4 Städte am Niederrhein
4.1 Köln
Die Römer wählten für ihre Stadt eine Stelle aus, an der die natürliche Überschwemmungsebene des Rheins mit nur 600 bis 700 m am schmalsten ist, während die Rheinaue nördlich und südlich etwa 2 km misst. 10
Bildname
Bildname
Die moderne City auf der linken Rheinseite deckt sich größtenteils mit dem Areal der römischen Stadt (links) und den Ausbauten bis zum Hochmittelalter. Der römische Stadtkern, ein etwa 1 km² großes Viereck, hebt sich noch heute durch seine schematische Straßenführung ab.

Die Stadt ist Geburtsort von Agrippina der Jüngeren, Iulia Agrippina, die in Ara Ubiorum (später nach ihr Colonia Agrippinensis genannt) 15 n.Chr., als Tochter des Gaius Iulius Caesar Germanicus zur Welt kam. Sie gebar den späteren Kaiser Nero. 49 heiratete sie ihren Onkel, Kaiser Claudius, der Nero adoptierte. Sie soll 54 Claudius vergiftet haben, um Nero auf den Thron zu bringen. Dieser ließ sie 59 ermorden. Auf ihr Geheiß wurde ihr Geburtsort zur Kolonie erhoben. 11  - So charakterisierte Frau Maria Ludwig, unsere Führerin durch das römische Köln, diese Dame als machtbesessen und rachsüchtig.

Das historische Köln geht also auf eine römische Gründung im Jahre 50 n. Chr. zurück. Aus dieser Zeit stammen die 4,5 km lange römische Mauer mit ihren neun Toren und Türmen, von denen noch eindrucksvolle Zeugen erhalten sind. Wo ein Tor hin sollte, wurde einst der Pflug angehoben. Links vor der Dom-Westfassade ist ein Seitenportal (die Mitte war breiter und höher für Reiter und Wagen) des Nordtores im Jahr 1971 wieder errichtet worden. Eine unscheinbare Blechtür führt in das Parkdeck, wo 3 m dicke und 7,80 m hohe antike Mauern aus Grauwacke in Schalenbauweise sichtbar sind.

Die heutige "Hohe Straße" war damals der Cardo maximus, die Hauptstraße. Südlich des Römisch-Germanischen Museums verlief die Hafenstraße. Sichtbar ist auch ein Teilstück eines Abwasserkanals (Bild rechts), der 9 m tief unter der heutigen "Kleinen Budengasse" liegt. Eindrucksvoll zeigen sich die Mauerzüge des "Praetoriums", also des Statthalterpalastes, unter dem heutigen Rathaus (unten links). Bekannt und berühmt ist das Dionysios-Mosaik eines Patrizierhauses, über dem das Römisch-Germanische Museum errichtet wurde.
Bildname
Bildname
Natürlich hatten die Römer auch eine Brücke über den Rhein gebaut, und zwar aus Holz und 10 m breit. Sie wurde erst im 10. Jh. abgerissen - und erst im 19. Jh. durch eine neue ersetzt. - Die Unterwerfung der Sachsen durch Karl den Großen machte Köln zur Metropole. Hildebold, erster der Geistlichen am Hof Karls, wurde Erzbischof. Weite Missionsgebiete wurden zum neuen Aufgabenbereich. Der Rheinarm, der in römischer Zeit als Hafen diente, wurde verfüllt. Die neue Siedlung wurde im 10. Jh. in die Stadtbefestigung einbezogen.

Die romanischen Kirchen und Klöster stellen eine Besonderheit ersten Ranges dar. Zwischen 950 und 1250 errichtet umgeben sie wie ein Kranz den römischen Stadtgrundriss. Mit der großen Ummauerung um 1180 wurden sie in das mittelalterliche Stadtbild einbezogen. Über diese Umfassungsmauer wuchs die Stadt erst sieben Jahrhunderte später, in der Industrialisierung nach der Reichseinigung, hinaus.

Eine erste Blüte der Stadt wurde unter Erzbischof Bruno (954 - 965) sichtbar. Der Bruder Kaiser Ottos des Großen begann zielstrebig, den Kranz der Kölner Kirchen zu ergänzen. Seine Klostergründung St. Pantaleon schloss den Kirchenkranz im Westen. An Stelle kleiner Kirchen traten überall größere Bauten, so dass der Besucher der Stadt stets als erstes eine Kirche vor Augen hatte, egal aus welcher Richtung er sich näherte. Jeder musste unwillkürlich an das "Himmlische Jerusalem" erinnert werden, das am Ende der Zeiten auf der Erde erscheinen würde.

