3 Städte in der Region der oberen Mosel
3.1 Thann
Im Oberelsass, im Département Haut-Rhin, in der Vorbergzone der Vogesen, 340 Meter über dem Meer, am Fluss Thur, liegt Thann. Die Kleinstadt, umgeben von steilen, bewaldeten Berghängen, beherbergt heute rund 8.000 Einwohner.

Bereits 1290 bzw. 1304 wurde Thann erstmals als "Landstadt", 1360 als Stadt genannt. 1324 kam sie an Habsburg und mit dem Westfälischen Frieden von 1648 an Frankreich. Von 1871 bis 1919 gehörte sie zum Reichsland Elsass-Lothringen. 13

Die Hauptattraktion von Thann ist ihr gotisches Münster St. Theobald bzw. Saint Thiébaut. Unsere Führerin meinte, Straßburg habe den höchsten Münsterturm mit 142 Metern, Freiburg den dicksten und Thann den schönsten. Oder auf Französisch: "Le clocher de Strasbourg est le plus haut, Celui de Fribourg le plus gros, Mais celui de Thann le plus beau."
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Stadt und Wallfahrt gehen auf eine poesievolle Legende zurück. 1160 verstarb im italienischen Gubbio der Bischof Theobaldus. Dieser hatte zeitlebens sein ganzes Vermögen an die Armen verschenkt und seinem leer ausgegangenen Diener als Lohn seinen Bischofsring versprochen. Als der Diener dem toten Bischof den Ring abstreifen wollte, ging vom Daumen das ganze obere Glied mit ab. Der Diener verbarg Daumen mit Ring im Knopf seines Reisestabes und ging in seine lothringische Heimat. Ermüdet lehnte er seinen Stab an eine Tanne und legte sich zum Schlafen nieder. Als er erholt weitergehen wollte, konnte er den wie am Boden angewurzelten Stab nicht mehr weg nehmen. Der auf der Engelsburg wohnende Graf von Pfirt erblickte drei flammende Lichter, wonach er herbei eilte und versprach, eine Kapelle zu errichten. Und der Stab ließ sich wieder weg nehmen. Alljährlich am 30. Juni, am Vortag des Patronsfestes, wird dem sagenhaften Ursprung der Stadt gedacht. (Foto unten: Relief am Altar im rechten Seitenschiff)

Bereits 1287 entstand ein dem Hl. Theobaldus geweihtes Gotteshaus, wohin immer mehr Pilger kamen. Ihre Opfergaben erlaubten bald eine auf Prachtentfaltung ausgerichtete neue Theobaldus-Kirche, das heutige Münster, zu errichten.
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Das südliche Seitenschiff wurde in der ersten Hälfte des 14. Jh. erbaut, der Turm der Urkirche beibehalten. Mit dem unteren Teil der Westfassade wurde begonnen. 1351 wurde die Baustelle für den Chor und den Turmunterbau eingerichtet. Um 1400 wurde das Marienleben am Hauptportal dargestellt. 1423 wurde der Chor geweiht, von 1430 - 92 das nördliche Seitenschiff in der flammenden Spätgotik angebaut (Foto rechts). 1495 erhielt das Mittelschiff sein rheinisches Netzgewölbe.
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1516 schließlich stellte der Basler Meister Remigius Faesch den Turmhelm in 78 Metern Höhe fertig. Von 1629 - 31 wurde die Muttergottes-Kapelle an die Südseite angebaut.

(Foto unten links: ängstlich schaut der Bischof, ob der Gurt seine Statue auf dem Podest wohl halten wird?)
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Von 1887 - 95 wurde das Münster durch Charles Winkler restauriert und vollendet. Es erhielt sein heutiges Aussehen mit Fialen auf den Strebepfeilern und bunten Ziegeldächern. Zu dieser Zeit schuf der Bildhauer K. Hils die meisten Heiligen-Standbilder, von denen es 87 statt vorher 31 gibt und die das Münster prägen. Nach 1949 mussten die rund 500 Einschläge des Krieges ausgebessert werden.

