3 Sachsendörfer mit ihren Kirchenburgen
3.1 Tappold oder Apold
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Trappold liegt in einem weitläufigen Talkessel, 15 km südöstlich von Schäßburg, zwischen dem Kokel- und Harbachtal. Das Gesamtbild des Ortes gleicht einem Herzen, das in eine selten schöne Umgebung eingebettet ist. Trappold wurde 1231 in einer königlichen Steuerbescheinigung (bzw. 1309 in einem Zehntprozess) erstmals urkundlich erwähnt. Um 1500 wurden 89 Wirte, vier Hirten, zwei wüste Höfe und sogar eine Schule gezählt. Trappold war eine freie Gemeinde des Schäßburger Stuhls. 1830 bekam es vom Kaiser das Recht, zweimal jährlich, am 19. März und 15. Dezember, Jahrmärkte abzuhalten.
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Der Kirchturm wurde im 14. Jh. errichtet; ihm wurde im 16. Jh. das fünfte oberste Stockwerk aufgesetzt. Über die romanische Vorgängerin der heutigen gotischen Hallenkirche von 1504 - 07 gibt es keine Urkunden. Das Kirchenschiff wurde im 16. Jh. mit einem Kreuzrippengewölbe versehen. 39

Der doppelte Bering mit seinen Türmen, Kampfhäusern und Wehrspeichern entstand ab 1504. Von den zwei Ringmauern wurde die innere abgebrochen, während deren Torturm noch steht.

Das Dorfhandwerk war vor dem Krieg in allen seinen Spielarten vertreten: Es gab Wagner, Schmiede, Schneider, Schuster, Fleischer, Maurer, dazu eine Schnapsbrennerei, eine Ziegelei und eine Molkerei. Ein Geschäft führte Haushaltswaren, ein anderes Lebensmittel und Getränke. Die Handwerker waren in der Regel gleichzeitig auch Landwirte, weil die Nachfrage zu gering war. Die beiden Wassermühlen waren so stark ausgelastet, dass man überlegte, noch eine dritte zu bauen.

In der kommunistischen Diktatur gingen die Erträge auf ein Minimum zurück. Die meisten Dorfbewohner mussten in der Stadt Arbeit suchen. Von 1382 Einwohnern, davon 49 % Sachsen, im Jahr 1941 blieben gerade eine Frau und ein Mann übrig. 40

Seit Mitte der 90-er Jahre lebt hier in Trappold kein Sachse mehr, Deutsche kommen nur noch als Besucher. Es gibt aber eine kleine evangelische Gemeinde mit 19 Mitgliedern aus Ungarn und Rumänen, also eigentlich sind es mit ihren Kindern drei Familien. Die Gemeinde wird als eine von 20 von zwei Pfarrern in der "Diaspora" betreut.

Der Kirchenburg hat sich der Berliner Verein "Corona" angenommen. Nach dem Aufstieg über die halb eingewachsene Steintreppe kamen wir an eine Tür mit einer "Gebrauchsanleitung" für Burg und Hunde, die "eher zutraulich" seien, aber bitte nichts ins Freie gelassen werden sollen. Wir trafen hinter der Tür auf einen jungen Berliner Tischler mit Namen Sebastian Betge, der uns Einiges erzählte. Der Verein will nicht nur restaurieren, sondern die Kirchenburg mit Leben erfüllen.
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Die Dorfleute sind meist orthodoxe Rumänen oder Zigeuner, die immer ihre eigenen Viertel hatten. Der Verein will die jungen Leute hier arbeiten lassen, dann passen sie auch auf "ihre" Burg auf. Sie werden mit etwa 150 Euro plus Steuern im Monat bezahlt. Dieses Jahr noch soll das erste Gebäude komplett fertig restauriert sein. Finanziell hilft auch die Prinz-Charles-Stiftung.

