3.7 Lorsch
Lorsch in Hessen - dieser Ort ist mir schon als Junge begegnet, auf der 20-Pfennig-Briefmarke der Deutschen Bundespost. Inzwischen ist die Lorscher Königshalle nicht nur in Deutschland, sondern seit 1991 in der ganzen Welt bekannt als UNESCO-Weltkulturerbe mit der Nummer 320. Lorsch liegt zwischen Darmstadt und Mannheim 5 Kilometer westlich der Bergstraße und hat etwa 12.700 Einwohner. Das Wappen zeigt oben die Königshalle in Gold, rechts das rote Kreuz auf Silber für Kurtrier und daneben neun Mal von Rot und Silber geteilten hessischen Löwen. 29
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Lorsch war im frühen Mittelalter Geistes- und Kulturzentrum des Fränkischen Reiches. Die längst in alle Winde verstreute Klosterbibliothek war im Abendland bekannt: der Lorscher Codex, die Lorscher Annalen, das Lorscher Arzneibuch, die Lorscher Berichte oder das Lorscher Evangeliar. Sie alle sind bedeutende Zeugnisse der geistig-kulturellen Strahlkraft, die im Früh- und Hochmittelalter von der Reichsabtei ausging.
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Am Anfang stand der Robertiner Cancor, Graf in Alemannien und dann des Oberrheingaus mit seiner Mutter Williswinda (Williswinth). Sie hatten 764 ihr Landgut Laurissa bzw. später Lauressam dem Erzbischof von Metz für eine Klosterstiftung übereignet. Auf einer Insel des Flüsschens Weschnitz wurde das "Altenmünster" von Benediktinern aus Gorze bei Metz besiedelt und kurz darauf auf einen Dünenhügel in der Nähe verlegt. 30
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Karl der Große war ein besonderer Gönner des Klosters, er hielt sich hier fünfmal auf. Seine und seiner Nachfolger Schenkungen brachten das Kloster zu Ansehen und Einfluss und machten es zu einer der reichsten Abteien des Abendlandes mit Besitz im Odenwald, an der Bergstraße, in Rheinhessen sowie im Elsass und in Lothringen. Durch den Klosterbezirk verlief der Triumphweg zum Heiligtum mit den Reliquien des Nazarius, die Papst Paul I. geschenkt hatte.

In dessen Schutz nahm Karls Enkel, Ludwig der Deutsche, seine Grablege, wie auch sein Sohn Ludwig der Jüngere und Kunigunde, König Konrads I. Gattin. In staufischer Zeit begann der Niedergang, umfangreiche Länderein mussten verkauft werden, und 1226 verließen die Benediktiner ihr Kloster. In einer bescheidenen Propstei etablierten sich Zisterzienser, dann Prämonstratenser von Mainz aus. 1555 wurde das Kloster aufgehoben, die Kirche wurde zum Speicher, fast alle Gebäude gingen in Flammen auf. Nach der Zerstörung 1621, spätestens am Ende des Dreißigjährigen Krieges, war die Reichsabtei zum Trümmerhaufen zerfallen, den die Nachbarn als Steinbruch nutzten. 31 Auch den Abbruch der Königshalle hatten die Behörden 1803 bereits genehmigt. Doch Landgraf Ludwig, späterer Großherzog von Hessen, intervenierte. Überdauert haben drei Joche des Mittelschiffs der Kirche, die Zehntscheune, der größte Teil der 900 Meter langen Ringmauer und die Torhalle - das kunstgeschichtliche Kleinod.
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Die Tor- und Königshalle ist das einzige vollständig erhaltene Baudenkmal der Karolingerzeit und gehört zu den bedeutendsten Relikten vorromanischer Architektur in Deutschland (Einschränkung: Nur der südliche Treppenturm ist original, der nördliche nach dem Einsturz ein Nachbau des 19. Jhs.). Neuere Bauforschungen sehen die Königshalle in der römischen Bautradition als Triumphbogen, der auf den Konstantinsbogen verweist. Der zweigeschossige Rechteckbau mit drei Torbögen und zu beiden Giebeln halbrunden Treppentürmen gilt als ein Höhepunkt karolingischer Baukunst in Deutschland. Die Gliederung der Fassade wirkt in ihrem Wechselbezug zwischen den Komposit-Kapitellen über korinthischen Halbsäulen zwischen den Torbögen, dem schmalen Fries und den ionischen Kapitellen über schmalen Pilastern mit Spitzgiebeln am Obergeschoss wahrlich komponiert.