Chor und Mittelschiff sind jeweils 22 Meter lang. Der Chor war den 1442 hierher übergesiedelten Chorherren vorbehalten, während das bis 1716 durch einen Lettner abgetrennte Langhaus der Pfarrgemeinde diente. Das Doppelportal ist 15 Meter hoch und acht Meter breit. Sein üppiger Schmuck kommt in 150 Szenen und über 500 Figuren kraftvoll und oft pittoresk zum Ausdruck. Direkt über dem Portal erscheint Christus als Weltenrichter, umgeben von Johannes dem Täufer und der Gottesmutter Maria. Hoch oben segnet der Hl. Theobald, begleitet von zwei Pilgern, seine Stadt.
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Das Hauptportal ist dem Marienleben gewidmet. Ein Pfeiler mit der Muttergottes-Statue trennt die beiden Pforten. Zwei Tympana, eines über jeder Pforte, werden von einem großen, die ganze Breite einnehmenden, Bogenfeld überspannt. In fünf Streifen wird die biblische Geschichte um Maria und Josef erzählt. Fünf Hohlkehlen umrahmen die drei Bogenfelder. Von außen nach innen stellen sie musizierende Engel, die Kirchenväter, alttestamentarische Könige und die Evangelisten ganz rechts dar, gefolgt von der Schöpfungsgeschichte, dem Tod der Apostel und den ersten Märtyrern. Von den beiden kleinen Tympana stellt das linke die Kreuzigung und das rechte Christi Geburt dar.

Im Inneren beeindruckt der 22 Meter hohe 5/8-Chor mit Buntglasfenstern von 1423 - 30. Diese stellen die Genesis, die zehn Gebote, das Leben, Leiden und Sterben Jesu, das Marienleben, Taten des Hl. Theobald in Wollin (Pommern) und Hamburg sowie das Martyrium der Hl. Katharina dar. Das Thanner Chorgestühl von 1442 gilt als das besterhaltene im Elsass. Es ist ein Meisterwerk einfallsreicher Bildschnitzerkunst.

In der Muttergottes-Kapelle fasziniert die polychromierte Holzplastik der Winzer-Madonna von 1510 mit ihrer ergreifenden Schönheit. Der Zunft der Rebleute kam im Mittelalter eine hohe Bedeutung zu. Schelmisch lächelnd versteckt das Jesuskind eine Weintraube hinter seinem Rücken, während die Mutter verständnisvoll lächelt. 14

3.2 Épinal
Die Stadt Épinal, auf Deutsch einst Spinneln 15 genannt, entstand in der Umgebung eines Klosters. Dieses wurde, mit einem Markt und einer "kleinen Stadt" Spinalem 980 auf Initiative des Bischofs von Metz, Thierry von Hamelant, gegründet. Die Stadt wurde schnell ein politischer, wirtschaftlicher und kultureller Anziehungspunkt zwischen den "4 Nationen" Lothringen, Elsass, Freigrafschaft Burgund und Champagne. 16 (Unten: Ansicht von 1626)
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Von der beherrschenden Burg auf einem hohen Berg stehen seit 1670 noch Ruinen. Nach der humanen und wirtschaftlichen Katastrofe der Kriege des 17. Jh. erholte sich die Stadt vor allem durch den Handel mit Tonwaren, Papier und Tuchen. 1766 fiel Épinal mit Lothringen an Frankreich. Berühmt ist die 1664 gegründete "Imagerie Pellerin", deren Bilderbogen, genannt "Images d'Épinal", seit 1796 gedruckt wurden. Für sie wurde das Internationale Bilderbogen-Museum eingerichtet. Der Anschluss an Deutschland 1871 brachte Wohlstand; Épinal zog mit Verdun gleich. - Die schon ganz französisch wirkende Stadt an der Mosel ist heute Hauptstadt des Départements Vosges; ihre Einwohnerzahl wird zwischen 36.000 und 41.000 angegeben. 17

In der Stiftskirche St. Moritz bzw. Saint Maurice aus dem 13. und 14. Jh. treffen die Baustile der "4 Nationen" aufeinander. Der Westturm stammt noch aus dem 9. bis 11. Jh. Der aus dem benachbarten Toul stammende Papst Leon IX. Weihte 1051 die Kirche. Hier wurden einst Reliquien eines Wundertäters aufbewahrt, die angeblich gegen Zahnschmerzen und Hunger halfen. Am Hauptportal an der Südseite waren einst über 100 Statuen aufgestellt. Außer dem Altar ging in der Revolution alles verloren.
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Wir erreichten die Stadt am Abend, um noch einen Stadtbummel bis zu einem Straßenlokal zu unternehmen. An diesem Abend lief das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft, das im Elfmeterschießen Italien mit 5 : 3 Toren gegen Frankreich gewann. Was uns aber stärker in Erinnerung bleibt, ist der Verlust einer vielgereisten, sportlichen, älteren Dame aus unserer Reisegruppe am Folgetag. Seit dem Aufstieg auf den Burgberg am späten Vormittag hatte sie niemand mehr gesehen. Mehrere Suchgänge blieben erfolglos, so dass wir schließlich am Nachmittag ohne sie ins nächste Quartier abfuhren. Wie sich am Abend heraus stellte, war sie auf der falschen Seite vom Burgberg abgestiegen, hatte sich im weitläufigen Park verirrt, war in einen Graben gerutscht, konnte sich erst nach Stunden daraus befreien und musste dann mit dem Taxi nach Nancy nachkommen.

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