3 Die Stifter der Prämonstratenser
3.1 Ratzeburg
3.1.1 Grenzen
Die Stadt liegt bekanntlich auf einer Insel im nach ihr benannten See. Durch ihn verläuft die Landesgrenze zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Diese Grenze besteht so seit dem Zweiten Weltkrieg; sie wurde aufgrund der Straßenverhältnisse - die lauenburgischen Gebiete Bernstorf, Lassahn, Stintenburg und Techin östlich des Schaalsees und die Dörfer Dechow und Thurow waren über Land nur durch sowjetisch besetztes Gebiet erreichbar - vorgesehen, und nicht wie Prof. Matthée meinte, weil sich die Ratzeburger nicht von den Russen in die Kopftöpfe gucken lassen wollten. Die Briten tauschten für die abgegebenen Dörfer vier andere ein, die unmittelbar östlich der Stadtgrenze anschlossen: Bäk, Mechow, Römnitz und Ziethen. Die Vereinbarung zwischen den britischen und sowjetischen Generalmajoren Barber und Lyaschenko, von Matthée „Wiskey-Wodka-Abkommen" genannt, vom 13. November 1945 trat zwei Wochen später in Kraft und wurde anders als z.B. für das Amt Neuhaus östlich der Elbe nicht nach der Wiedervereinigung rückgängig gemacht. 41

Sogar über die kleine Insel verlief für Jahrhunderte eine Grenze - die Domhalbinsel gehörte bis zum Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 politisch zu Mecklenburg (-Strelitz), worauf Pflastersteine mit Kreuz hinweisen. Kirchlich ist dies noch heute so, aber mit der Vereinigung zur Evangelischen Nordkirche erübrigt sich dies - der Festgottesdienst zu Pfingsten 2012 wird im Ratzeburger Dom statt finden.

3.1.2 St. Georgsberg
Um 1050 wurde auf dem steilen Westufer des Ratzeburger Sees gegenüber der Burg ein Benediktinerkloster gegründet. Dort war Ansverus Abt. Doch beim Slawenaufstand von 1066 wurde Bischof Gottschalk erschlagen, Ansverus und die Mönche wurden vertrieben und nördlich von Einhaus gesteinigt. Ein Radkreuz am Sandweg Richtung Lübeck erinnert daran - das sog. Ansverus-Kreuz. Lebens- und Sterbeweg werden in zwölf Bildern auf der Tafel in der Nordapsis des Domes abgebildet. - Hier begann unsere Exkursion offiziell, auf den Weg zum Ansverus-Kreuz verzichteten wir wegen der knappen Zeit und bevor stehenden Regens (rechts und unten Aufnahmen Mai 2011).

Prof. Matthée referierte kurz über den Heiligen Georg. Dieser führt die Liste der Patronate mit weit über dreißig an, so wird er als Erster der 14 Nothelfer angerufen u. a. gegen Fieber, Hautkrankheiten, Pest, Versuchung (auch Bettnässen), sowie für gutes Wetter und das Vieh, denn Georg bedeutet einfach „Landmann". So ist er Schutzpatron der Bauern, Bergleute, Pfadfinder, Reiter, Ritter, Soldaten, Sattler, Schmiede, Schlachter und Wanderer. 42 Auch Länder haben sich unter den Schutz des Hl. Georg gestellt wie England, Georgien und Tirol. 43
Bildname
Bildname
Der Weg vom Georgsberg führte uns hinunter über den Lüneburger Damm, mit kurzem Halt am rekonstruierten Grundriss der alten Burg, die von den Dänen 1693 „demoliert" wurde, woran der Name der ersten Querstraße erinnert, am Heinrichstein (siehe Kapitel 1.2) vorbei mit einer Kurzvisite im Kreismuseum im „Herrenhaus am Domhof", der ehemaligen Propstei, in deren Halle zwei große Porträts hängen, eines vom Mecklenburger Herzog Christian, in den Dom.

3.1.3 Dom
Prof. Matthée wies zunächst darauf hin, der Begriff Dom sei nicht überall gleichbedeutend mit Kathedrale = Lehrkanzel, also dem Sitz eines Bischofs. Der spätere Erbauer des Doms, Bischof Evermod, wurde um 1100 in Belgien geboren. Er schloss sich Norbert von Xanten (siehe Kapitel 1.4) an, welcher 1131 ein Prämonstratenser-Kloster nahe Calbe südlich von Magdeburg gründete. Evermod übernahm dort wichtige Klosterämter, wurde dort Propst und später in Magdeburg. In dieser Funktion gründete er vier neue Klöster in Havelberg (siehe Kapitel 3.7), Jerichow (siehe Kapitel 3.6), Quedlinburg und Pöhlde. 1154 wurde er der erste Bischof des Bistums Ratzeburg. Das dortige Domkapitel wandelte er in ein Prämonstratenser-Kloster um und veranlasste den Dombau zu Ratzeburg. Als Glaubensbote bei den wendischen Polaben erwarb er sich den Beinamen „Apostel der Wenden". Evermod starb 1178; seine letzte Ruhe fand er im Maria und Johannes dem Evangelisten geweihten Dom zu Ratzeburg.
Bildname
Der Grundstein wurde 1154 gelegt, der Chor nach 1160 begonnen. Den Bau finanzierte Heinrich der Löwe mit - bis zu seinem Sturz 1180 und ab seiner Rückkehr 1189. Um 1220 wurde mit der Südvorhalle der Dombau abgeschlossen. An Kreuzgang und Kapitelhaus wurde ab 1251 ein halbes Jahrhundert gebaut. Die „Lauenburger Kapelle" wurde südlich um 1380 angebaut. 44

Das Domkapitel bestand aus dem Propst und 12 bis 16 Domherren, überwiegend adlige oder bürgerliche Söhne. Mitte des 15. Jh. zogen sie in eigene Kuriengebäude im Dombezirk um. 1504 wurde aus dem Konvent ein weltliches Chorherrenstift. Der Lauenburgische Herzog Franz ließ seine Landsknechte 1552 den Dom ausplündern. Liturgische Geräte und Glocken wurden mitgenommen, der Mittelteil des Klappaltars zerstört.