3.2 Agnetheln oder Agnita
Im Altbachtal gibt es den Flurnamen "Af der alder Kirch", wo der Sage nach das alte Agnetheln lag. Agnetheln ist eine der ältesten deutschen Siedlungen in Siebenbürgen. Der Name geht auf die heilige Agnetha zurück, die laut Sage den Ort gegründet haben soll. Der Ort liegt 450 Meter hoch im Harbachtal zwischen Schäßburg und Hermannstadt.
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Im 14. und 15. Jh. lebte hier eine mächtige Grefenfamilie. Johann von Agnetheln erwirkte 1376 von König Ludwig I. das Jahrmarktsrecht. 1466 gestattete König Matthias Corvinus, bei Heeresaufgeboten die Hälfte der wehrhaften Männer zur Verteidigung der Kirchenburg zurück zu halten. - 1666 zählte die Schneiderzunft 42, 1845 sogar 66 und 1900 wieder 40 Mitglieder. Die Schusterzunft hatte 1900 sogar 85 Mitglieder. Auch nachdem 1872 die Zünfte durch ungarisches Gesetz aufgelöst wurden, hielten sie sich durch Tradition bis zum 2. Weltkrieg. 41

Um 1200 entstand eine dreischiffige romanische Basilika, die 1409 von einer gotischen Hallenkirche abgelöst wurde. Gleichzeitig wurde wohl auch die bis dahin aus Erd- und Pfahlwerk bestehende Umwallung des Kichenhofes durch steinerne Mauern und Türme abgelöst, so dass 1466 die Kirchenburg entstand. Von 1500 bis 1525 wurde die Kirche zur Wehrkirche umgebaut. Die Kirchenburg hatte zeitweilig drei Ringmauern, deren äußere Mitte des 19. Jh. abgetragen wurde. 42
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Mit dem Material wurde die neue große Schule errichtet, die 1867 fertig wurde. In Agnetheln umrundeten wir die eingezäunte Burganlage, bis uns aufgeschlossen wurde. Wer wollte, konnte den Turm mit 125 Stufen besteigen und Glocken und Uhrwerk bestaunen - und den Ausblick über Dorf und Felder. In einem uns empfohlenen italienischen Restaurant verbrachten wir eine lange Mittagspause mit einer Millimeter dünnen (mit Belag) Pizza und umständlicher Bezahlung. Als wir wieder ins Freie kamen, begegneten wir einer Hochzeitsgesellschaft, der zwei Musiker hinterher marschierten.

3.3 Birthälm oder Biertan
1283 war "Berthelm" urkundlich erstmals erwähnt, wo es um Ansprüche des Weißenburger Domkapitels auf Feldfrüchte, Wein, Bienen und Lämmer ging. Wandmalereien in dem als Kapelle dienenden Südturm der inneren Ringmauer deuten auf eine erste Kirchenburg schon im 14. Jh. hin. Die steinerne Vorgängerin der heutigen Hallenkirche war baufällig geworden, und Papst Bonifatius IX. erlaubte, Einnahmen durch Ablassgewährung zum Neubau zu verwenden. - Von 1572 bis 1867 war Birthälm evangelischer Bischofssitz auf dem Königsboden in Siebenbürgen. 43
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Hier steht eine der großartigsten Kirchenburgen Siebenbürgens. Das 1522 vollendete Gotteshaus, geschützt durch einen dreifachen Mauerring, erhebt sich auf einem Hügel. Intarsien und Beschläge mit gotischen Mustern zieren die Türe zur Sakristei. Der berühmte Hochaltar, in dessen Mittelfeld die Kreuzigung zu sehen ist, füllt die ganze Chorwand. Einige gut erhaltene Fresken schmücken die Kapelle im Turm der Westfassade. 44

Im Verlauf eines Aufstandes der Ungarn gegen Österreich, im sog. Kuruzenkrieg (1704 - 07),wurde die Burg zu nächtlicher Stunde von 400 Ungarn überfallen. Kirche und Sakristei wurden geplündert und die Bischofsgrüfte im Chor durchwühlt, wobei kostbares Kirchengerät und wertvolle Urkunden verloren gingen. 45

Birthälm bekam 1418 von König Sigismund das Marktrecht und die Blutsgerichtsbarkeit. Anfang des 16. Jh. war Birthälm größer als Mediasch, sowohl von der Ausdehnung als auch der Einwohnerzahl her. Verschleppungen nach Türkeneinfällen und vier Pestepidemien entvölkerten die Ortschaft. Zwischen 1508 und 1744 entstanden Zünfte wie die der Weber, Fassbinder, Schlosser und Büchsenmacher, Schneider oder Schuster, Wagner und Eisenschmiede und schließlich Tischler. 46

1930 waren von 2.330 Einwohnern 52 % Sachsen. Anfang 1992 waren es nur noch 180 Deutsche, deren Zahl bis heute auf etwa 70 geschrumpft ist. Der hübsche Ort im Großen Kokeltal, zwischen Schäßburg und Mediasch, hat 1.600 Einwohner, die Gemeinde etwa 3.000.

