4.4 Florenz, Firenze
Gespannt und voller Vorfreude erreichten wir am Sonntag mit dem Zug den riesigen Sackbahnhof nahe der Kirche Santa Maria Novella. Wir trafen dort Frau Helga Heighörner, die vor vielen Jahren aus Augsburg nach Florenz ausgewandert ist.

Abgebildete Schiffe mit geblähten Segeln stehen für "a gonfie vele" - was soviel heißt wie "die Geschäfte gehen gut" und noch heute gern ausgesprochen wird. Ein anderes Motto der Florentiner ist "festina lente", was wir "Eile mit Weile" nennen würden. So schlenderten wir in die Innenstadt hinein.
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Die Dominikanerkirche Santa Maria Novella wurde 1246 begonnen. Sie trägt eine inkrustierte Marmorfassade mit Volutengiebeln von 1470. Hier in dieser Kirche wurde 1439 in einer Konferenz letztmalig versucht, die Ost- und Westkirche zu vereinigen. Die Bewirtungskosten übernahm Cosimo de' Medici. 1453 war es dann zu spät: Die Osmanen eroberten Konstantinopel. Wie Matthée betonte, wurde damit der griechische Geist für das Abendland gerettet. Die Kirchenmänner blieben in Italien und gründeten die Academia Platonica 1459 in Florenz mit.

Auf dem Rückweg gingen wir - durch den Kreuzgang an der Südseite - in die Kirche. Dort bestaunten wir das hängende Triumphkreuz von Giotto. Wir gingen tiefer hinein in die breite Pfeilerbasilika, auf die drei Buntglasfenster im Chor zu. Dort, hinter dem Hochaltar, konnten wir einen herrlichen Freskenzyklus bestaunen. Die Fresken stammen von Ghirlandaio, Filippino Lippi und Masaccio.

Auf dem Domplatz fanden wir den "japanischen Fotoblick": Hier kann man die drei bedeutenden Marmorbauten auf ein Bild bekommen: Baptisterium, Dom und Campanile. Das älteste Gebäude - auf dem Platz des antiken Marstempels - ist aus dem 11./12. Jh. das Baptisterium. Es diente der Erwachsenen-Taufe und ist wie so oft achteckig: Sieben Tage dauerte die Schöpfung, und der achte steht für den Neubeginn. Das Gebäude war  verschlossen. Jedoch sind die Relief geschmückten Bronzetüren der wichtigste Schmuck. Die Paradiestür im Osten mit plastischen Darstellungen des Alten Testaments schuf Lorenzo Ghiberti, ein Goldschmied.
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Der Campanile, fast 85 Meter hoch, steht seit dem 14. Jh. (rechts). Er wurde von Giotto begonnen und von Andrea Pisano weitergeführt. Mit seinen hervorragenden Basreliefs ist er einer der schönsten Glockentürme Italiens.
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Der riesige Dom Santa Maria del Fiore wurde 1296 vom florentinischen Baumeister Arnolfo die Cambio  egonnen. Seine Nachfolger führten die Arbeiten nach einem modifizierten Plan weiter. 1420 - 61 krönte Filippo Brunelleschi das Bauwerk mit einer gewaltigen achteckigen, doppelschaligen Kuppel (innen bemalt, Bild links).

Die gesamte Kirchenfassade ist mit rotem, grünem und weißem Marmor verziert. Sie wurde erst im 19. Jh. vollendet. Der dreischiffige Dom ist innen ausgemalt mit Fresken von Vasari und Zuccari. 1478 kam es zu einem Aufstand der Pazzi gegen die Medici. Die einflussreiche Florentiner Bankiersfamilie stand in Opposition zu den Medici. Francesco de' Pazzi (1444 - 1478) u.a. verübten in der Verschwörung im Dom einen Anschlag auf Lorenzo und Giuliano de' Medici. Giuliano wurde erdolcht, Lorenzo entkam durch die Sakristei und ein Fenster; die Attentäter und viele Parteigänger der Pazzi wurden getötet.