Eleganz und Harmonie spiegeln auch die Ornamentik der Fassade aus rötlichem und weißem Sandstein. Seine Mosaikstruktur verweist auf Vorbilder aus dem Mittelmeerraum. Das Obergeschoss unter dem hohen gotischen Dach aus dem 14. Jh. könnte als Audienzsaal gedient haben, darauf deuten Reste der Wandfresken hin. Die Engel auf dem Fresko sind von Löchern etwas verunziert, denn in der Barockzeit wurde der Untergrund angehackt und darüber ein neuer Putz aufgetragen. Auch die Torbögen waren vermauert. In Deutschland existiert kein Bauwerk, das sich in Ausdruckskraft der karolingischen Renaissance dem Betrachter so überzeugend mitteilt wie die Lorscher Königshalle.
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Die kleine Klosterstadt mit ihren malerischen Fachwerkbauten unterhalb der Königshalle bot uns in der Mittagshitze einen idealen Rastplatz in den gemütlichen Straßenlokalen.

3.8 Mannheim
Im Lorscher Codex (Codx Laureshamensis) wurde 766 erstmals das Dorf "Heim des Manno" erwähnt. Manno ist vermutlich eine Kurzform von Hartmann oder Hermann; wie bei den Franken üblich, leitete sich der Ortsname von einer Person ab. Mannheim, so seit 1262 genannt, an der Mündung des Neckars in den Rhein blieb ein unbedeutendes Fischerdorf. Es fiel 1284 an den Pfalzgrafen bei Rhein aus dem Hause Wittelsbach.
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Friedrich von der Pfalz, "der Siegreiche", bezwang 1462 ein Heer des Grafen von Württemberg, des Markgrafen von Baden sowie des Bischofs von Metz und begründete die pfälzische Vormachtstellung am mittleren Oberrhein. 32  Das Stadtwappen zeigt vorn einen aufrechten roten Doppelhaken auf Gold, hinten in Schwarz den rot bewehrten, bezungten und gekrönten doppelschwänzigen goldenen kurpfälzischen Löwen.
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Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz ließ 1606 den Grundstein zur Festung Friedrichsburg legen. Am 24. Januar 1607 verlieh er Mannheim die Stadtprivilegien. Die vier Sprachen des Dokuments - lateinisch, deutsch, niederländisch, französisch - zielen auf Zuwanderer ab. Der Grundriss wurde an das Schloss angelehnt in 144 Quadraten gitterförmig um ein Achsenkreuz angelegt. Die "Quadratestadt" hat bis heute keine Namen, sondern mit Buchstaben und Zahlen bezeichnete Baublöcke. Die umlaufenden acht Bastionen wurden vor zwei Jahrhunderten beseitigt.

Während des Dreißigjährigen Krieges stand Mannheim mit etwa 1.200 Einwohnern auf der Seite der Protestantischen Union und wurde 1622 von Truppen Tillys zerstört. Kurfürst Karl Ludwig setzte sich für den Wiederaufbau mit französischen, wallonischen und flämischen Kolonisten ein.

Im Pfälzisch-Orleanschen Erbfolgekrieg 1689 erlitt Mannheim mit seinen etwa 6.500 Bewohnern durch Beschuss der französischen Artillerie und Besetzung enorme Schäden. Kurfürst Johann Wilhelm warb für die Rückkehr der Flüchtlinge und den erneuten Wiederaufbau.

