5.8 St. Nikolai in Kalkar
Eine spätromanische Basilika wurde nach einem Brand von 1409 bis in das frühe 16. Jh. durch die spätgotische Hallenkirche mit Westturm aus Backstein und Tuff ersetzt. Nach den schweren Schäden des 2. Weltkrieges an Mauerwerk, Dächern und Gewölben wurde der eindrucksvolle Kirchturmhelm erst 1976 wieder aufgesetzt. Im Innern der Kirche dominiert die Weite der Halle aus drei gleich hohen Schiffen mit Netzgewölben über Rundpfeilern. 38

Die Einrichtung der Kirche hat die Kalkarer Bürgerschaft in ungefähr 80 Jahren bis 1550 geleistet. Die wirtschaftliche Prosperität ermöglichte es der kleinen, ungefähr 2.000 Einwohner zählenden Bürgerschaft, die Kirche zum Prunkjuwel zu machen. In den besten Jahren hatte St. Nicolai mindestens 16 Altäre, die alle Stiftungen eines selbstbewussten Bürgertums waren, das sich in den Bruderschaften und Gilden zusammenfand. Diese besaßen je einen Altar, den sie mit einer Vikarie (Kapital, aus dem ein Vikar - ein zur Bedienung des Altars bestellter Geistlicher - finanziert wurde) ausstatteten, aber vor allem mit kostbaren so genannten Retabeln (Altaraufsätze oder Altarschreinen). Innerhalb von 20 Jahren folgten dem Taufbecken, dem Sakramentshaus und dem Lettner der Georgsaltar, der Annenaltar, der Grabes-Christus-Altar, der Hochaltar, der Jakobusaltar, der Crispinus- und Crispinianusaltar und der Marienaltar. Ein zweiter Schub bescherte der Kirche den Sieben-Schmerzen-Altar, den Dreifaltigkeitsaltar und den Johannesaltar.

Die überaus reiche, den Ruhm Kalkars ausmachende, spätgotische Ausstattung der Kirche ist aber nur noch ein Teil des ursprünglichen Bestandes. Zwischen 1818 und 26 wurden zahlreiche Objekte verkauft, um Geld für den Wiederaufbau der verfallenen Kirche zu erhalten. So blieben acht Altäre übrig, zu denen vor fünf Jahren einer hinzu kam (rechts: Jakobus-Altar). Der Hauptchor hat durch die Jahrhunderte seine ursprüngliche Anordnung von Hochaltar, Sakramentshaus und Chorgestühl bewahrt.

Das Schnitzwerk des Hochaltars (Bild unten) stellt umfassend die Passion Christi dar:
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In der Predella Einzug Jesu in Jerusalem, Abendmahl und Fußwaschung, im Schrein den bis in den Auszug aufgetragenen Kalvarienberg, flankiert von Getsemane, Kreuztragung, Kreuzabnahme und Grablegung. Die Rahmenkehle zeigt kleinfigurige Gruppen der Ereignisse um die Auferstehung. - Der Höhepunkt der Kalkarer Altäre mit 212 geschnitzten Figuren wurde begonnen von Meister Arnt in Zwolle und nach dessen Tod Ludwig Jupan aus Marburg vollendet. Die ruhmreichen Altarflügel bemalte Jan Joest aus Wesel bzw. Haarlem von 1505 - 09, die durch leuchtende Farben und einen großen Realismus geprägt sind.
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Der dreiachsige, in der Mitte hoch gezogene, Georgsaltar (links) von 1484 ist weitgehend in der originalen Fassung erhalten und wird Meister Arnt von Kalkar zugeschrieben. Der Schrein umfasst eine füllende Panorama-Landschaft der einzelnen Szenen der Georgslegende, in der Mittelachse unter den plastisch stärker betonten Drachenkampf des Heiligen aus Kappadokien, der die Prinzessin Aja rettet.

Dann werden, nach links schwenkend, Georg Holzpflöcke in den Leib getrieben, er wird in einem Kessel mit kochendem Blei geworfen, ihm werden die Hände abgeschlagen, er übersteht einen Giftbecher und schließlich wird er in der Szene rechts unten enthauptet. In der ursprünglich nicht zugehörigen Predella sind die Beweinung Christi, das Martyrium des Hl. Erasmus und die Messe des Hl. Gregorius zu sehen. Die zweite Predella darunter mit den Brustbildern entstand um 1500.