Der Rundgang führte uns weiter vor den Palazzo Strozzi (rechts). Noch heute sagt man auch bei uns "Er strotzt vor Geld". Der große Bau wurde 1489 von da Maiano begonnen und von Cronaca ab 1497 fortgeführt. Weiter ging es, vorbei am Palazzo da Vanzati, am Palazzo Canacci und am Torre del Buondelmonti. Wir kamen an den Fluss Arno und dort auf den überbauten Ponte Vecchio (unten). Diese Brücke war immer den Läden der Goldschmiede vorbehalten und ist die einzige, die im 2. Weltkrieg nicht gesprengt wurde. Ansonsten gab es kaum Kriegsschäden. Allerdings wurden beim großen Hochwasser 1966 mehr Kunstwerke zerstört als im Krieg, wie Frau Heighörner anmerkte.
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Der Palazzo degli Uffizi mit seinem Mittelgang führt uns wieder vom Fluss weg. An beiden Seiten stehen Statuen berühmter Florentiner in Wandnischen. Wir kamen direkt auf die Piazza della Signoria. Der Platz wird vom gewaltigen Palazzo Vecchio (auch Palazzo della Signoria, unten links) dominiert, einem massiven Bauwerk, das von einem 94 Meter hohen Glockenturm überragt wird. Der zwischen1299 und 1314 aus Backsteinen erbaute Palast wurde 1550 Sitz des Stadtrates. Sechs Jahre, bis 1871, traf sich hier die neue italienische Abgeordnetenkammer.
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Gegenüber steht die Loggia dell'Orcagna, auch Loggia dei Lanzi oder Loggia della Signoria genannt, aus dem späten 14. Jh. Die Halle ist überwölbt, aber nach vorn offen (oben rechts). Hier stehen einige Statuen wie der bronzene "Perseus" von 1554 von Cellini und der "Raub der Sabinerinnen" von 1579 - 83 von Giambologna, die sich bewundern lassen. Frei auf dem Platz stehen eine Kopie des berühmten "David" von Michelangelo, ein Reiterstandbild für Cosimo I. von Giambologna von 1587 - 94 und der Neptunbrunnen von Ammanati von 1563 - 75 (unten rechts). Ein Platz als Gratis-Kunstmuseum! Wahrlich, die Altstadt von Florenz wurde zu Recht von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. 19
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Weiter im Norden steht die gotische Franziskanerkirche Santa Croze. Sie wurde ab 1294 nach einem Entwurf von Arnolfo di Cambio begonnen. Die Kirche wird auch das "Pantheon von Florenz" genannt, denn hier ruhen berühmte Italiener wie Michelangelo, Galilei, Machiavelli u.a. Fresken von Giotto und Gaddi, eine Kanzel von de Maiano und mehr machen neugierig. Jedoch hatte es angeblich keinen Zweck anzustehen, weil ein Teil renoviert wurde. So gingen wir zurück, wieder über den Domplatz, vorbei am Palazzo Bargello (auch Palazzo del Podestà genannt, einem festungsartigen Bauwerk aus dem 13. und 14. Jh.) und Dantes Pfarrkirche.

In den Palazzo Medici Riccardi durften wir hinein. Im Erdgeschoss gibt es einen kleinen Raum mit einem "Aktivfoto", das die "Verkündigung an die Hirten und Zug der Heiligen Drei Könige durch eine Gebirgslandschaft" mit den Kirchenvätern von Florenz zeigt. Wenn man an einem bestimmten Platz steht und auf ein Detail des Großbildes zeigt, bekommt man einen Ausschnitt davon mit Erklärungen, allerdings nicht auf Deutsch. Prof. Matthée ist dieses Bild von Benozzo Gozzoli vertraut, verwendet er es doch oft in seinen Vorlesungen. Die Kapelle selbst liegt etwas versteckt hinter einem Innenhof und eine Treppe höher. Sie ist recht eng, mit Tauwerk vor den Wänden noch mehr begrenzt, mit Stehlampen erleuchtet - und bewacht. Dennoch drangen wir fast alle zugleich dort ein - und es passierte. Eine Dame rutsche aus, stieß eine Lampe um und das Gezeter begann. - Gut, dass es Haftpflichtversicherungen gibt. Meine Meinung zur Kapelle: Sie allein lohnt schon einen Ausflug nach Florenz.
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Das glückliche Schicksal von Florenz begann etwa im 2. Jh. v. Chr. mit der römischen Neugründung bei der etruskischen Hügelstadt Fiesole (Faesulae), und zwar auf dem flachen Land am Ufer des Arno. Die Römerstadt Florentia (die "Blumige" oder "Blühende") war zwar leichter angreifbar, hatte aber einen wichtigen Zugang zu einer Handelsstraße. Der Fluss verband sie nach Westen, und durch die Berge gab es günstige Pässe in andere Richtungen. Im 1. Jh. v. Chr. wurde Florenz Municipium und Militärkolonie und soll Ende des 2. Jh. n. Chr. schon 10.000 Einwohner gehabt haben. Die Stadt bildete anfangs wie üblich ein Rechteck, etwa 20 Hektar groß.

Bischofssitz seit mindestens dem 4. Jh. wurde Florenz in langobardischer und fränkischer Zeit von Grafen regiert. Der Aufstieg der Stadt begann im späten 10. und 11. Jh., als die Bischöfe von den ottonischen Kaisern die Immunität erlangten und die Markgrafen von Tuszien die Stadt durch reiche Schenkungen förderten.

