2.6 Siebenbürgen als Teil Rumäniens
Ab 1830 machte sich auch in den rumänischen Gebieten ein wachsendes National-Bewusstsein bemerkbar. Dieses zog nicht nur aus dem Freiheitskampf der Griechen seine Kraft, sondern hatte seine Kernzellen auch in den Klöstern und in der Intelligenz. 1848, nach der Pariser Februar-Revolution, erhoben sich in Siebenbürgen die Rumänen gegen den ungarischen Adel. Unter anderem die 40.000 in Blasendorf (Blaj) versammelten Bauern forderten die rumänische Unabhängigkeit und die Eingliederung Siebenbürgens in den Einheitsstaat. Auch die Abschaffung der Leibeigenschaft wurde in Kronstadt ausgerufen. (unten: traditionelles Paradebett im Museum der Kirchenburg von Urwegen)

Russland und die Türkei wurden durch den Krimkrieg geschwächt. 1866 wurde der deutsche katholische Prinz Karl von Hohenzollern-Sigmaringen durch Volksabstimmung zum König Rumäniens - unabhängig seit 1862, anerkannt auf dem Berliner Kongress von 1878, noch bestehend aus der Moldau und der Walachei - gewählt. Seine Wahl war vor allem vom französischen Kaiser Napoleon III. gesteuert als von den Rumänen selbst gewünscht. Carol (Karl) I. sollte gleichwohl für fast ein halbes Jahrhundert bis 1914 regieren und sich allmählich die Zuneigung des rumänischen Volkes durch unleugbare Ehrenhaftigkeit erringen.
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Er war preußischer Offizier gewesen und schuf eine neue rumänische Armee. Gleichzeitig wollte er sein Land uneingeschränkt an die Zivilisation Westeuropas anschließen. Außenpolitisch suchte Carol Rückendeckung bei Österreich-Ungarn, weshalb er auch nationale Ansprüche Rumäniens auf Siebenbürgen nicht weiter verfolgte. Der neue Staat, zwischen dem Osmanischen, Österreich-Ungarischen und Russischen Reich eingezwängt, mit slawischen Nachbarn an drei Seiten, schaute Richtung Westen, insbesondere nach Frankreich, nach kulturellen und administrativen Vorbildern.
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Im Ersten Weltkrieg, 1916, schloss Rumänien mit der Entente ein Militärbündnis. Rumänien erklärte Österreich-Ungarn den Krieg. Einen Tag später begann der Einmarsch in Siebenbürgen. Das bedeutete auch den Kriegseintritt der anderen Mittelmächte (Deutschland, Bulgarien, Türkei). (links: Sinnspruch im Burgmuseum von Urwegen)

Die Entente hatte sich verpflichtet, Rumäniens Ansprüche auf Siebenbürgen, die Bukowina, das Banat und südliche Teile der ungarischen Tiefebene zu unterstützen. Gegenangriffe brachten die rumänischen Truppen bald in Schwierigkeiten. Nach dem Waffenstillstand von 1918 rückten rumänische Truppen in die Bukowina und in Siebenbürgen ein. Die hier gebildeten Nationalräte proklamierten mit Zustimmung der etwa 750.000 deutschen Einwohner, aber gegen die Opposition der etwa 1,7 Mio. Ungarn, die Vereinigung mit Rumänien. - Die deutsche Bevölkerung Siebenbürgens und des Banats sprach sich deshalb mehrheitlich für einen Anschluss an Rumänien aus, weil ihr seitens der rumänischen Regierung ein später nicht eingelöstes Versprechen auf Autonomie und Selbstverwaltung gegeben wurde.32 Die Friedensverträge mit Österreich (in Saint-Germain) und Ungarn (in Trianon) bestätigten die Gebietserwerbungen.

