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3 Die Schlösser und Herrenhäuser
3.1 Schwarzbach/Czarne
Schwarzbach liegt ganz nah am Rand der Stadt Hirschberg. Auf polnisch heißt es Czarne, was schon fast mit Palast (Palac) übersetzt werden kann. Eigentlich ist es von seiner Größe ein Dwór, was "Herrenhaus", wörtlich "Hof", bedeutet. Diese, mit Prof. Matthée diskutierte, und viele andere Erklärungen gab uns in gutem Deutsch der Magister Jacek Jakubiec, der uns morgens vor "seinem" Haus empfing.

Einen von einem Wassergraben umgebenen vierseitig geschlossenen Hof gab es hier schon früh, bereits im Zehntregister vor sieben Jahrhunderten tauchte er auf. Urkundlich findet sich das Jahr 1478, als der Sohn des Hanns Schaff-Gotsche, Graf Caspar von Schaffgotsch, neben Fischbach und zwei weiteren Gütern auch Schwarzbach erbte. Graf Caspar war Kanzler des Herzogtums Schweidnitz-Jauer; er ließ das Schloss 1559 als geschlossene Vierflügelanlage mit westlichem Turm und Renaissance-Portal erbauen.

Im Dreißigjährigen Krieg beschädigte 1623 ein Brand das Gebäude stark, es wurde erst 1656 wieder aufgebaut. Der Sohn des Bauherren Ernst von Nimptsch verkaufte 1679 das Schloss an den Magistrat von Hirschberg, dem es bis heute gehört. Nach einem Brand von 1718 baute man neben der barocken Turmhaube parallel zum Ostflügel einen weiteren Flügel an. 1801 zerstörte ein Brand sämtliche umgebenden Wirtschaftsgebäude. 1885 beschädigte ein weiteres Feuer Schloss und Vorwerk. Der äußere barocke Ostflügel wurde danach abgebrochen.
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Die deutsche Familie Rahm blieb bis 1946; der folgende polnische Pächter verwaltete das Gut offenbar umsichtig, bis es 1948 eine staatliche landwirtschaftliche Produktions-Genossenschaft übernahm. Seit Mitte der 60er Jahre war das Schloss ungenutzt und verfiel zur Ruine. 1983 begannen erste Rettungsmaßnahmen. Ab 1990 folgten bis heute andauernde Instandsetzungsmaßnahmen. 29

Die Nebengebäude machen einen sehr ramponierten Eindruck und wurden schon teilweise abgetragen. Die Landwirtschaft mit noch 250 Kühen hört bald ganz auf. Große Mengen woanders geborgener Bauteile liegen auf dem freien Platz herum.

Die Mauern des Schlosses sind ganz ohne Putz, auch Wappen fehlen. Lediglich das frisch eingedeckte Dach bereitet Hoffnung. Die unverputzten Wände verraten aber auch mehr zur Entstehungsgeschichte. Die Fenster im Turm haben noch keine Entlastungsbögen, sie sind daher älter. Die Wand des Schlosses um den Innenhof lässt noch die Stellen der angebauten Schornsteine am schwarzen Sott erkennen. Der Innenhof war von hölzernen Galerien umgeben, die Balkenlöcher sind heute sichtbar. Vier Aufgänge führten nach oben und sollen wieder nachgebaut werden. Herr Jakubiec möchte daher sich mit dem Verputz nicht beeilen, bevor die Wände nicht ganz "abgelesen" worden sind.
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Wir besichtigten einige der Innenräume, die zum Teil als Lager für steinerne Bauzier (Fotos unten) dienen, aber auch Büros und einen Hörsaal. Im Hörsaal erklärte uns Magister Jakubiec die Stiftung für ökologische Kultur, deren Vorsitzender er ist, die Zusammenarbeit mit dem Görlitzer Denkmalzentrum und die Euroregion Neiße. 30  Dass sich hier eine Institution dem Umweltschutz widmet, ist kein Zufall. Das Dreiländereck galt in kommunistischer Zeit als "schwarzes Dreieck", weil seine Landschaft durch Kohlekraftwerke stark verschmutzt war.

