"An der Saale hellem Strande ..."
Von der Quelle bis zur Mündung
Exkursion mit Dr. Werner Budesheim,
Freie Lauenburgische Akademie für Wissenschaft und Kultur e.V. in Wentorf bei Hamburg,
vom 20. bis 26. Juli 2009

Bereits seit mehr als einem Dutzend Jahren ist es eine Tradition: Eine Gruppe sich meist schon untereinander kennender Personen macht sich in der ersten Woche der Sommerferien im Reisebus aus dem Lauenburgischen bzw. dem Hamburger Raum auf den Weg. Der Reiseleiter heißt Dr. Werner Budesheim, zugleich Gründungsvorsitzender der Freien Lauenburgischen Akademie für Wissenschaft und Kultur e.V., und Lehrer bzw. Schulleiter im Ruhestand. Besonders beliebt sind seine minutiös ausgearbeiteten Exkursionen entlang der Flüsse. So wurden bereits der Main, die Mosel und Teile des Rheins erkundet. Wenn bisher Ziele im Westen Deutschlands bzw. seiner Nachbarländer bevorzugt wurden, ging es jetzt nach östlich der bis vor zwanzig Jahren bestehenden innerdeutschen Grenze: Entlang der Saale von der Quelle bis zur Mündung.

1 Die Mittelgebirge
1.1 Der Harz
Der Harz bildet bis heute eine gewisse Grenze: die Trennlinie zwischen dem norddeutschen bzw. niederdeutschen und dem mitteldeutschen Sprachraum. Der Harz ist das nördlichste der deutschen Mittelgebirge, er erstreckt sich über eine Länge von rund 90 km bis ins Saaletal und eine Breite von etwa 30 km. Sein Gebiet ist auf drei Bundesländer verteilt: Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und ein kleiner Keil Thüringen.

Das Gebirge hat die Form einer sog. Pultscholle mit steilen Randstufen im Norden und einer allmählichen Abdachung nach Südosten und gliedert sich in Ober- und Unterharz. 1  Die höchste Erhebung ist der Brocken, nach amtlichen Angaben 1.141 m hoch. Früher wurde gern ein Meter mehr angegeben, aber streng genommen sind es nur 1.140,50 m.

Sei es um den geringen Unterschied, der Harz liegt abseits. Abseits aller wichtigen Verkehrsströme, die um ihn herum führen. Nur im Hochmittelalter spielte das Gebirge, insbes. der Rammelsberg bei Goslar, eine wirtschaftliche Rolle. Hier wurde Silber im Bergbau gewonnen. Bis in die späten 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde  Kupferschiefer im Mansfelder Revier bis nach Sangerhausen gefördert.

1.2 Der Kyffhäuser
Gern als der "kleine Bruder des Harzes" bezeichnet liegt der Kyffhäuser mit 477 m Höhe südlich auf Thüringer Gebiet. Zwischen beiden breitet sich die "Goldene Aue" aus, ein von der Sonne verwöhntes breites Tal mit weiten Wiesen und wenig Wald. Aber die Kaisersage macht den Kyffhäuser im ganzen alten Reich bekannt.

Während wir den Harz weitgehend "links liegen ließen", überquerten wir den Kyffhäuser über seine Serpentinenstraße von Kelbra bei der Ruine der einstigen Königspfalz Tilleda nach Süden. Für mich, der ich sechs Jahre lang im damaligen Landkreis Sangerhausen gelebt habe, kamen dabei schöne Erinnerungen hoch und eine Freude über das weitere wirtschaftliche Aufblühen.

1.3 Das Fichtelgebirge
Bereits zum bayrischen Oberfranken gehört das Fichtelgebirge, umrandet von Frankenwald, Vogtland, Elstergebirge und Oberpfälzer Wald. Das Fichtelgebirge ist eine stark abgetragene Rumpfscholle. Die höchsten Erhebungen aus Granit und Gneis sind der Schneeberg mit 1.051 m und der Ochsenkopf mit 1.024 m. 2

Am Ochsenkopf entspringt der Weiße Main, dessen Quelle wir bereits 2004 erwanderten. Auch zur Donau entwässert das Fichtelgebirge über die Fichtelnaab und zur Elbe über die Eger. Wir erkundeten den 877 m hohen "Großen Waldstein", denn hier entspringt - Sie vermuten richtig - die Saale.

2 Die Saale
2.1 Der Name
Der griechische Geograf Strabo nannte im 2. Jh. n. Chr. den "sálas potámos". Im Hochmittelalter wurden die Namen "Sala", im Spätmittelalter "Sale", "Sahle" und schließlich "Saale" verwendet. Im Indogermanischen bedeutet "Sala" einfach "Bach, fließendes Wasser". Davon abweichend steht "Salum" im Lateinischen für "Flussströmung, unruhiger Seegang". Wortverbindungen zu "Salz" bzw. "schmutzig grau" gelten heute dagegen als weniger wahrscheinlich. 3  Der slawische Name ist "Solawa", z.B. in der sorbischen Literatur.