Der Übersiedlung des Kurfürsten Karl Philipp aus Heidelberg 1720 verdankte Mannheim seinen höfischen Glanz. Der Kurpfälzische Hof förderte Handel und Wissenschaft, Kunst und Musik. Die Komponistenschule und die Akademie der Wissenschaften genossen europäischen Ruf.

Doch 1778 musste Kurfürst Karl Theodor seine Residenz nach München verlegen, um seine bayerische Erbschaft antreten zu können. Damit setzte ein kultureller und wirtschaftlicher Aderlass ein. In den Koalitionskriegen 1795 erneut von den Franzosen besetzt und von den Österreichern zurück erobert, verlor Mannheim 1803 im Reichsdeputationshauptschluss seine politische Stellung. Die Kurpfalz wurde aufgelöst und Mannheim fiel an Baden.

Mit dem Bau den Rheinhafens 1828 und der Bahnlinie nach Heidelberg 1840 begann eine neue Blütezeit. Das bis heute größte Chemieunternehmen der Welt, die "Badische Anilin- und Soda-Fabrik" (BASF) wurde 1865 gegründet, sie ging aus Friedrich Engelhorns Fabrik für Portavi-Gas hervor und behielt ihren Sitz bis 1925 in Mannheim. 1869 führte Heinrich Lanz amerikanische und englische Landmaschinen ein. 1886 ließ Carl Benz sein "Fahrzeug mit Gasmotorenantrieb" patentieren; aus seiner "Benz & Co. Rheinische Gasmotorenfabrik" gingen die Deutz AG und die Daimler AG hervor. Aus der 1889 gegründeten Bauunternehmung Weis & Bernatz entstand die Bilfinger und Berger AG. Nicht nur die Industrie, auch die sozialdemokratische Arbeiterbewegung hatte von Anfang an starke Wurzeln in Mannheim. 1896 überstieg die Einwohnerzahl 100.000, Mannheim wurde Großstadt.

Bereits im Ersten Weltkrieg wurde die Stadt 46 Mal aus der Luft bombardiert. Im Zweiten Weltkrieg wurde Mannheim durch 150 Luftangriffe zu 51 % zerstört. Es soll Gerüchten nach im Pentagon Pläne gegeben haben, die erste Atombombe auf Mannheim abzuwerfen.

Der Wiederaufbau setzte nur mühsam ein. 1970 war der höchste Stand der Einwohnerzahl mit 333.000 erreicht, heute sind es rund 308.000, was Mannheim nach Stuttgart zur zweitgrößten Stadt Baden-Württembergs macht. Spätaussiedler, Eingebürgerte und Ausländer ergeben zusammen etwa 96.000 Einwohner mit Migrations-Hintergrund. Der Ausländeranteil liegt bei etwa 20 %, von ihnen sind die meisten Türken, gefolgt von Italienern.

Das bis dahin größte muslimische Gotteshaus mit 2.500 Gebetsplätzen, die Yavuz Sultan-Selim-Moschee, wurde 1995 gebaut. Die inzwischen 600 Juden haben seit 1987 wieder eine Synagoge. Fünf der sechs höchsten Häuser Baden-Württembergs stehen in Mannheim. Die drei Wohnhochhäuser, ein Appartementhaus und eine Versicherungszentrale sind jeweils knapp 100 Meter hoch. 33  Dr. Budesheim bezeichnete Mannheim als "ungepflegte Arbeiterstadt" und sogar "hässlichste Stadt Deutschlands" und verweist auf die höchste Arbeitslosigkeit im Bundesland. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb am 27. Januar 2007 über die "als Reinigung missverstandene Vernichtungswut".