Die Initiative zur Euroregion ging von den drei Präsidenten aus, die Nachbarstädte Zittau (D), Liberec (CZ, Reichenberg) und Jelenia Góra (PL, Hirschberg) zusammen zu führen. 1991 wurde ein 30-köpfiger Rat in Zittau gegründet. Drei Vereine, demokratisch gewählt, tragen ihn; dieses Experiment funktioniert seit 17 Jahren. Herr Jakubiec musste sich am Anfang schlimme Vorwürfe anhören bis zur "5. Kolonne" und "privater Außenpolitik", denn die Zentralregierung in Warschau wusste nichts. Dann hat er 1994 mit dem Wojewoden dem Sejm alles erklärt.
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Die Euroregion Neiße ist als eine von 15 in der EU etabliert. Ihre Werte sind Umwelt- und Denkmalschutz. 1,3 Mio. Euro sind an EU-Geldern geflossen. Jacek Jakubiec hofft, in drei bis vier Jahren fertig zu sein. Polen erwartet von der EU von 2009 - 13 insgesamt 90 Mrd. Euro; die Regionen haben die Aufgabe, sie aufzuteilen. "Die Natur regeneriert sich schnell, schlimmer ist es mit den Denkmälern, das müssen wir Menschen machen", resümiert Jakubiec. Die Luft enthält jetzt 96 % weniger Schadstoffe. Magister Jakubiec Traum ist ein "Öko-Bauhaus" mit der gleichen Bedeutung wie einst das Bauhaus in Weimar und Dessau. Eine Flagge hat sein verstorbener Onkel, ein berühmter Grafiker, bereits entworfen (Bild oben rechts).
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3.2 Erdmannsdorf/Myslakowice
Die Gemeinde mit etwa 4.500 Einwohnern liegt etwa auf halben Wege zwischen Hirschberg und Krummhübel entlang der Flüsse Bober und Lomnitz. Die Ursprünge von Erdmannsdorf reichen zurück bis 1305. Zuerst den Herren von Molberg gehörend, ging der Besitz zwei Jahrhunderte später an Hans von Zedlitz, später die Familie von Stange und schließlich 1595 an die Familie von Reibnitz. Maximilian Leopold von Reibnitz ließ 1751 einen Vorgängerbau zu einem zweigeschossigen, dreiflügeligen Bau mit Mansarddach barock umbauen. Es folgten drei weitere Besitzer.
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1816 tauschte der pensionierte, in den Grafenstand erhobene, Generalfeldmarschall August Neithardt von Gneisenau sich dieses Gut gegen ein anderes ein. Er schrieb damals: "Die Gegend ist himmlisch, die Mittagsseite (zur Schneekoppe) großartig, die Mitternachtsseite (nach Lomnitz) höchst lieblich. Da sind Wälder und Teiche und Waldung und die schönsten Wiesen. Ich hoffe, mit einiger Verstandesanstrengung, eines der schönsten Güter zu bilden, das die Erde hat."
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Graf Gneisenau ließ das Schloss klassizistisch umgestalten und um ein Mezzanin sowie ein durchfenstertes Belvedere mit Flachkuppel erhöhen. König Friedrich Wilhelm III., der häufig hier zu Besuch kam, erwarb das Schloss 1832 nach Gneisenaus Tod für 136.000 Taler. Er ließ es als Sommersitz für die königliche Familie einrichten. Anders als manchmal berichtet, wirkte der Oberbaudirektor Karl Friedrich Schinkel nur mit wenig Einfluss auf den Umbau von Schloss Erdmannsdorf, er beriet seinen König lediglich zur Werterhaltung und Ausstattung. Zusätzlich zur Renovierung wurden eine Orangerie sowie ein Kavalierhaus seitlich errichtet. Unter dem Gartenbaudirektor Peter Joseph Lenné wurde einer der schönsten Landschaftsgärten Schlesiens angelegt. 31

Die evangelische Pfarrkirche entwarf Schinkel von 1836 - 40; der Portikus mit altrömischen Säulen aus Pompeji wurde 1858 vorgebaut. König Friedrich Wilhelm III. überließ 1838 einen großen Teil seines Grundbesitzes in Erdmannsdorf an protestantische Glaubensflüchtlinge aus dem Zillertal in Tirol, Österreich. Gräfin Friederike von Reden, die mit dem König in regem Austausch stand, gab die Initiative dazu, hier im höchstgelegenen Teil Preußens, typisch alpenländische Streckhöfe zu errichten. Die sog. Exulanten, genauer Zillertaler Inklinanten, ließen den Ort in Zillerthal-Erdmannsdorf umbenennen. 32