Zwei Jahre darauf verkaufte Bischof Christoph von der Schulenburg sein Bistum für 10.000 Reichstaler an den Herzog von Mecklenburg, nachdem er zum Luthertum gewechselt war und geheiratet hatte. 1566 war Georg Usler erster evangelischer Prediger am Dom. Das Bistum wurde im Westfälischen Frieden zum Fürstentum Ratzeburg und den Mecklenburgern zugesprochen.
Bildname
Bildname
1693 wurde der Dom bei der Beschießung Ratzeburgs durch dänische Truppen beschädigt; zum Gedenken daran wurden Kanonenkugeln, das sog. „Kegelspiel", oben am Südquerschiff eingemauert. Von 1876 - 81 wurden gotische An- und Umbauten beseitigt. 1893 brannte der Dachstuhl des Domes nach Blitzschlag ab, die Glocken stürzten herunter, doch die Gewölbe hielten stand.

Dieser Dom ist eine dreischiffige gewölbte Pfeilerbasilika. Er wird durch die romanische Südvorhalle betreten - dennoch dem jüngsten, schönen Raum mit einem Mittelpfeiler, Abschluss und Krone des Bauwerks. 45 Daran schließt sich das 58 m messende Langhaus an mit sechs Quadraten - einem weniger als in den drei anderen Domen Heinrichs des Löwen in Lübeck, Schwerin und Braunschweig. Und ebenfalls anders ist der Mittelturm statt der Flankentürme, ob aus Gründen der Statik oder des Geldes, bleibt offen.

Das mächtige Triumphkreuz von etwa 1260 mit Christus, Maria und Johannes betont den Weg zum Licht. Der Altar ist aus mehreren Teilen unterschiedlicher Epochen zusammen gesetzt: den spätgotischen Schnitzfiguren in den Seitenflügeln, in der Mitte einem Steinrelief aus Güstrow mit der Passionsgeschichte, darüber dem barocken Weltenheiland. Das Domherrengestühl von etwa 1200 ist das älteste in Norddeutschland und zugleich das älteste Inventar hier, gefolgt von der Triumphkreuzgruppe. Im Chorraum stehen auch die beiden Dreisitze mit reich geschnitzten Wangen, davon eine mit der Wurzel Jesse. Die Kanzel mit reichem Schnitzwerk und dem Reliefbild für Pastor Usler ist späte Renaissance, früher Barock die Front des „Lauenburger Chors" von 1637 im südlichen Seitenschiff. 46 Die Ansverus-Tafel an der östlichen Nordwand des Nordschiffes von 1681 stellt in zwölf Bildern die legendenreiche Lebensgeschichte des Abtes vom Kloster St. Georgsberg dar.
Bildname

Der Ratzeburger Dom ist einer der ältesten, vollständig erhaltenen spätromanischen Backsteindome Europas. Fast alle Gebäude des Klosters sind erhalten, die meisten stehen für Besichtigungen offen. 47 - Wir hielten uns nur wenige Minuten im Dom auf, da er den meisten von uns gut bekannt ist. Die Stadtinsel verließen wir nach Süden über den Königsdamm durch Ziethen, Bäk, vorbei an der Kirche des Johannisstiftes in Schlagsdorf (bereits in Mecklenburg) und durch das Dorf Bülow, aus dem etwa 1.500 Namensträger wie auch der unter seinem Künstlernamen Loriot bekannte Vicco von Bülow stammen.

3.2 Rehna
Rehna ist eine der größten mittelalterlichen Klosteranlagen in Mecklenburg. Das Kloster der Benediktinerinnen wurde vermutlich um 1230 - 36 gegründet, erhalten ist die Stiftungsurkunde von Bischof Ludolf von Ratzeburg von Weihnachten 1237. 48 Klosterkirche, Kreuzgang, Gäste-Refektorium und Gerichtssaal sind Zeugnisse mittelalterlicher Baukultur. 49 Die romanische Kirche mit Rundbogenportal wurde um 1300 im gotischen Stil umgestaltet. Noch vor 1319 nahmen die Schwestern die Regel der Prämonstratenser an.
Bildname
Die zuletzt nur noch formelle Bindung an den Orden brach 1472 ab. Seit 1552 ist das Maria und Elisabeth gewidmete Gotteshaus jetzt evangelisch-lutherische Pfarrkirche. Reste gotischer Wandmalerei, der 1456 geweihte vierflügelige Schnitzaltar und das geschnitzte Chorgestühl von 1441 - 48 sind sehenswert. 50

Um die Kirche erstrecken sich ehemalige Klostergebäude und Teile des Kreuzgangs. Sie werden von der Kirchengemeinde genutzt. Der nördliche Teil dient seit 1879 als Amtshaus. Bedeutend sind im auch als Trauzimmer genutzten alten Kapitelsaal die Konsolen der Gewölbe mit den Köpfen der klugen und törichten Jungfrauen. - Prof. Matthée sprach kurz die Wandlung in der Mariensicht im Christentum an: Sie galt zuerst nur als die Magd des Herrn, als Ancinna domini, wurde ab dem Konzil von Nicäa im Jahr 325 zur Dei genetrix, zur Gottesgebärerin.

zurück   Übersicht   weiter
Bildname