2.2 Zwei Flüsse
Die Saale - das ist nicht genau genug. Denn es gibt deren zwei: die Fränkische Saale ist ein rechter Nebenfluss des Mains mit einer Länge von 142 km, die Thüringer bzw. Sächsische, auch Vogtländische, Saale ist ein linker Nebenfluss zur Elbe und fließt 413 km meist nach Norden. Ursprünglich waren es 427 km, bis zur Begradigung in den 30er Jahren des vorigen Jhs. 4  Diese längere Saale von beiden ist unser Ziel.
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2.3 Die Quelle
Die Quelle liegt 707 m über dem Meer, ganz ähnlich wie die des Mains idyllisch in einem Nadelholzwald nahe dem Ort Markt Zell. Der asphaltierte Weg durch die Felder wird von reifen Himbeeren, der Schotterweg durch den Wald von Blaubeeren versüßt. Die Strecke im Wald soll angeblich 500 m lang sein (gefühlt das Dreifache), und führt zur ummauerten Quelle. Hier kommt reichlich kühles Wasser ans Tageslicht, das einige von uns gleich in ihre mitgebrachten Flaschen füllten. Allerdings wies uns Dr. Budesheim darauf hin, die Quelle komme direkt aus einem Stollen des alten Bleibergwerks ...

2.4 Der Fluss
Die Zahl 2 brauchen wir jetzt mehrmals: Die Saale ist (nach der Moldau) der zweitlängste Nebenfluss der Elbe. Mit einem mittleren Abfluss von 115 m³/s nimmt sie gemeinsam mit der Havel ebenfalls Platz 2 nach der Moldau ein. Die fünf Wasserkraftwerke bilden die Saalekaskade, den zweitgrößten Verbund von Wasserkraftwerken in Deutschland.

Der Oberlauf ist noch ziemlich gemächlich. Dann verläuft die Saale quer durch das Thüringer Schiefergebirge; hier ist sie mehrfach angestaut. Danach tritt der Fluss in das Thüringer Platten- und Hügelland ein, hell mit viel Ackerbau. Der Unterlauf ab Naumburg führt durch eine flache Agrarlandschaft und passiert einige Steilufer.

Saale-Unstrut ist eines der nördlichsten Weinbaugebiete in Deutschland. Ab der Unstrut-Mündung ist die Saale mit kleinen Schiffen befahrbar, ab Halle-Trotha für Binnenschiffe.
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2.5 Die Talsperren
Von den fünf Talsperren ist die von Hohenwarte, 15 km südlich von Saalfeld, besonders eindrucksvoll. Ab 1940, also bereits im 2. Weltkrieg, wurden Damm und Kraftwerk gebaut. Der Stausee ist bis zu 27 km lang und 1 km breit, die Fläche kann bis zu 7,3 km² betragen. Darin können bis zum 182 km³ Wasser lagern. Der Damm ist 75 m hoch, 412 m lang und 6,70 m dick. Durch jede Turbine können 10 m²/s Wasser eine Höhe von fast 68 m hinab strömen. Beide Turbinen erzeugen 60 MW Strom. 5 Die Talsperren dienen dem Hochwasserschutz, der Energiegewinnung und der Naherholung.

2.6 Die Göltzschtalbrücke
"Frugiferos celeret motus immobilus ipse - selbst unbeweglich, möge sie nützliche Bewegung beschleunigen. So steht es am Pfeiler.
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Von 1846 - 51 erbaut, im Verlauf der sächsisch - bayerischen Eisenbahn Leipzig - Plauen - Hof - Nürnberg, entworfen von Prof. Johann Anton Schubert, steht die stolze Brücke in der Landschaft über dem Nebenfluss zur Weißen Elster. 574 m ist sie lang, hat 29 Bogen mit einer Spannweite bis 31 m, ragt 78 m auf, in teilweise vier Etagen mit 98 Gewölben, und wurde bis 20 m tief gegründet. Mehr Zahlen? 180.000 m³ Masse, gemauert aus 26 Mio. Ziegeln, von bis zu 1.736 Arbeitern, von denen 30 auf der Baustelle ihr Leben verloren. Kurz: Die Göltzschtalbrücke ist die größte Ziegelbrücke der Welt. Hinfahren und staunen!