Das Schloss wird nur von Nymphenburg in seiner barocken Weitläufigkeit überboten - allein die Stadtfront ist fast 600 Meter breit. Nach Versailles gilt die Mannheimer Residenz als zweitgrößte geschlossene Barockanlage Europas. In vierzig Jahren von 1720 - 60 wechselten fünf Baumeister. Im Zweiten Weltkrieg brannte das Schloss völlig aus. Außenfassade und einzelne Räume wie Treppenhaus, Rittersaal und Bibliotheks-Kabinett der Kurfürstin Elisabeth Augusta wurden wieder hergestellt. Beim vereinfachten Wiederaufbau bis 1962 wurde die Einteilung der Seitentrakte verändert. Einen Großteil der Räume nutzt heute die Universität.

Die Jesuitenkirche St. Ignaz und Franz Xaver wurde als Hofkirche des Kurfürsten zwischen 1733 und 1760 nach Entwürfen von Alessandro Galli da Bibiena aus Bologna geplant und von Franz Rabaliatti weiter geführt. Die Fassade und Ausstattung mit 20 Meter hohem Hochaltar und sechs Seitenaltären vollendete Peter Anton von Verschaffelt aus Gent in Flandern. Die Deckengemälde schuf der Münchner Künstler Egid Quirin Asam. Die Vierungskuppel zieren Szenen aus dem Leben des Ordensgründers Ignatius von Loyola, während das 400 Quadratmeter große Langhausdeckenfresko die Missionsreise des Hl. Franz Xaver nach Indien zeigt. Der Innenraum ist vom Übergang des Spätbarock zum Klassizismus geprägt. Die mächtige Vierungskuppel ragt 75 Meter hoch auf. Die über 100 Meter lange und 3.000 Personen fassende Jesuitenkirche ist nach dem Kunsthistoriker Dehio das bedeutendste Barockbauwerk Südwestdeutschlands.

Im Zweiten Weltkrieg wurden durch britisch-amerikanisches Bombardement Hochaltar, Fürstenlogen, Kanzel und sämtliche Asam-Fresken völlig vernichtet. Erst 1960 konnte der gesamte Kirchenraum wieder begangen werden. Die 1997 fertig gestellte gelungene Restaurierung des Inneren lässt das Verlorene fast vergessen. 34

Im barocken Zeughaus von 1777 - 79 und gegenüber ist das Reiss-Museum untergebracht. Es birgt stadtgeschichtliche, völkerkundliche und archäologische Sammlungen. 35
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3.9 Heidelberg
"Alt-Heidelberg, du feine ...", diese Gedichtzeile Joseph Victor von Scheffels erinnere ich noch aus meiner Kindheit. Die romantische alte Stadt mit mildem Klima und der ältesten Universität auf deutschem Boden ist heute ein Touristenmagnet - für 3 ½ Mio. Besucher, davon 1 ½ Mio. an den Ruinen des Schlosses.

2004 und 2007 bewarb sich Heidelberg um den Status als Weltkulturerbe der UNESCO - vergeblich. Aus einer Schneiderfamilie in Heidelberg stammt der erste deutsche Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD). Das Wappen zeigt den rot bewehrten, bezungten und gekrönten goldenen pfälzischen Löwen auf schwarzem Grund, auf einem "Dreiberg" stehend.
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Weltbekannt ist der "Homo heidelbergensis", der Heidelbergmensch. Dieser Urmensch - sein Vorfahr war der Homo antecessor oder Homo erectus - lebte vor 600.000 bis 200.000 Jahren in Europa und Afrika; aus ihm ging der Homo neanderthalensis hervor. In Mauer südlich von Heidelberg wurde 1907 der Unterkiefer gefunden, einer der ältesten Urmenschenknochen in Europa überhaupt. Der Heidelbergmensch unterschied sich von früheren Urmenschen durch sein vergrößertes Gehirnvolumen von etwa 1.200 Kubikzentimetern, größte Gehirnbreite an den Schläfen statt an der Basis, steilere Stirn, kleinere Überaugenwülste, weniger vorspringenden Kiefer, kleinere Zähne sowie schlankeren Körperbau bei einer Höhe von 1,70 bzw. 1,60 Metern (Mann/Frau). 36

