2 Die Orte und Bauten
2.1 Saarbrücken
Die Hauptstadt des Saarlandes ist Saarbrücken. Wie das Bundesland gehört auch sein Regierungssitz zu den kleineren mit etwa 176.000 Einwohnern. Das Stadtbild gibt sich recht modern. Nach den verheerenden Zerstörungen des Jahres 1944 wurde fast alles neu gebaut. Das Wappen zeigt eine rote Rose (für St. Johann) und Schlägel, Eisen und Zange (für Maltstatt-Burbach) über dem silbernen nassauischen Löwen.
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Eigentlich breiten sich in der Talaue zu beiden Seiten der Saar zwei Städte aus: Im Norden (am rechten Ufer) die einstige Fischersiedlung St. Johann mit Stadtrecht seit 1265 und im Süden das eigentliche Saarbrücken mit Stadtrecht seit 1321. Saarbrücken war von 1381 bis 1801 Residenzort der Grafschaft Nassau-Saarbrücken. 7  

Was die Presse in St. Johann 1905 noch als „Witz, der an Lächerlichkeit kaum übertroffen werden kann", bezeichnete, geschah 1909: 8 Seit der Vereinigung des jüngeren Malstatt-Burbach mit den beiden heißt die Südstadt Alt-Saarbrücken. Saarbrücken war nun Großstadt mit rund 105.000 Einwohnern.

Viele meinen, der Stadtname sei wörtlich zu nehmen. Jedoch gab es zur Ersterwähnung von „Castellum Sarabrucca" in einer Schenkungsurkunde von Kaiser Otto III. an den Bischof von Metz im Jahr 999 noch keine Brücke. Die heutige sog. Alte Brücke aus Stein entstand erst 1546 in der späten Gotik auf Anregung Kaiser Karls V. Der älteste bekannte Name „Sarabriga" ist keltisch, wobei Sara ein fließendes Gewässer ist und Briga mit Fels übersetzt wird. Der Fels dürfte der Burgberg im Süden sein, so dass der Ortsname in etwa „Saarfels" bedeutet. Auch das germanische Wort Bruco (noch niederdeutsch Brook, Broich, Brauck bzw. mittelhochdeutsch Bruoch bzw. althochdeutsch Bruoh) bedeutet Sumpf, den es auf der Seite von St. Johann gibt. 9

In vorrömischer Zeit siedelten hier die Mediomatriker. Am Fuß des Halbergs wurden Siedlungsspuren der Römer nachgewiesen (mehr zur Mithras-Grotte in Kapitel 3.1). Für die ab 1120 entstandene Grafschaft entwickelte sich im Schutz der Burg eine deutsche Siedlung. Der Deutsche Orden gründete 1263 seine Kommende St. Elisabeth; seine Kapelle der Krankenstation ist das älteste Gebäude in Saarbrücken.
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Der Dreißigjährige Krieg zerstörte Saarbrücken nahezu vollständig, von etwa 4.500 lebten nur noch 70 Menschen hier. Im Französisch-Niederländischen Krieg ließ Ludwig XIV. 1677 die Stadt niederbrennen, nur acht Häuser standen noch. Unter Fürst Wilhelm Heinrich ab 1741 ging es steil aufwärts, er ließ sich u.a. das Residenzschloss bauen. Kirchen aller erlaubten Glaubensrichtungen wurden errichtet. Die barocke Stadt geriet 1793 durch die preußischen Bundestruppen gegen die französischen Besatzungssoldaten in Brand. Sie kam 1797 bzw. 1801 an Frankreich, 1815 dann an Preußen. 1870 kam es kurzzeitig zur französischen Besetzung. 1914 war Saarbrücken Haupt-Aufmarschgebiet für die Front von Verdun bis zu den Vogesen, 1915 fielen erstmals Bomben. 1918 zog der französische Marschall Foch ein. Britische und amerikanische Bomber zerstörten Alt-Saarbrücken 1944 fast vollständig, 11.000 Häuser waren unbenutzbar. Nach dem abgeschlossenen Wiederaufbau wurden 1974 elf Städte eingemeindet; der Landkreis und die kreisfreie Stadt wurden zum Stadtverband zusammen gefasst, einer Besonderheit in Deutschland. Der höchste Einwohnerstand mit rund 200.000 wurde erreicht. 1974 wurde Oskar Lafontaine zum Bürgermeister, später Oberbürgermeister, gewählt, bis er 1985 Ministerpräsident des Saarlandes wurde.
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Evangelisch sind heute rund 32 %, katholisch etwa 62 %. Dies ist eine Folge des Zuzugs während der Industrialisierung aus dem ländlichen Norden, dem Hochwald und dem Hunsrück. (Foto links: Da lacht das Gärtnerherz: Blumenschmuck nicht nur vor der Sparkasse und LBS.)