2.7 Die Mündung
Nahe der Kleinstadt Barby fließt ganz still die Saale zwischen flachen Ufern auf noch 50 m über dem Meeresspiegel in die Elbe. Wegen der Gefahr ständiger Überschwemmungen konnte hier - ganz wie an der Mainmündung - keine Siedlung angelegt werden, worauf Dr. Budesheim hinwies. Die Ufer beider Flüsse sind heute bei Anglern beliebt. Wir umkurvten zu Fuß die Schlammlöcher unter den Hochspannungsleitungen.
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Hier wurden Worte und Geschenke des Dankes gegeben. Der mitreisende Stabsfeldwebel a.D. ließ uns mit Blickrichtung Norden "antreten" und erzählte vom Elbübergang der amerikanischen Truppen 1945 an dieser Stelle.

3 Archäologische Funde
3.1 Goseck
Die Gemeinde im Burgenlandkreis mit 1.200 Einwohnern ist bekannt geworden durch ihre nordwestlich des Dorfes gelegene Kreisgrabenanlage, die als Sonnenobservatorium gedeutet wird. An Hand von Luftbildern wurde 1991 in der Ackerlandschaft ein Wallgraben mit einem Durchmesser von 71 - 75 m entdeckt. Zwei konzentrische Palisadenkreise aus 1.675 Eichenstämmen mit 56 bzw. 49 Metern Durchmesser haben drei wangenförmig eingefasste  Öffnungen, die größte im Norden. Von der Mitte aus konnte durch das Südosttor der Sonnenaufgang und durch das Südwesttor der Sonnenuntergang zur Wintersonnenwende um den 21. Dezember beobachtet werden. Ab 2002 gefundene Stichband-Keramik lässt auf den Beginn des 5. Jahrtausends v. Chr., also die Jungsteinzeit, schließen. Damit wäre diese 7.000 Jahre alte Anlage die älteste Sonnenbeobachtungsstation der Welt. 2005 wurde die Anlage im Originalmaßstab rekonstruiert. 6  - Bei unserem Rundgang trug uns Dr. Budesheim kurz die Ackerbau-Kulturgeschichte und die Ausbreitung der indogermanischen Sprachen vor.
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3.2 Himmelsscheibe von Nebra
20 km von Goseck, in einer Steinkammer einer Wallanlage auf dem 252 m hohen Mittelberg im Ziegelrodaer Forst, 4 km westlich der Stadt Nebra, wurde die Himmelsscheibe gefunden. Zwei inzwischen verurteilte Raubgräber haben sie aufgespürt und über Hehler versucht, sie auf dem Kunstmarkt anzubieten. Der Landesarchäologe Harald Meller, uns aus dem Fernsehen gut bekannt, konnte sie in Basel im Februar 2002 für das Land Sachsen-Anhalt sicher stellen. Seit Mai 2008 ist die Himmelsscheibe die Hauptattraktion des weltbekannt gewordenen Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle.

Die Bronzeplatte mit Applikationen aus Gold hat einen Durchmesser von 32 cm, eine Dicke zwischen 4,5 mm innen und 1,7 mm außen und wiegt rund 2 kg. Das Kupfer stammt aus den Alpen bei Salzburg und das Gold aus unterschiedlichen Quellen wie Siebenbürgen. Das Alter konnte an Hand von Birkenholzresten an einem der drei mit gefundenen Schwerter auf etwa 3.600 Jahre bestimmt werden. Die Scheibe wurde offenbar um 2100 bis 1700 v. Chr. hier in Mitteleuropa angefertigt. Die Himmelsscheibe wurde in drei Phasen verändert. Anfänglich trug sie einen großen runden Kreis (Sonne oder Vollmond), eine Sichel (zunehmender Mond) und 32 runde Sterne. Fünf der Sterne stellen die Plejaden im Sternbild Stier dar. In Phase zwei wurden am linken und rechten Rand die sog. Horizontbögen über je einem Winkel von 82 Grad aufgelegt. Dazu wurden ein Stern verschoben und zwei überdeckt. In Phase drei kam die sog. Sonnenbarke hinzu, ein Bogen am unteren Rand mit Schraffuren, die Ruder sein könnten. Als barbarischen Akt empfinden wir die 40 eingestanzten Löcher am Rand der Scheibe, mit denen sie vermutlich an einem anderen Gegenstand oder Gebäude befestigt worden ist. Als die Scheibe vergraben wurde, fehlte bereits der linke Horizontbogen. Die Kerben oben links und das wieder eingesetzte fehlende Stück Gold im großen Kreis stammen von den Raubgräbern. 7

Die Scheibe ist nach Ansicht der Fachleute die angefertigte, bislang älteste, konkrete Darstellung des Nachthimmels aller Zeiten. - Der Raum im Landesmuseum mit künstlichem Sternenhimmel über der beidseitig sichtbaren Himmelsscheibe ist ein Erlebnis an sich.

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