Handel und Handwerk machten die Bürger reich. Schon früh hatte man Wein nach England exportiert und kaufte dafür Wolle ein. Stockfisch und Heringe, Schwerter und Tücher, Goldschmiedearbeiten gingen ebenso wie Basalt, Tuffstein oder Schiefer zum Dachdecken durch die Hände Kölner Kaufleute.

Mit Beginn des 12. Jh. setzte die große Zeit der Kölner Kirchenbaukunst ein. Ihr Einfluss reichte weit über Köln hinaus, bis in die Niederlande oder an den Mittelrhein. Die Architekten leisteten Großartiges. Immer reicher wurden Innenräume und Außenbau gegliedert. Die Wände wurden mit Laufgängen im Chor in Schichten zerlegt, wechselnde Durchblicke veränderten ständig die Erscheinung des Baues. Die Chorfassade, mit Apsis und Flankentürmen dem Rhein zugewandt, wurde geradezu eine Kölner Spezialität. Plattenfries und Zwerggalerie ziehen sich an den "Kleeblatt-Chören", den Tri-Konchos, rings um den ganzen Ostabschluss.

Die Skulptur der Mitte des 12. Jh. war streng und schlicht. Anfang des 13. Jh. entwickelte sich in Kapitellen und Gesimsen ein Reichtum pflanzlicher Formen, wie man ihm selten begegnet. Erst mit dem Neubau des Domes 1248 siegte die neue gotische Form.

Der Krieg (links: Trümmerfeld mit ersten Neubauten) hat vieles von der Ausgestaltung und Ausstattung der Kirchen zerstört. Unwiederbringlich verloren sind oft Fußböden, Wandmalereien, Fenster, Wandteppiche, Chorgestühle, Leuchter, Kruzifixe, Lettner und liturgische Handschriften, Gewänder und Goldschmiedearbeiten. Aber aus den Trümmern sind die Kirchen wiedererstanden - Zeugen ihrer Zeit, der großen Vergangenheit Kölns und Mahnung, sie und ihre Zukunft zu sichern. 12
Bildname

4.2 Bonn
Bonn liegt im Südwinkel der Niederrheinischen Bucht. Für die mittelalterliche Geschichte waren das geistliche Stift St. Cassius mit der späteren romanischen Münsterkirche und die nördlich sich anschließende Marktsiedlung entscheidend. Mitte des 13. Jh. verlieh der Kölner Erzbischof Bonn die Stadtrechte. Nach mehreren Auseinandersetzungen mit der aufstrebenden Bürgerschaft der Freien Reichsstadt Köln verlegten die Fürstbischöfe ihre Residenz zunächst nach Brühl und dann nach Bonn. Die Wittelsbacher, vor allem die verschwenderischen und baulustigen Kurfürsten Joseph Klemens und Klemens August, bauten Bonn zu einer befestigten Barockresidenz aus. So ist das Rathaus von 1737/38 (unten im Bild) ein Zeugnis ihrer Repräsentationsfreude.
Bildname
Bildname
Bonn wurde provisorische Hauptstadt auf Wunsch des Kanzlers Adenauer. Das favorisierte Frankfurt am Main hatten die Amerikaner, deren Militärs den Flughafen nicht her geben wollten, wie uns die Stadtführerin sagte. Bonn hat mit seiner Ernennung zur vorläufigen Bundeshauptstadt im Jahre 1949 zweifellos eine weltweite Bedeutung erlangt.

In zahlreichen Villen und immer größeren Neubauten vor allem südlich der Altstadt entstand entlang der Rheinfront ein Regierungsviertel mit dem Bundeshaus, mit der Villa Hammerschmidt als Sitz des Bundespräsidenten, mit dem Palais Schaumburg als Sitz des Bundeskanzlers sowie mit einzelnen Ministerien und zahlreichen Auslandsvertretungen. 13

Mit Fremdbestimmung hat man Erfahrung: Römer, Kurfürsten, Napoleon, Preußen, der Bund - sie alle nutzten den Winzling am Rhein für ihre Zwecke, sie alle hinterließen ihre Spuren. Bonn hatte 1989 nicht mit einem Parlamentsumzug gerechnet, eine Mehrheit für Berlin schien nicht in Sicht. Als die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth am 20. Juni 1991 das knappe Abstimmungsergebnis (ohne Fraktionszwang) verkündete - 338 Stimmen für Berlin, 320 für Bonn - waren die Bonner wie gelähmt. Es herrschten Ratlosigkeit, Wut und Zukunftsängste. Parlament, Regierung, Landesvertretungen, die Botschaften, Verbände und Medien  Beschäftigten etwa 30.000 Menschen.