Soviel zur Stadtgeschichte. Wir unternahmen zwei sehr gute Stadtführungen: die erste mit Herrn Axel Kerber am Anreisetag durch Alt-Saarbrücken und die zweite durch St. Johann am folgenden Vormittag mit Herrn Prof. Horst Heydt, Pfarrer im Ruhestand (und Träger des Bundesverdienstkreuzes).

So schrieb Johann Wolfgang von Goethe (X. Buch Dichtung und Wahrheit) in Erinnerung an seinen Besuch in der Barockresidenz Saarbrücken vom Juni 1770: „Diese kleine Residenz war ein lichter Punkt in einem so felsig waldigen Lande. Die Stadt klein und hügelig, aber durch den letzten Fürsten wohl ausgeziert, macht sogleich einen angenehmen Eindruck, weil die Häuser alle grauweiß angestrichen sind und die verschiedene Höhe derselbigen einen mannigfaltigen Anblick gewährt. Mitten auf einem schönen mit ansehnlichen Gebäuden umgebenen Platze steht die lutherische Kirche in einem kleinen, aber dem ganzen angemessenen Maßstabe." 10

2.1.1 Ludwigskirche
Die evangelische Ludwigskirche gilt als Wahrzeichen Saarbrückens, sogar des Saarlandes, so dass sie nicht nur einige Briefmarken, sondern 2009 die Rückseite der 2-Euro-Sondermünze ziert. Mit der Dresdner Frauenkirche und dem Hamburger Michel zählt sie zu den bedeutendsten protestantischen Kirchen in Deutschland.
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Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken ließ die Ludwigskirche durch seinen Baumeister Friedrich Joachim Stengel erbauen - in einem Ensemble zwischen zwei Zeilen von weißen Verwaltungsbauten. Geplant war in der Sprache der Zeit „une ville blanche" bzw. „une ville de porcelaine". Die Kirchenfassade blieb nach dem Wiederaufbau ohne Putz; angeblich wurde sie daher von der UNESCO abgelehnt. Franzosen nennen protestantische Kirchen übrigens „temple".

Von 1762 bis 68 wurde emsig gebaut, dann war das Geld alle. Sohn Fürst Ludwig heirate eine hinkende, hässliche Frau mit Blattern, aber mit viel Geld, die bald starb. Ludwig ließ die nach sich selbst benannte Kirche 1775 fertig stellen. Die Bomben, auch vom berüchtigten Briten „Bomber-Harris",  ließen im letzten Weltkrieg nur Reste der Umfassungsmauern stehen.

Grundriss ist ein griechisches Kreuz, die Achsen sind 38,50 m und 34,20 m lang und 17 m breit. Außen standen in Nischen vier Evangelisten-Statuen, während die Balustrade mit 28 Figuren verziert war. 11 Der Turm hatte nie eine Spitze.
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Die Breitsaalkirche wird von einem Kanzelaltar beherrscht: Über dem Altar steht die Kanzel, und über ihr breitet sich die Orgel aus. Die Glastür hinter der Kanzel ist übrigens wie ein aufgeschlagenes Buch gestaltet. In die Kanzelwand sind zwei Köpfe von Löwe und Stier, in den Kanzeldeckel Adler und Engel, für die vier Evangelisten eingelassen. Das Flachrelief am Kanzelkorb zeigt Jesu Taufe im Jordan. Die Orgel besteht aus 47 Registern mit 3.910 Pfeifen.