Obwohl die Kirchenburg bereits seit 1993 auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes steht und gemäß Aushang von Mo. - Sa. Von 10 - 17 Uhr geöffnet sein sollte, war sie am Sonnabendnachmittag verschlossen. Man entschuldigte sich auf einem Zettel mit "Reinigungsarbeiten".

3.4 Baaßen oder Bazna
Die Gemeinde Baaßen liegt 12 Kilometer nordwestlich von Mediasch. Die Kirchenburg steht auf einer Berglehne im Nordosten des Ortes. Der Chor, der dem Berg zu liegt, ist als Turm ausgebaut. 1504 wurde diese gotische Kirche gebaut; ebenso alt ist auch das Sakramentshaus in der Chorwand. Einige romanische Details wie das Westportal und die Sitznische im Chor deuten auf einen Vorgängerbau aus dem 13. Jh. hin. Der rechteckige Chorturm mit seinen drei Stockwerken hatte bis Ende des 19. Jh. einen offenen Wehrgang, ebenso der Torturm. 47
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Nach dem Aufstieg über die lange, breite Treppe in der Nachmittagshitze empfing uns Herr Binder und zeigte uns Burg, Kirche, Gästehaus und Garten. Der Name Binder ist hier häufig, wir sahen ihn mehrmals auf den Tafeln der Opfer des 1. Weltkrieges und der Deportationen nach dem 2. Weltkrieg, auch in anderen Orten. Von der Gemeinde waren 1914 noch 1.383 Mitglieder evangelisch, das waren 80 %. Heute gibt es alle zwei Wochen Gottesdienst. Aus einer Urkunde von 1302 geht hervor, dass der Ort um 1271 von dem ungarischen König Stephan V. an den adligen Graf Bozouch verschenkt wurde. 48 1563 und 1591 hieß der Ort Basnen und 1782 schließlich Baassen. Über die Herkunft des Namens gibt es verschiedene Theorien, auch dass der Name aus der Urheimat mitgebracht wurde, wo es in der Eifel noch heute eine Gemeinde Baasem gibt.49 Die Vorfahren waren nicht die reichsten, aber hier fanden sie ein wasserreiches, breites Tal, "hier ist es baßer" - also besser, wie Herr Binder uns sagte.

Bis etwa 1530 waren die Bauern in Siebenbürgen reicher als in Deutschland. 1516 besaß Baaßen (Bazna) 82 Wirte, 3 Witwen, 2 Hirten und einen Schulmeister. Drei Generationen lebten in einem Haus. Die Frage, ob es dabei nicht zu Spannungen kommen musste, verneinte Herr Binder. Vielleicht einmal in 20 Jahren gab es eine Ehescheidung.

Zur Kirche gehörte bis1945 ein Kurbad, dessen salz- und jodhaltige Quelle auch gegen Rheuma half. Nach der kommunistischen Machtübernahme wurden alle Deutsche enteignet. Sie bekamen zwölf Jahre später zwar ihre Häuser zurück, alles andere Vermögen wie Vieh, Felder und Weinberge nicht.
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Die rumänischen Umsiedler, die aus ihren Lehmhütten in die deutschen Dörfer gezogen waren, gingen manchmal zurück, meist aber in die Städte. Das Vermögen von Rumänen und Zigeunern belief sich vor zehn Jahren auf etwa 15.000 - 20.000 DM, heute auf rund 25.000 bis 40.000 Euro. Zum Pfarrhof gehörten 84 ha Land, 25 ha Wald und 5 ha Weinberg.

Das Gotteshaus ist evangelisch, wie uns die Inschrift über dem Eingang "Ein feste Burg ist unser Gott" beweist. Das Gestühl ist noch von 1593 (oder 1503?). Die Barockorgel von 1757 (1761?) stammt aus Hermannstadt. Im Glocken- und Torturm hängen noch drei vorreformatorische Glocken.

Die Sitzordnung war streng geregelt: Die Konfirmanden saßen im Chor, die jungen Männer auf der Empore, die jungen vor den alten Frauen im Langhaus, hinter ihnen die Pfarrersfamilie und hinten die Knechte. (rechts: Gedenktafel an die Opfer des Weltkriegs von 1914 - 18, der Name Binder erscheint am häufigsten)
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