Nach des Königs Tod 1839 behielt die Fürstin von Liegnitz, die dem König "zur linken Hand", also morganatisch angetraut war, den Besitz von Erdmannsdorf. Sie verkaufte ihn kurz darauf an den neuen König Friedrich Wilhelm IV.
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Friedrich Wilhelm, genannt der Romantiker auf dem Preußenthron, der lieber Architekt geworden wäre und über 3.000 Zeichnungen hinterließ, ließ das Schloss ganz neogotisch umbauen. Die Pläne zeichnete sein Architekt Friedrich August Stüler. Bis 1844 erhielt der barocke Baukörper links einen einstöckigen Speisesaalanbau. Das abgebrochene Belvedere auf dem Dach wurde durch einen hohen Achteckturm mit Aussichtsplattform ersetzt. Die Mauern wurden nach Art des britischen Tudor-Stils mit Zinnenkränzen abgeschlossen, die Fenster bekamen typische Verdachungen, die Fassade einen genuteten Verputz. Schloss Erdmannsdorf blieb Sommersitz der königlichen Familie.

1909 wurde das Kronfidei-Kommissgut aufgelöst, das Schloss an einen Privatmann verkauft und sein Inventar versteigert. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte es zuerst die Rote Armee in Gebrauch. Die Branntwein-Monopolbehörde nutzte danach nicht das verfallende Schloss, sondern nur dessen Nebengebäude. Seit 1951 - bis heute - dient das Schloss als Schulgebäude im Besitz der Gemeinde. Im 1. Obergeschoss, im Büro des Schulleiters, sollen sich Bilder von früheren Schlossansichten an den Wänden befinden. Wir besuchten ihn jedoch während des Unterrichts nicht. Auch den als Sporthalle dienenden Speisesaal betraten wir nicht, für dessen Nutzung sich der Sportlehrer im Dokumentarfilm schämte. Darin hieß es sogar, wer der Gemeinde eine neue Schule baue, könne das Schloss geschenkt bekommen. Statt dessen beäugten wir den brütenden Storch auf einem der gedrehten Schornsteine.
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Am Ortsrand, in der ul. Starowiejska 14, steht der Tiroler Hof von 1824, das dem österreichischen Bundesland Tirol sowie sechs Tiroler Herkunftsgemeinden der Exulanten gehört. Im Haus befinden sich seit der Sanierung 1998 eine bis in den Dachraum offene Gaststätte und auf dem Speicherboden eine kleine Ausstellung. 32a
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3.3 Buchwald/Bukowiec
Der Ort Buchwald wurde bereits 1305 erstmals urkundlich erwähnt mit einem Heinko von Zedlitz. Wohl erst in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. wurde ein erstes "Festes Haus" mit umgebendem Wassergraben erbaut. Von diesem blieben die Grundmauern, Kellergewölbe und Teile des Erdgeschosses mit fragmentarischen Wandmalereien aus dem 17. Jh. erhalten. Seit 1579 ließ Georg von Reibnitz hier einen protestantischen Betsaal einrichten. Johann Maximilian von Reibnitz ließ um 1744 das kleine Renaissance-Schlösschen umfassend erweitern und mit einem Mansarddach versehen.

Nach mehreren Zwischenbesitzern erwarb Freiherr Friedrich Wilhelm von Reden 1787 das Anwesen. Er war preußischer Oberbergrat und Direktor des Oberbergamtes in Breslau und wurde in den Grafenstand und zum Geheimen Oberfinanzrat erhoben. Nach seiner Heirat 1802 wurde er zum Minister ernannt. Reden galt als der maßgebliche Initiator des oberschlesischen Bergbauwesens und der Industrialisierung.
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Das Schloss ließ er im klassizistischen Stil umbauen. Gleichzeitig ließ er einen großartigen Landschaftspark gestalten. Der Park war einer der größten seiner Art in Schlesien und wurde schon von den Zeitgenossen zu den wertvollsten und schönsten in Preußen gezählt. Zeitgenössische Reisehandbücher Schlesiens behandelten den Park äußerst ausführlich. Der Park ist geprägt von der "romantischen Idee", die zum Genuss der Landschaft und der Kontemplation anregen sollte durch die Gestaltung von schönen Plätzen mit Ausblicken in die weite Landschaft hinaus.