Doch der sprichwörtliche "Rheinische Frohsinn" siegte. "Wat fot is is fot", "Et it noch immer jut jejange" und "Et kütt wie et kütt" sind alte Einsichten. - Die Angst ist verflogen, Bonn ist wieder wer. Die Stadt gehört zu den wenigen deutschen Großstädten, deren Bevölkerung wächst, seit dem Hauptstadtbeschluss sind etwa 4.000 Einwohner hinzu gekommen. Die Arbeitslosigkeit liegt mit 7,8 % deutlich unter dem Durchschnitt von Nordrhein-Westfalen mit 10,2 %. Vier Jahre nach dem Umzug von 1999 sind 3.000 Menschen mehr beschäftigt. Im Umfeld der Deutschen Post AG (mit Deutscher Postbank AG) und der Deutschen Telekom AG (mit T-Mobile AG und T-Online AG) sind jedes Jahr rund 600 überwiegend kleine Unternehmen gegründet worden. Bonns Kaufkraft liegt mit knapp 20.000 Euro pro Einwohner auf Platz 20 von 439 in Deutschland. Eine Umfrage belegt: Gegen den Trend sind 77 % der Bonner positiv zur Zukunft eingestellt.

Die Bonner Universität genießt einen guten Ruf; in einer Ranking-Liste belegt sie Platz 5 von 57. Doch als die Bundesforschungsministerin die Hochschulabteilung nach Berlin abzog, wurde ein "Rutschbahn-Effekt" befürchtet. 14  - Bonn hat aktuell 312.000 Einwohner.

4.3 Kleve
Wo der Rhein durch die "Geldersche Poort" Deutschland verlässt, liegt Kleve. Der Name leitet sich - über Cleve, Clive, Clyve, Clieve, Clyff, Clef, Cleff und Cleef15 - ab von Kliff, Klippe; der Hang des Burgberges ist eine Stauch-Endmoräne aus der Saale-Eiszeit. Als Stadtzeichen wähle man das Kleeblatt, denn Klee heißt im Niederdeutschen Klever, was seinerseits ein in drei Teile gespaltenes Blatt ist, das von einer Nebenform des Wortes klieben (auch klöben) stammt.
Bildname

Stolz erhebt sich die Stadt über dem Land zwischen Rhein und Reichswald auf einer steilen Anhöhe. Die Keimzelle der Stadt war die auf das 10. Jh. zurück gehende weit sichtbare Burg, (Foto rechts) neben der eine Siedlung entstand. 1092 wurde der Name "Cleve" erstmals urkundlich erwähnt. Der Burg gegenüber gründete Graf Dietrich VI. die Stadt Kleve, der er die Stadtrechte 1242 verlieh. Im 14. Jh. wurde die Stadt erheblich erweitert, indem die Neustadt, das Hagsche Viertel, gegründet wurde. So wuchs die Stadt aus vier Teilen zusammen: der Burg, der Siedlung unter der Burg, der Stadt auf dem Heideberg und der Neustadt. Große Brände verwüsteten Kleve 1368 und 1528.
Bildname
Bildname
Kleve war Sitz der Grafen und Herzöge von Kleve. Die Stadt nahm erheblichen Aufschwung dank der (Heirats-)Politik der Grafen. 1647 wurde Johann Moritz von Nassau-Siegen als Statthalter eingesetzt. Er war der große Gestalter seines Landes, das zuvor 80 Jahre lang unter dem spanisch-niederländischen Freiheitskrieg gelitten hatte. Prinz Moritz, so wie die Klever ihn noch heute liebevoll nennen, verwandelte die Stadt Kleve um die Mitte des 17. Jahrhunderts in eine europaweit berühmte Gartenstadt, die aus einem Netz von Alleen bestand.

Johann Moritz ließ die Schwanenburg von 1663 - 66 niederländisch barock umbauen. An die brandenburger Herrschaft erinnert die Reiterstatue des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1620 - 88) auf dem Platz vor der Schwanenburg.16  Neben Königsberg und Berlin war Kleve 3. preußische Hauptstadt. Luise Henriette von Oranien war die Frau des Großen Kurfürsten; danach lebten keine Könige mehr hier. Friedrich-Wilhelm I. (der Soldatenkönig) meinte, Beamte, die nichts taugten, seien für Kleve noch gut genug. Friedrich II. setzte noch eins drauf und nannte die Klever "schwachsinnig, wirr, im Rausch gezeugt, aus ihnen sei am wenigsten Nutzen zu ziehen", wie uns die Stadtführerinvermittelte.