Die 1.200 Sitzplätze waren einst wie die Eingänge den Berufsgruppen fest zugeordnet. Die Ständer der Empore werden an den Ausgängen von großen Gipsfiguren flankiert, so z.B. links mit Horn und Goldstücken für Wohlstand wie für Wohltätigkeit. Eine Figur kostete übrigens rund 70.000 DM. Bisher wurden rund 10 Mio. Euro aufgewendet, noch 1,5 Mio. sind Bedarf. Die von uns nicht besuchte Krypta mit 70 - 80 Plätzen ist von außen zugänglich und hat sogar eine Gaststätten-Lizenz. - Am zweiten Tag genossen wir in der Kirche ein kleines Orgel-Konzert nach dem Begehen des Wochenmarktes.
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2.1.2 Schloss
Eine „Veste Sarebrugka" wurde bereits 1009 genannt. Eine Burg wurde hier 1168 zerstört. Ein Bollwerk wurde 1563 begonnen und über den Graben zur Stadt eine Zugbrücke. Im 17. Jh. bestand eine Vier-Flügel-Anlage. Kaiserliche Truppen sollen sie 1677 zerstört haben. Ab 1696 wurde der Vorgänger des heutigen Baues begonnen.

Der Verzicht auf einen Wehrbau, andere Ansprüche an die fürstliche Lebensform mit bequemer, prachtvoller Wohnkultur einschließlich Garten, ließen einen Neubau nötig werden, mit dem 1741 ebenfalls Architekt Stengel aus Zerbst beauftragt wurde. In den Wirren der Französischen Revolution wurde das Gebäude durch Brand beschädigt. Nach 1810 wurde in der Ruine Wohnraum für acht Familien geschaffen. Mittel-Pavillon und Mezzanin-Geschoss wurden abgebrochen. Eisenhüttenbesitzer Karl Friedrich Stumm ließ 1872 die Baulücke in vereinfachter Form schließen. Von 1908 - 20 kaufte der Landkreis die Schlossteile und nutzte sie selbst. 12

Im Dritten Reich war die Gestapo im Schloss untergebracht. Schäden am Südflügel machten 1969 eine Sperrung erforderlich. Der Stadtverband ließ von 1982 - 89 das Gebäude sanieren und einen modernen Mittelbau aus Stahl und Glas errichten. So wurde es unter Ministerpräsident Lafontaine mit 1 Stimme Mehrheit beschlossen. Der Nachbau des barocken Mittel-Risalits hätte 138 Mio. DM gekostet. Dem Regionalverband (Nachfolger des Stadtverbandes) dient das sog. Bürger-Schloss heute als Verwaltungssitz.

Die Drei-Flügel-Anlage von 65 mal 61 m öffnet sich zur Stadt nach Westen. Im Osten wurden Terrassen für einen schmalen Barockgarten angelegt. Der Schlossplatz ist mit rund 40.000 Steinen gepflastert. Darunter verbirgt sich ein unsichtbares Mahnmal: 2.146 Steine wurden ausgewechselt gegen solche mit Namen von Stätten jüdischer Opfer in Deutschland und mit der Schrift nach unten verlegt.
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2.1.3 Schlosskirche
Das spätgotische Bauwerk aus dem 15. Jh., Grablege der Fürsten zu Nassau-Saarbrücken, war einst evangelisch. Es dient seit 1993 der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz als Ausstellungsraum des seit 1930 bestehenden Museums für Vor- und Frühgeschichte Saarbrücken. 13

Außer  den steinernen Grabdenkmälern links (achten Sie auf die beiden sich die Tränen trocknenden Putten) werden hier an der rechten Seite und der Empore darüber diverse

Faustkeile, Fibeln, sakrale Skulpturen usw. gezeigt, leider von oben und nicht von unten ausgeleuchtet. Zu den Glanzstücken gehören Schmuck und Grabbeigaben aus dem Fürstinnengrab bei Reinheim (siehe Kapitel 3.3). Zum Fotografieren wird außerdem eine Erlaubnis verlangt.