Der Mittelschrein mit den Figuren des Hl. Jakobus Maior, Petrus und Matthäus entstand 1503/04 in der Werkstatt des Klever Bildhauers Dries Holthuys. Die Fassung der Figuren ist von außerordentlicher Qualität. Die Flügel stammen aus dem 17. Jh. Noch in unserer Zeit zählt Santiago de Compostela in Nordwest-Spanien zu den wichtigsten Pilgerstätten der Christenheit. Das war auch schon im Mittelalter so. So ist es ganz selbstverständlich, dass Jakobus als Pilger mit Stab und Buchbeutel dargestellt ist. An seinem Hut kann man die Pilgermuschel erkennen.

Der Marienaltar (rechts) wurde 1507/08 von Ludwig Jupan geschnitzt und von einer frommen Bürgerfamilie bezahlt. Die neun Gruppen stellen dar (von unten nach oben, von links nach rechts): Beschneidung Jesu, Anbetung der Könige, Darstellung im Tempel - Vermählung von Josef und Maria, Verkündigung und Heimsuchung, Geburt Jesu - Joachim und Anna, Marias Tod, Tempelgang Mariens. Alles wird überhöht von der Aufnahme Mariens in den Himmel. Der Altar wurde holzsichtig konzipiert.
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Der Dreifaltigkeitsaltar (links) wurde um 1535 gestiftet und stammt von Arnt van Tricht. In der Mitte steht die Hl. Maria Magdalena mit dem Salbgefäß, mit dem sie die Füße Christi balsamiert hat, flankiert von den Apostelfiguren Petrus und Paulus. Die Skulptur der Maria Magdalena - selbstbewusst posierend, elegant, fast mondän gekleidet und sich ihrer Reize bewusst - zeichnet sich durch eine ungemein reiche und virtuose Oberflächen-Behandlung des ungefassten Holzes, die alle Facetten des modischen Gewandes heraus stellt, aus. 39

5.9 Dom St. Viktor in Xanten
Wer sich der Stadt aus der Ferne nähert, vor dem ragt plötzlich der Viktorsdom zu Xanten auf. Höher und höher reckt sich das Turmpaar, den Blick ansaugend wie ein Magnet. Hinter den Hochflutdämmen melden sich kleinere Turmbauten zu Seiten des Domes und umstehen ihn wie Schildwachen. Ein schmaler Straßenzug schlichter Bürgerhäuser, dann öffnet sich der lange Marktplatz, dahinter verborgen von alten Stiftshäusern die eigentliche Viktorstadt.

Nicht nur die frommen Bewohner der Viktorstadt sollen sich freuen, wenn spät nachmittags die scheidende Sonne mit den Wandgliederungen des Doms spielt, die sich nach oben in immer reicheren und schlankeren Formen verjüngen. Die Türme stehen auf rechteckigen Grundrissen; sie sind mit drei oder vier Bogenstellungen belebt. Rundbogenblenden rahmen auch das Westportal, dessen Wangen viermal abgetreppt sind. Der Blendbogenreigen vereint das Sockelgeschoss von Türmen und Mittelschiff. 40
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Der gotische Dom St. Viktor (links) gilt als "größter Dom zwischen Köln und Meer".41 Seine Türme ragen fast 80 m hoch auf. Um 390 wurde über dem Grab des Märtyrers ein erstes Grab aus Holz gebaut. Um 1180 wurde mit dem Bau der Türme begonnen und 1263 legte Propst Friedrich von Hochstaden den Grundstein zum gotischen Bau, der 1550 vollendet wurde.

Das Gewölbe des Doms wird von 66 Pfeilern getragen. In der Mitte des Altars steht der goldene Schrein mit den Reliquien des Hl. Viktors. Das Gestühl im Hochchor bietet seit 700 Jahren Platz für 58 Stiftsherren. Ein besonders schöner Altar ist der Marienaltar. Er wurde vor über 450 Jahren von Meister Heinrich Douvermann in Kalkar geschnitzt. Zusammen mit der Pietà am Heilig-Kreuz-Altar birgt der Dom über 100 Mariendarstellungen.42

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