so eine Sache. Auf dem Stadtring veranstalteten junge Leute nach Mitternacht ein Autorennen, worüber auch die örtliche Tageszeitung berichtete.
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2.2 Gitschin/Jicin
Die Kleinstadt ohne deutschen Namen, aber deutschen Schreibweisen wie Jitschin oder Gitschin, hat ihren Namen vielleicht von der Königin Guta von Habsburg. Sie liegt zwischen Prag und dem Riesengebirge, am Rand des sog. Böhmischen Paradieses. Ein Fernhandelsweg führte im Mittelalter von Königgrätz durch Gitschin nach Zittau. Heute leben hier rund 16.300 Einwohner.
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Vermutlich wurde dieser Ort Ende des 12. Jh.s angelegt. Anfangs in königlichem Besitz, gelangte Gitschin nach mehreren Herrschaftswechseln 1437 für 15 Jahre an Beneš und Hašek von Waldstein. Etliche Herrschaften kamen und gingen, bis nach Erbstreitigkeiten 1620 eine kaiserliche Delegatin erschien, doch während der Verhandlungen flog das Schloss bei einer Explosion von Schießpulver in die Luft. Angeblich soll eine der beiden Erbinnen, Elisabeth, mit einer Fackel ins Kellergewölbe gestiegen sein. Im Jahr darauf wurde der Feldherr Wallenstein Vormund ihres geistesschwachen Bruders. Nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) erwarb Albrecht von Wallenstein diese Herrschaft, zunächst als Pfand von Kaiser Ferdinand II, zwei Jahre später durch Kauf vom Fiskus.

Wallenstein beabsichtigte, Gitschin als Residenzstadt seines neuen Herzogtums Friedland auszubauen. Er entwarf groß angelegte Pläne, Stadt und Umgebung zu einer frühbarocken Anlage umzugestalten. Ab 1621 kaufte Wallenstein mehr als hundert der etwa zweihundert Bürgerhäuser auf. Ein italienischer Architekt arbeitete 1633 einen Bebauungsplan mit repräsentativen Bauten, einem Residenzschloss, einer der Kathedrale von Santiago von Compostela nachempfundenen Kirche und einer Villa vor der Stadt aus. Regierungs- und Verwaltungsgebäude sollten das neue Handwerkerviertel abrunden, in welchem Güter zur Versorgung der Truppen angefertigt werden sollten. Jesuiten und Kartäuser wurden geholt, sogar ein Bischofssitz sollte eingerichtet werden. Doch im Jahr darauf kam Wallenstein ums Leben - Gitschin sank wieder auf den Rang einer Provinzstadt ab. 9

Wir besuchten das Schlossmuseum, wo uns eine sehr junge Frau, die Gymnasiastin Viola, führte und kurz und prägnant alles erklärte, was mit Wallenstein zu tun hat; unsere Mitreisende Dana Oppelt übersetzte für uns. Sie begann an einem robusten Stadtmodell mit Häusern aus Holzklötzen, die sie aufhob und wieder aufstellte, um verschiedene Bauepochen zu verdeutlichen.

Nur den rechten Teil vom Palast kaufte Wallenstein, der nach links und hinten anbaute. Eine Brücke verbindet den ersten Stock mit der Kirche links davon. Die Kirche blieb ohne Turmspitze, ihr Dach wurde innen so bemalt, als gäbe es eine Kuppel.

Im Wallenstein-Zimmer des Museums steht ein Landschaftsmodell. Eine Sichtachse führte vom Schloss zur Burg Veliš, die aber später von Kaiser Leopold abgebrochen wurde. Das Lustschloss „Wallensteins Loggia" ist mit dem Park „Libosad" durch eine vierreihige Lindenallee mit dem Stadtzentrum verbunden. Die Bäume stehen so exakt wie zur Parade angetretene Soldaten, welche ja auch die Pflanzlöcher gruben. Das Kartäuser-Kloster wurde Mitte des 19. Jh. zum Gefängnis. Uns blieb ein Abstieg in den dunklen und feuchten Keller nicht erspart - aber Schießpulver lagert hier nicht mehr.