Die Stände blieben erhalten, doch der Adel trat nun in das niederländische Militär. Die Niederlande waren damals modern, von ihnen lief der Technologie-Transfer nach Brandenburg-Preußen. Die Preußen wussten, Kleve wäre gegen die Franzosen schwer zu verteidigen, so dass sie in den Revolutionskriegen früh darauf verzichteten. Entsprechend wenig haben die Preußen auch fortan hier investiert. Die Schwanenburg wurde Gefängnis, später bis heute Gericht.
Bildname

Die Parkanlagen und barocken Gärten rund um die Stadt haben solche Dimensionen, dass sie erheblichen Einfluss auf die europäische Gartengestaltung des 17. Jh. nahmen und von Berlin bis Versailles (Ludwig XIV. soll Spione gesandt haben) vielfach kopiert wurden. Die natürlichen Gegebenheiten der hügeligen Landschaft wuchsen mit schnurgeraden Alleen, Wasserspielen und Gärten zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Die barocken Gartenanlagen mit Amphitheater an der Tiergartenstraße wurden auch von Johann Moritz angelegt. An den großen Landschaftsgestalter soll ein Standbild, der "Neue Eiserne Mann", zu seinem 400. Geburtstag erinnern. Der Forstgarten an der Tiergartenstraße wurde in der 2. Hälfte des 19. Jh. angelegt mit 156 verschiedenen Baum- und Pflanzenarten.

1741 wurde eine Mineralquelle am Springerberg entdeckt; die Stadt wurde Bad Cleve. Die Kuranlagen wurden Mitte des 19. Jh. erheblich ausgebaut. Nach dem 1. Weltkrieg wurde der Betrieb eingestellt, das Kurhaus wurde zum Museum. Im 2. Weltkrieg erlitt Kleve erhebliche Schäden; die Schwanenburg wurde fast vollständig zerstört.

Im 19. Jahrhundert gab es viele kleine Schuster in Kleve, Heimarbeiter, die "Schlofe-Schuster" genannt wurden. Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine Schuhfabrik gegründet. Während es früher nicht einmal einen Unterschied zwischen rechten und linken Schuhen gab, führte Gustav Hoffmann das Weitenmesssystem ein. Später trennten sich die Fabrikanten, und viele Jahrzehnte gab es neben diesen Betrieben auch weitere Schuhfabriken wie Hoffmann/Elefanten.

Die Propsteikirche St. Mariä Himmelfahrt, auch Stiftskirche genannt, steht an der Stelle eines oder mehrerer Vorgängerbauten. Graf Dietrich VIII. wählte diese Stelle für sein 1341 vom Monreberg bei Kalkar nach Kleve verlegtes Kollegialstift. 1356 konnte der Chor geweiht werden, 1426 war der Bau vollendet. 1794 erlitt die Kirche beim Einmarsch französischer Revolutionstruppen schwere Schäden und wurde 1803 der Pfarre Kleve zugesprochen. 1944 wurde die Kirche zu einem großen Teil zerstört. 1951 begann der Wiederaufbau. - Niemand, der die Kirche betritt, kann sich der großartigen Raumwirkung des Inneren entziehen. Mächtige Pfeiler aus Trachyt tragen die Bögen und die Last der Gewölbe; gleichzeitig gliedern sie den großen Kirchenraum in ein Haupt- und zwei Seitenschiffe. Besonders sehenswert sind der restaurierte Marienaltar im Hochchor, der Kreuzaltar im rechten Seitenschiff - um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Antwerpen entstanden -, der Epitaph im Chor des rechten Seitenschiffes, die Herzogsgruft, die nördliche Vorhalle und der Zelebrationsaltar.

Auf dem Kleinen Markt vor der Nordseite der Stiftungskirche liegt der "gefallene Soldat" von Ewald Mataré - ein bewegendes und bewegtes Denkmal aus Stein. Eigentlich sollte es tiefer, in statt auf der Erde, liegen. Im Dritten Reich wurde es als "entartete Kunst" 1938 nur kurz nach seiner Aufstellung zerstört und vergraben. Erst eine systematische Suche nach den Einzelteilen machte die Restaurierung möglich.
Bildname
Bildname
Der Lohengrinbrunnen von Prof. Karl-Hennig Seemann auf dem Fischmarkt beruht auf einer Legende aus Burgund: Die dicke Beatrix war Erbin ihres Adelsgeschlechtes und brauchte einen Sohn. Ein Schwan brachte ihr auf dem Rhein einen Ritter. Seine Kinder kannten seine Herkunft nicht. Als es herauskam, nahm der Schwan den Vater wieder mit. Richard Wagner nahm die Idee in seinen "Lohengrin" auf.

Kleve hat jetzt 49.600 Einwohner, von denen in der eigentlichen Stadt ohne die 14 weiteren Ortsteile 20.800 wohnen, und machte auf uns den Eindruck einer gepflegten, heiteren, lebhaften Einkaufsstadt. Die Wohn- und Geschäftshäuser aus den 50er bis 90er Jahren formen ein gelungenes Stadtbild, das den Verlust der alten Bausubstanz überwunden hat.

zurück   Übersicht   weiter