Eine Furt durch den von Osten nach Westen aus dem Odenwald hervor fließenden Neckar lockte seit jeher Siedler in das enge Tal, 22 Kilometer vor seiner Mündung in den Rhein. Keltische Ringwälle auf dem 445 Meter hohen Heiligenberg stammen aus dem 5. Jh. v. Chr. Und Funde aus der Römerzeit bezeugen eine frühe Blüte, mit einem steinernen Kastell aus dem Jahr 90 n. Chr. und einer Steinpfeilerbrücke über den Neckar aus dem Jahr 200, die mit dem Alemannensturm um 260 n. Chr. endete. Die germanischen Alemannen wurden 506 vom Merowingerkönig Chlodwig I. besiegt, der das Gebiet dem Frankenreich eingliederte und zugleich christianisierte.

Bergheim, heute ein Stadtteil von Heidelberg, wurde 769 im Lorscher Codex erwähnt. Auf dem Heiligenberg entstand an der Stelle des römischen Merkurtempels ein Michaelskloster als Filiale von Lorsch. Erstmals wurde Heidelberg 1196 erwähnt als Besitz des Bistums Worms. Kaiser Friedrich I. Barbarossa hatte 1156 seinen Halbbruder Konrad den Staufer zum Pfalzgrafen bei Rhein ernannt. Die Pfalzgrafschaft entwickelte sich unter der Dynastie der Wittelsbacher zu einem der größten Territorien im Heiligen Römischen Reich. Herzog Ludwig von Bayern wurde 1225 mit der Burg und dem Marktflecken Heidelberg als Pfalzgraf belehnt. 1235 umgaben Mauern die Talstadt. Heidelberg wuchs rasch, als 1356 mit der Goldenen Bulle Ruprecht I. die Pfälzer Kurwürde erhielt und 1386 die Universität gründete. Das Dorf Bergheim wurde 1392 aufgelöst, das Stadtgebiet verdoppelt. Im Jahr 1400 wurde Ruprecht deutscher König, Heidelberg Residenzstadt.

Die reformatorischen Ideen Martin Luthers verbreiteten sich auch in Südwestdeutschland. Kurfürst Ottheinrich erklärte ab 1556 den Protestantismus zur Staatsreligion. Sein Nachfolger Friedrich III. wandte sich dem Calvinismus zu. Unter den folgenden Kurfürsten wechselte die Konfession mehrfach zwischen Calvinismus und Luthertum.

Friedrich V. verwickelte sich als Führer der protestantischen Union; er ließ sich zum König von Böhmen wählen, wurde aber 1620 auf dem Weißen Berg vor Prag geschlagen und ging als "Winterkönig" in die Geschichte ein. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Heidelberg mehrmals besetzt.

Im Kampf gegen den Protestantismus eroberte der katholische Heerführer Johann Tserclaes Graf von Tilly Heidelberg und "erbeutete" die berühmte, 15.000 Schriften und Bücher umfassende, Bibliotheca Palatina. Sie wurde vom ebenfalls katholischen Herzog Maximilian I. von Bayern an Papst Gregor XV. "verschenkt" und wird bis heute in der Bibliotheca Vaticana verwahrt. Der Papst bestritt, die Bücher erhalten zu haben, jedoch hatten die Wittelsbacher sie mit ihren Rauten gekennzeichnet. Ende des 19. Jhs. hieß die Verwahrung "Gewohnheitsrecht", Bundespräsident Richard von Weizsäcker nannte sie "Ausleihe", wie uns die Stadtführerin Frau Susanne Hofer von Lobenstein erklärte. Deutsche Steuerzahler haben inzwischen die Restaurierung der Bücher bezahlt.