Ungarn beharrte dennoch auf seinen Ansprüchen auf Rückgabe Siebenbürgens. Die rumänischen Nationalisten organisierten sich in der 1930 gegründeten "Eisernen Garde". Der von ihnen unterstützte Ministerpräsident wurde 1938 von König Karl II. gestürzt. Durch ein Treffen mit Adolf Hitler hatte Carol II. 1938 die Annäherung an Deutschland eingeleitet. Ein Wirtschaftsabkommen verband Rumänien eng mit Deutschland. Der "Zweite Wiener Schiedsspruch" der Achsenmächte Deutschland und Italien sprach aber zwei Fünftel Siebenbürgens mit 2,5 Mio. Einwohnern Ungarn zu.

Im September 1940 musste König Karl auf deutschen Druck abdanken zu Gunsten seines neunzehnjährigen Sohnes Michael. Nunmehr als Diktatur regiert geriet das Land völlig unter den Einfluss Deutschlands und trat dem Dreimächtepakt Deutschland-Italien-Japan bei und beteiligte sich am Überfall auf die Sowjetunion. Von den Verbündeten Deutschlands stellte Rumänien mit bis zu 27 Divisionen das stärkste Truppenkontingent - das größer war als alle anderen zusammen außer der deutschen - an der Ostfront. Etwa zwei Drittel gerieten in die Katastrofe von Stalingrad. Ende 1943 war die Sowjetunion bereit, Rumänien bei der Wiedergewinnung Siebenbürgens zu unterstützen. Beim Abschluss des Waffenstillstands im August 1944 hatten sich die Opposition, ein Teil der Armeeführung und König Michael I. zum Frontwechsel entschlossen. Mit 386.000 Mann kämpften nun drei rumänische Armeen gegen Deutschland und Ungarn, angespornt durch das Ziel der Rückeroberung Siebenbürgens. Rumänien wurde innerhalb weniger Wochen vollständig von der Roten Armee eingenommen. Im Friedensvertrag von Paris von 1947 musste Rumänien die Grenzen von Ende 1940 mit der Sowjetunion und Bulgarien anerkennen, erhielt aber Nordsiebenbürgen zurück.

Am 30. Dezember 1947 zwangen die Kommunisten König Michael I. abzudanken, die Volksrepublik wurde ausgerufen. Die Sozialdemokraten wurden mit den Kommunisten zur Rumänischen Arbeiterpartei (RAP) zusammen geschlossen und ein Bündnis mit der Sowjetunion eingegangen. Die Sowjetunion verwaltete einen großen Teil der Industrie bis 1954 direkt und beutete sie aus. Der im Land verbliebene Teil der deutschen Minderheit wurde bis Anfang der 1950-er Jahre vollkommen entrechtet und enteignet. Zudem verschleppte die sowjetische Besatzungsmacht den größten Teil der erwachsenen Deutschen im "arbeitsfähigen Alter" (Frauen bis 33, Männer bis 45 Jahre) auf mehrere Jahre zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion (rechts unten: Denkmal mit Glocke für die "in fremder Erde Ruhenden" in Honigberg).33

1963 widersetzte sich das Zentralkomitee der sowjetischen Forderung nach voller Integration der rumänischen Wirtschaft in den COMECON, weil es damit auf eine Rolle zur Versorgung der Staaten mit Erdöl, Getreide und Grunstoffen beschränkt werden sollte. Nicolae Ceausescu wurde Generalsekretär der jetzt in Kommunistische Partei (PCR) umbenannten Staatspartei. 34 1967 war Rumänien neben der Sowjet-Union der erste kommunistische Staat, der mit der Bundesrepublik Deutschland uneingeschränkte diplomatische Beziehungen aufnahm. Als 1968 Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei einmarschieren wollten, nahm Rumänien eine starke antisowjetische Position ein.