Typisch für diesen Stil verbindet er die natürlich gewachsene Landschaft mit ihren bewaldeten Höhen und den Teichen mit dem gestalteten Park, die ineinander übergehen und durch charakteristische Bauten geschmückt wurden. Auf einer mit Buchen bewaldeten Anhöhe entstand das Belvedere. Dieser klassizistische Pavillon (oben links im Bild) und einige andere der zahlreichen Parkbauten sind noch erhalten wie das Mausoleum und der als künstliche Ruine angelegte Aussichtsturm.
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Nach seinem Tod 1815 erbte die 22 Jahre jüngere Witwe Friederike den Besitz. Deren soziales Engagement und die Bemühungen um die Ansiedlung der Tiroler Glaubensflüchtlinge aus dem Zillertal 1837 hatten sie über Preußen hinaus bekannt gemacht. Auch die Rettung der Stabkirche Wang geht auf ihre Initiative zurück.

Die Familie von Rotenhan erbte den Besitz und behielt ihn bis 1945. Der schlesische Provinzial-Konservator Günther Grundmann stellte 1936 das gesamte Inventar, Mobiliar und die Kunstsammlungen unter Denkmalschutz; das Belvedere wurde restauriert.

Nach dem Krieg wurde das Schloss Schule, Ferienhaus der Universität und des Polytechnikums Breslau, danach Mustergut der Tierärztlichen Hochschule und Jugend-Begegnungsstätte. Während das Schloss in gutem Zustand blieb, verwilderte der Park. 1984 richtete die Wojewodschaft im Schloss eine Landwirtschafts-Akademie ein.

Das Belvedere, ein Aussichtspavillon nach Art eines griechischen Tempels, versteckt sich oberhalb des Gutshofes. Es ist so angelegt, dass man nach Südosten, gerahmt durch dorische Säulen, in der Sichtachse einen weiten Blick auf das Riesengebirge mit der Schneekoppe hat. Das war die Überraschung, wenn man früher von der Rückseite den Pavillon betrat. Das Giebeldreieck trug die Widmungsinschrift in Latein, die übersetzt bedeute: "1804 der innig geliebten Gattin Friedrich Wilhelm Graf Reden". Über der Säulenstellung befand sich ein Relief aus Stuck, das spielende Kinder darstellte, und nur in Fragmenten erhalten blieb. Rechts und links befanden sich bis 1936 Anbauten, die einen Teesalon und eine Bibliothek enthielten. Im Inneren standen in den Nischen Büsten des Ministers von Heinitz, des Adoptivvaters des Grafen, und des Baumeisters Friedrich Gilly. Die Wände schmückte ein Akanthusfries. 1997 führte das Warschauer "Zentrum zum Schutz historischer Landschaften" Aufräumarbeiten durch. Auf einer Fläche von 4,5 Hektar wurde der Wildwuchs entfernt. Der Eigentümer, die "Staatliche Agentur für landwirtschaftlichen Besitz", wurde vom Denkmalamt in Jelenia Góra verpflichtet, das schon zum Abriss frei gegebene Gebäude zu sanieren, das Dach wieder herzustellen und die Wände zu verputzen. Aus Spendenmitteln des "Vereins zur Pflege schlesischer Kunst und Kultur" wurde der Sandsteinfußboden restauriert. Für die nächste Zeit ist auch die Wiederherstellung der Inschrift und des Frieses geplant. 33

Im Schloss wurden die wertvollen Stukkaturen des Erdgeschoss-Saales restauriert. 34 Wir bestaunten diesen Stuck im kleinen Kaminsaal und gingen links am Herrenhaus zwischen zwei großen Ställen hinauf zum Aussichtstempel. Eine schöne Wanderung durch die Frühlingslandschaft zwischen Wiesen und Teichen zum Mausoleum schloss sich an.

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