Im Westfälischen Frieden wurde 1648 die Kurpfalz wieder hergestellt, verlor aber viel an politischem Gewicht. Als Kurfürst Karl II. 1685 kinderlos starb, erlosch die Linie Pfalz-Simmern des Hauses Wittelsbach, die Kurwürde ging auf die katholische Nebenlinie Pfalz-Neuburg über. Um die Erbansprüche Ludwigs XIV. von Frankreich aus der Ehe seines Bruders mit Elisabeth Charlotte, bekannt als Lieselotte von der Pfalz, entstand ein neuer Zwist - dieser Pfälzische Erbfolgekrieg brachte 1688 und 1693 die völlige Zerstörung von Schloss und Stadt.

Der Bau eines Barockschlosses auf dem Gebiet des heutigen Stadtteils Bergheim scheiterte am Widerstand der Heidelberger Bürgerschaft. Karl III. Philipp überließ Heidelberg seinem Schicksal, ja er wünschte der alten Stadt sogar, dass "Gras auf ihren Straßen wachsen" solle verlegte seine Residenz 1720 nach Mannheim. Heidelberg verlor seine Stellung als politisches Machtzentrum und litt auch wirtschaftlich durch den Weggang des Hofstaates. Die Stadt wurde dennoch im Stil des Barock neu aufgebaut - und sollte nach eineinhalb Jahrhunderten wieder katholisch werden, wozu die Jesuiten angesiedelt wurden. Doch die Pfälzer wollten es nicht und wanderten überallhin aus.

1803 kam nach der Auflösung der Kurpfalz auch Heidelberg an Baden, die Universität wurde von Großherzog Karl Friedrich 1806 neu gegründet. Die "Heidelberger Romantikerschule" mit den Dichtern Ludwig Achim von Arnim, Clemens Brentano, Joseph von Eichendorff und Friedrich Hölderlin sowie den Malern Carl Philipp Fohr, Ernst Fries und Karl Rottmann begründeten den Ruf des "romantischen Heidelbergs". Die landschaftlichen Reize und die pittoreske Schlossruine waren die Anziehungspunkte.

An der "Ruperto Carola", der Ruprecht-Karls-Universität, wurden im Vormärz 1848 nationale, liberale und demokratische Ideen verbreitet. Die Heidelberger Versammlung setzte maßgebliche Impulse zum Vorparlament und zur Frankfurter Nationalversammlung. Baden rief preußische Truppen zur Hilfe, die den Maiaufstand nieder schlugen. (unten: Wappen an Hofapotheke)
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Die Industrialisierung ging an Heidelberg ohne größere Spuren vorbei. Der Tourismus entwickelte sich nach dem Bahnanschluss von 1840. Im Jahr der Reichsgründung lag Heidelbergs Einwohnerzahl bei 20.000, die sich in sechs Jahrzehnten vervierfachte. In der NS-Zeit verlor die Universität ein Drittel ihres Lehrkörpers aus rassischen oder politischen Gründen. Als eine der wenigen großen deutschen Städte überstand Heidelberg den Zweiten Weltkrieg nahezu unversehrt. Zugewanderte Flüchtlinge ließen die Stadt 1946 zur Großstadt anwachsen, als die Schwelle von 100.000 Einwohnern überschritten wurde.