Die Liberalisierungsmaßnahmen des Regimes machten auch vor den Rumäniendeutschen nicht Halt. 1968 wurde der sog. "Rat der Werktätigen deutscher Nationalität" gegründet. Es wurde neue deutsche Zeitungen und Zeitschriften ins Leben gerufen, ein Minderheitenverlag gegründet, deutsche Fernsehsendungen eingeführt, der landeskundlichen Forschung mehr etwas Spielraum gewährt. Diese Maßnahmen fanden jedoch nicht das erwünschte positive Echo.
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In dieser Zeit begann der Exodus der ethnischen Minderheiten. Immer mehr Deutsche wanderten nach Deutschland aus. Später kehrten auch immer mehr Ungarn dem Land den Rücken. - Von ungefähr 900 im Jahr von 1950 bis 1967 stieg die Zahl der Aussiedler auf etwa 3.400 von 1968 bis 1971. Bis 1977 verdoppelte sich diese Zahl. Anlässlich seines Rumänienbesuchs traf Bundeskanzler Helmut Schmidt mit Nicolae Ceausescu eine Vereinbarung, nach der sich Rumänien verpflichtete, jährlich 12.000 bis 16.000 Deutsche in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen zu lassen. Im Gegenzug sagte der Bundeskanzler einen Pauschbetrag pro Aussiedler zu, der von 5.000 DM 1978 auf 7.800 DM zur Wende anstieg.
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Im März 1974 übernahm Nicolae Ceausescu das Amt des Präsidenten. Er plante, Rumänien zu einer Großmacht zu machen. Mit ausländischen Krediten
wurde ein vollkommen überdimensioniertes Industrialisierungs-Programm auf die Beine gestellt, um das agrarisch geprägte Land (oben: Pferdefuhrwerke sind heute noch auf den Straßen häufig anzutreffen) schnell auf westliches Niveau zu heben. Gesetze zur Förderung von Kinderreichtum und das Verbot der Abtreibung sollten die Bevölkerungszahl steigern.
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(Foto links: überall im Land sind noch Papierkörbe aus Blech mit genauer Anweisung und Parkbänke mit kreisförmigen Seitenlehnen erhalten)

1975 erklärten die USA Rumänien den Status einer "most favoured nation" und schlossen für zehn Jahre ein Wirtschaftsabkommen. Die größenwahnsinnige und ineffiziente Wirtschaftspolitik mit unzähligen Fehlinvestitionen ließ das Land unaufhaltsam in den Bankrott treiben.

In den achtziger Jahren hatte Rumänien Probleme mit der Versorgung seiner Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, Brennstoffen und Energie, da Ceausescu praktisch alle Reserven an harten Devisen dazu verwendete, die Auslandsschulden von 11 Mrd. US-Dollar zurück zu zahlen. Der Unmut der Bevölkerung gegen die kommunistische Führung nahm nach einem aufgezwungenen "Siedlungs-Bereinigungs-Programm", nach dem schätzungsweise bis zu 8.000 der kleinsten Dörfer zerstört wurden, massiv zu. 35 Im Dezember 1989 kam es zum Aufstand gegen die Diktatur Ceausescus, der Weihnachten mit seiner Frau nach kurzem Standgericht erschossen wurde.

Die wachsenden Aussiedlerzahlen entfalteten eine Eigendynamik: Die örtlichen Gemeinschaften zerfielen, sinkende Lehrer- und Schülerzahlen verschlechterten das Unterrichts- und Bildungsangebot auch für jene, die noch nicht zur Ausreise entschlossen waren. Innerhalb von sechs Monaten nach dem Zusammenbruch des Kommunismus verließen 111.000 Deutsche Rumänien. 36 Während 1977 noch 359.000 Deutsche in Rumänien lebten, sind es nur noch 60.000 im Jahr 2005. 37 (unten: Sinnspruch im Kirchburgmuseum von Reußmarkt)

Die einheitliche Planung von geschlossenen Dorfanlagen lässt sich noch heute erkennen. Die für die sächsischen Dörfer typische Straßenfront bildete sich im 18. Jh. aus. Dicht aneinander gerückt stehen die Gehöfte in ununterbrochener Reihe an der Dorfstraße. Die Häuser kehren der Straße ihre Giebelseite zu, welche durch zwei Fenster mit Klappläden und Luken im Giebeldreieck gegliedert sind. Die von einem gemauerten Bogen überwölbten Toreinfahrten schließen die Hofstellen zur Straße ab. 38
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