2.1.4 Kath. Kirche St. Johann
Die katholische Basilika minor (Basilika meint also nicht die Bauform) wurde 1754 - 58 ebenfalls nach Plänen des Architekten Stengel im Barockstil geschaffen. Der katholische französische König setzte die Städte Saarbrücken und St. Johann dazu unter Druck. Neben Johannes dem Täufer wurde sie dem Hl. Ludwig (König Ludwig IX. von Frankreich) gewidmet. So zeigt die moderne Doppeltür links Szenen aus dem Leben des Täufers, rechts aus Christi Leben. Am Handlauf halten vier Hände den Bund des Lebens - in den vier Lebensaltern. 14
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Die klare Struktur besteht aus in die Fassade integriertem Turm, saalförmigem Schiff und Altarraum sowie der Rokoko-Ausstattung. Über ihre Orgelanlage - sogar mit 6.000 Pfeifen - hat unser Stadtführer Pfarrer Heydt selbst verhandelt. Der Größenunterschied zur Ludwigs-Orgel ist kaum erkennbar, anders als jene, die sich „öffnet", „schließt" sich diese optisch. Die Hauptorgel mit 4300 Pfeifen wird von zwei Chororgeln mit Glockenspiel unterstützt.
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2.1.5 Bergwerks-Direktion
Im florentiner Palaststil entstand in der Nähe des nüchtern-sachlichen Hauptbahnhofes 1877 80 von Architekt Martin Gropius die Direktion. Den Krieg überstand sie mit relativ geringen Schäden. Jedoch führte der Umbau zur „Saar-Galerie" zu einem erheblichen Substanzverlust: Alle Innenwände und Zwischendecken wurden heraus gebrochen. Nur das Treppenhaus mit seinem Geländer aus Gusseisen und dem Glasfenster der Hl. Barbara blieb verschont. Der junge Wachmann wollte uns sogar das Fotografieren verbieten, doch warum eigentlich?

2.1.6 Rathaus St. Johann
Für St. Johann wurde von 1897 bis 1900 aus rotem Sandstein das Rathaus der heutigen Großstadt nach Plänen vom Architekt Georg Josef Ritter von Hauberrisser aus Graz erbaut. Von ihm stammen auch die Rathäuser von München und Wiesbaden. In den 54 m hohen Turm kam zur 1000-Jahr-Feier 1999 ein Glockenspiel - auf Anregung der CDU-Stadtratsfraktion und finanziert von der Handwerkskammer.
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Hinter der Skulptur für Georg den Drachentöter befindet sich sinnigerweise das Trauzimmer. Der Westteil der asymmetrischen Fassade ist eher schlicht mit Ausnahme eines Erkers vor dem Büro des Oberbürgermeisters. Der Ostteil ist dagegen reich verziert. Auf einem Giebel wacht ein Ritter mit Hellebarde über die Stadt. Sechs Figuren verkörpern die Haupterwerbszweige der Stadt: Bergmann, Schmied, Bauer, Brauer, Kaufmann und Schäfer.

Für den prächtigen Festsaal wurde allein 1/3 der Baukosten aufgewendet. Episoden der Stadtgeschichte schmücken die Südwand von Wilhelm August Wrage aus Berlin. Rechts wird Bischof Arnulf von Metz gezeigt. Links vergibt Graf Johann I. den Stadtfreiheitsbrief. Nach Norden zeigen die Glasfenster die ständische Ordnung: Wehrstand, Nährstand, Lehrstand. 15  - Nur wenige von uns konnten einen Einblick erhaschen, da eine Hochzeit begann, eine von etwa tausend im Jahr.
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2.1.7 Theater
Das Staatstheater wurde 1937/38 als Belohnung für das reichsfreundliche Ergebnis der Abstimmung von 1935 als „Reichsgautheater" erbaut. Es sollte außerdem ein deutsches Bollwerk gegen Frankreich sein, weshalb sein Haupteingang Richtung Paris zeigt. Wenn auch Teile zerstört wurden, blieb doch die Technik bis heute erhalten und funktionsfähig.

2.1.8 Kongresszentrum
Auf dem ehem. Kohlenhafen wurde 1965, zehn Jahre nach der Abstimmung zugunsten der Bundesrepublik, als Dank von Bundeskanzler Adenauer die Kongresshalle geschaffen. Sie ist auf Funktionalität ausgerichtet. - Ihr vorgelagert sind zwei 4-Sterne-Hotels, in dessen einem an der windigen Saar und der lärmigen Brücke wir gut schallgedämmt untergebracht waren.

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