Um 1172 hatten sich die Randbezirke so vergrößert, dass sie mit einem zweiten Mauerring umgeben wurden. Der zunehmende Verkehr erforderte drei neue Brücken; der Ponte Vecchio aus der Römerzeit war nach seinem Einsturz 1178 wieder hergestellt worden. Inzwischen hatte Florenz 30.000 Einwohner und wuchs weiter. 1284 wurde mit der dritten, größeren Mauer begonnen, welche die alten in ihren Schutz nahm. Bald nach ihrer Fertigstellung 1328 war die Einwohnerzahl auf 120.000 gestiegen (Paris hatte etwa 100.000 Einwohner). Wäre nicht zwanzig Jahre später die Pest gekommen, die die Bevölkerung auf die Hälfte dezimiert hatte, wäre sicher noch eine weitere Umwallung nötig geworden.

In Handel, Gewerbe und Geldverkehr hatten sich die Kaufleute und Bankiers von Florenz seit 1250 allmählich auf den ersten Platz in Europa vor gearbeitet. Im Tuchgewerbe waren sie bis ins 15. Jh. ohne Konkurrenz. Die florentinische Goldmünze, der Fiorino (Florin), wurde in ganz Europa zum Währungsstandard des Handels.

Den Reichtum von Florenz begründete vor allem das Wollgeschäft. Die reichste war die Holzzunft; sie beschäftigte 30.000 Arbeiter und besaß rund 200 Läden. Der Kaufmannstand war mit seinen unterschiedlichen Einkommensgruppen hieran beteiligt. Zur Zeit der Renaissance gab es 21 bedeutende Zünfte, deren sieben große die wohlhabendsten Geschäftsleute der Stadt waren:
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1. Richter
2. Notare
3. Tuchimporteure
4. Tuchverarbeiter
5. führende Einzelhändler
6. Ärzte und
7. Apotheker.

Die 14 kleineren Zünfte hatten freilich auch einiges Gewicht, wenn auch nicht finanziell, so doch politisch. Sie, die Handwerker und Ladenbesitzer, waren die Stützpfeiler des florentinischen Geschäftslebens:
1. Bäcker
2. Fleischer
3. Gerber
4. Gürtler
5. Schuhmacher
6. Grobschmiede
7. Büchsenmacher
8. Eisengießer
9. Baumeister
10. Zimmerleute
11. Altwarenhändler
12. Krämer für Salz, Öl und Käse
13. Weinhändler und
14. Gastwirte.
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Die beiden Zunftgruppen - die reichen Kaufleute und die Handwerker - betrachteten sich gegenseitig mit widerwilligem Respekt; keine konnte es sich leisten, die andere zu ignorieren. Auch die ärmeren Bevölkerungsgruppen gewannen bei inneren Unruhen und politischen Kompromissen gelegentlich Einfluss. Dadurch hielt sich die republikanische Verfassung in Florenz weitaus länger als in anderen italienischen Staaten. 20 (Bild: Läden in Pistoia)

Der Adel war 1293 durch die Ordinamenti della giustizia ("Ordnungen der Gerechtigkeit") von den hohen Regierungsämtern ausgeschlossen worden. Doch da sich die Adligen (wie Kaufleute) mit Geschäften befassten und die Kaufleute (wie Adlige) Kapital in Ländereien investierten, verband sie ein gemeinsames Interesse.

Im Streit zwischen kaisertreuen Ghibellinen und papsttreuen Guelfen wurde Florenz führende guelfische Macht. Der Machtkampf zwischen den führenden Familien spaltete die Republik. 1300 brach zwischen den zwei Fraktionen der papstfreundlichen Guelfen, den Neri (Schwarzen) und den Bianchi (Weißen), ein Krieg aus. Letztere traten für eine Aussöhnung mit den Ghibellinen ein, unterlagen jedoch, und ihre Führer mussten wie Dante die Stadt verlassen.

Im Vergleich zum übrigen Italien erfuhr Florenz nur dreimal kurz Gewaltherrschaft: von 1313 - 22, von 1325 - 30 und von 1342 - 43. In jede diese Diktaturen war ein Ausländer verwickelt, der gerufen worden war, um militärische oder politische Krisen zu beheben. Die aristokratische Partei verbannte 1433 Cosimo de' Medici, den Anführer der Volkspartei, der im Jahr darauf zurück kehrte und als Verbündeter der ärmeren Schichten die Politik bestimmte. Erst kurz vor dem Tod von Lorenzo de' Medici 1492 wurde sich die Stadt bewusst, in die Gewalt einer einzigen Familie geraten zu sein. Piero, Lorenzos Sohn, machte dem 1494 einmarschierten Karl VIII. von Frankreich demütigende Konzessionen. Im selben Jahr wurde er aus der Stadt vertrieben, und der Dominikanerpater Girolamo Savonarola, versuchte einen theokratischen Staat zu errichten. Nachdem er mit dem Papst in Konflikt geraten war, wurde er 1498 von einer wütenden Menge hingerichtet. Die Medici eroberten 1512 mit einem spanischen Heer ihre Macht zurück, wurden 1527 erneut vertrieben und kamen aber 1531 wieder an die Macht. Kaiser Karl V. erhob Alessandro de Medici zum Großherzog der Toskana.