Die amerikanischen Truppen marschierten ein, ohne auf nennenswerten Widerstand zu treffen. Die US-Armee und die NATO richteten hier in ihrer Besatzungszone hohe Kommandostellen ein. Die Soldaten, Angestellten und deren Angehörigen sollen etwa 20.000 in der amtlichen Statistik nicht erfasste Personen zählen. Rund 143.000 Einwohner machen Heidelberg zur fünftgrößten Stadt in Baden-Württemberg. Mit Heidelberger Druckmaschinen und Heidelberg-Cement stehen zwei Industrie-Aktiengesellschaften mit internationaler Bedeutung auf den Kurszetteln. 37
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Die Heiliggeistkirche ist das bekannteste Gotteshaus Heidelbergs (Foto links). Mit ihrer majestätischen Fassade beherrscht sie gemeinsam mit der Silhouette der Schlossruine die Neckarstadt. 1230 erstmalig erwähnt, wurde der Grundstein für den heutigen Bau von Kurfürst und König Ruprecht 1398 gelegt. Der Hallenchor stammt von 1410, das Langhaus von 1441, und der Turm wurde 1508 vollendet. Der Turm bekam Anfang des 18. Jhs. seine barocke Spitze. Der Chor war Grablege der Kurfürsten. Einst wurde auf der Empore die damals reichste Schriftensammlung Europas, die Bibliotheca Palatina, aufbewahrt. Von 1705 bis 1936 schied eine Trennmauer den katholischen Chor vom protestantischen Langhaus der Simultankirche.

Älter ist die Peterskirche, etwa 900 Jahre. Sie wurde im Mittelalter zur Universitätskapelle und dient als letzte Ruhestätte für etwa 150 Professoren und kurfürstliche Hofleute. Davon zeugen zahlreiche Grabmale und -steine in und bei der Kirche, die teilweise barock und neugotisch umgestaltet wurde.
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Im Jahr 1386 gründete Ruprecht I. nach dem päpstlichen Privileg eines "Studium generale" die Universität Heidelberg als dritte Hochschule im Heiligen Römischen Reich nach Prag und Wien. Seine Nachfolger, insbes. der Wormser Bischof Johann III., entwickelten die Universität gegen Ende des 15. Jhs. zu einer Hochburg des frühen Humanismus. An Stelle des Casimirianums von 1588 wurde ab 1712 die Alte Universität, Domus Wilhelma, erbaut.

Eines ihrer bedeutendsten Gebäude ist die Universitäts-Bibliothek von 1901 - 05. Der damals neue Typ der Magazin-Bibliothek wird mit repräsentativer Architektur verbunden, der auch Einflüsse des Jugendstils aufweist. Sie beherbergt auch ein Museum mit einer Vielzahl alter Handschriften und Codices, zu denen die berühmteste deutsche Liederhandschrift, der Codex Manesse, gehört. - Auch wir flüchteten uns bei einsetzendem heftigen Regen in die Bibliothek und bestaunten die Drucke der Romantik im klimatisierten Schauraum im ersten Stock. Die Neue Universität entstand ab 1930 und bezog den Hexenturm der Stadtmauer ein. 500.000 Gold-Dollar zum Bau kamen aus den USA. Heidelberg war die erste Universität mit Frauen- und Alten-Studium. (links: Haus zum Ritter)

Der offizielle Name der Alten Brücke ist Carl-Theodor-Brücke. Sie gehört zu Deutschlands ältesten Flussbrücken und wurde 1284 38  erstmals urkundlich erwähnt. Mit ihren neuen Bögen aus rotem Sandstein wurde das heutige Bauwerk nach einem großen Eishochwasser 1784 errichtet. Von der Wehrmacht am 29. März 1945 gesprengt, war sie zwei Jahre später aus Spendenmitteln der Bürgerschaft vollständig wieder hergestellt. Der nördliche Hauptzugang zur Stadt ist mit dem Brückentor, dessen barocke Helme 1788 aufgesetzt wurden, geschützt.

Die Bergbahn wurde bereits 1873 begonnen. Sie fährt 132 Meter hinauf zur Molkenkur-Aussicht und damit zur Schlossruine, seit 2005 mit neuen Wagen, und von dort weiter auf den Königsstuhl. Auch wir nutzten den unteren Streckenabschnitt. Darüber hinaus bestand Gelegenheit für uns zum Einkaufen, denn Heidelberg hat eine der besten Einzelhandels-Strukturen, die ich in Deutschland kennen gelernt habe. Zu Mittag ließen wir uns den berühmt-berüchtigten "Pfälzer Saumagen" schmecken.

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