Den Abschluss bildete ein Blick über den weitläufigen rechteckigen Wallenstein-Platz vor dem Schloss. Um den Platz reihen sich zwei- oder dreigeschossige Wohn- und Geschäftshäuser mit ihren herrlichen, für Böhmen so typischen Laubengängen. Wir gingen durch den wuchtigen Valdice-Torturm zur Marktstraße mit zahlreichen Läden und Lokalen, um zu Mittag zu essen.
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2.3 Hermanitz/Hermanice nad Labem
Das Dorf am Oberlauf der Elbe (darauf deutet schon der tschechische Name, denn Labe ist gleich Elbe) hat nur 420 Einwohner und liegt nördlich der Stadt Jaromer. Eine kleine Grundherrschaft mit oft wechselnden Inhabern ist seit Mitte des 14. Jh.s bezeugt. Der letzte verkaufte es an Jaromer, aber diese Stadt wurde vom böhmischen König Ferdinand konfisziert. Die königliche Kammer verkaufte Hermanitz mit fünf umliegenden Dörfern 1548 dem Freiherrn Johann von Waldstein, der es seinem Neffen Wilhelm d. Ä. von Waldstein vererbte.
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In der Festung ist am 14./24. September 1583 (nach julianischem bzw. dem ein Jahr zuvor eingeführten gregorianischen Kalender) dem hochgeborenen Herrn, Herrn Wilhelm dem Älteren von Waldstein und Hermanitz und seiner Gemahlin, der hochgeborenen Frau, Frau Margarete von Smirice, der Sohn Albrecht Eusebius Wilhelm Waldstein geboren. 10  Dieser erbte die Herrschaft Hermanitz nach dem Tod seines Vaters 1595. Nachdem er 1609 durch seine Heirat an große Ländereien in Mähren gelangte, verkaufte er die Herrschaft Hermanitz 1610 an seinen Onkel. Dieser war jedoch überschuldet, der Besitz wurde versteigert und später weiter verkauft. Der Käufer, 1618 am Ständeaufstand beteiligt, wurde 1621 enteignet. 1623 gelangte Hermanitz von der Königlichen Kammer wiederum an Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, der es ein Jahr später verkaufte. 11

Wir gingen in die der Hl. Maria Magdalena geweihte Kirche aus dem 14. Jh., diese wurde Anfang des 18. Jh.s barock umgebaut; auffällig sind die großen Kreuzweg-Reliefs an den Seitenwänden. Hier lauschten wir zunächst dem Orgelspiel der 14-jährigen Tochter der Küsterin. Wir hörten, die Glocken habe 1602 Albrecht von Wallenstein für seine Eltern gießen lassen, jedoch wurden bis auf eine alle beim Turmbrand im 19. Jh. zerstört. Seit 1766 besteht eine Wallfahrt zum Marienbild aus Mariazell. An den Außenwänden befinden sich die stark verwitterten Grabsteine seiner Geschwister Hedwig/Hedvika, Johann Georg/Jan Jirí, Adam und Magdalena.

Die beiderseits des Hauptaltars stehenden, fast lebensgroßen Marmor-Grabsteine mit tschechischer Inschrift stellen den Ritter Wilhelm von Waldstein (links) und dessen Ehefrau Margareta Smirický von Smirice (rechts) dar. Beide Steine wurden von ihrem Sohn Albrecht beschafft. - Ein kurzer Gang zur Elbbrücke rundete unseren Besuch ab, da vom Herrenhaus nichts mehr steht (hier befindet sich nun ein Kindergarten).
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2.4 Friedland/Frýdlant v Cechách
Erste urkundliche Zeugnisse haben die Herren von Bieberstein von 1278 hinterlassen, als sie ihre Herrschaft hierher verlegten. Ihren Nachfolgern ab 1551, den Herren von Redern, wurde die Herrschaft 1620 nach der Gegenreformation entzogen. Albrecht von Wallenstein wurde 1623 der Titel eines „Herzogs von Friedland" verliehen. Heute hat die inzwischen tschechische Stadt rund 7.600 Einwohner. 12

Das große Rathaus von 1893 - 96 im Stil der Neorenaissance überragt die meist barocken Wohn- und Geschäftshäuser am Markt. - Wir machten nach unserer Schlossbesichtigung hier eine kurze Rast mit kühlem Eis in der Sommerhitze.

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