Die Medici regierten die Toskana und damit Florenz, bis sie 1737 ausstarben. Ihre Nachfolger waren Angehörige des kaiserlichen österreichischen Hauses von Habsburg-Lothringen. Großherzog Ferdinand III. wurde 1799 von den Franzosen von seinem Thron vertrieben, erlangte jedoch 1814 die Macht zurück. Sein Nachfolger, Leopold II., der 1849 vertrieben wurde, kehrte mit österreichischen Truppen zurück, wurde aber 1859 während des italienischen Unabhängigkeitskampfes endgültig entthront. Unter König Viktor Emanuel II. war Florenz von 1865 - 71 Hauptstadt Italiens. 21

Der typische florentinische Geschäftsmann hatte Geld gemacht, seine Steuern bezahlt und genau Buch geführt. Die Nachwelt sollte sich an ihn erinnern. So ließ er sich in die Bilder hinein malen, die er für seine Kirche bestellte: Damit er auch zu erkennen war, bedurfte es einer Porträtkunst, die ihn leibhaftig und ähnlich darstellte. Während des 14. und 15. Jhs. tendierte die florentinische Malerei zu einer äußerst exakten Wiedergabe der sichtbaren Wirklichkeit.

Keine andere italienische oder europäische Stadt hat vom Beginn des 14. Jh. bis zur Mitte des 16. Jh. eine gleiche Höhe an geistiger Kraft erreicht und gehalten. Das zeigt diese Liste großer Namen der Renaissance:
· in der Poesie Dante und Poliziano;
· in der Malerei Giotto, Masaccio, Uccello, Verrocchio, Fra Angelico, Fra Filippo Lippi, Botticelli, Leonardo da Vinci und Pontormo;
· in der Plastik Donatello, Luca della Robbia, Ghiberti, Michelangelo und Cellini,
· in der Architektur Brunelleschi, Leon Battista Alberti, Michelozzo und die Brüder Sangallo;
· in der Philosophi Marsilio Ficino und
· in der Geschichtsschreibung Leonardo Bruni, Guicciardini und Jacopa Nardi.
Alle stammen sie aus Florenz. 22

Heute ist Florenz mit etwa 356.000 bis 382.000 Einwohnern Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und der Region Toskana.

4.5 Prato
Am Spätnachmittag konnten wir das in Nord- und Mittelitalien einmalige Kastell (unten) umrunden, das einst Friedrich II. (1237 - 48) errichten ließ. Der Stadtpalast trägt dagegen Zinnen ohne Schwalbenschwänze; die einst von den Staufern aufgesetzten Spitzen müssen später entfernt worden sein.

Das historische Zentrum blieb in seinen mittelalterlichen Mauern in Form eines unregelmäßigen Sechsecks erhalten und zeigt an seinen Palästen und Kirchen, wie reich die Stadt schon damals war.
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Der romanische Dom Santo Stefano stammt aus dem frühen 13. Jh., hat gotische Chorkapellen und eine Mitte des 15. Jh. vollendete Fassade aus weißen und grünen Steinbändern, an deren Südwestecke eine Außenkanzel mit Baldachin hängt (Bild unten). Im Innern fanden wir Fresken und eine Madonna von G. Pisano (um 1310). Sonst ist die Säulenbasilika eher einfach ausgestattet mit ihrer modernen Altarwand aus bemalten Brettern, vor der gerade die Abendmesse zelebriert wurde.

Prato war wahrscheinlich bereits von den Etruskern besiedelt. Prato entwickelte sich seit dem 10. Jh. zur freien Kommune; für das 12. Jh. sind Konsuln bezeugt. 1351 kam es unter die Herrschaft von Florenz. Prato ist die wohl am meisten kaufmännisch denkende und handelnde Stadt der Toskana. Hier wurden u.a. der Wechsel und die doppelte Buchführung entwickelt: von Francesco Datini, einem der reichsten Kaufleute seiner Zeit (1330 - 1410). 23

Die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz am Bisenzio hat zwischen 166.000 und 170.000 Einwohner und ist ein bedeutendes Zentrum der Textilindustrie.

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