Ost-Bayern:
Baukultur in Weiß und Blau -
Wege von der Romanik zum Barock
mit Prof. Gottfried Kiesow,
Deutsche Stiftug Denkmalschutz,
vom 27. bis 30. Juli 2004
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1 Die Besiedlung
1.1 Künzings Museum Quintana
In Künzing, östlich von Regensburg nah der Donau gelegen, ist seit Juli 2001 im Rathaus auch das „Museum Quintana", für die Archäologie von der Jungsteinzeit bis ins Frühmittelalter, untergebracht. Das Gebiet an der bayerischen Donau ist seit 7.000 Jahren ununterbrochen besiedelt gewesen. Schon im 5. Jahrtausend v. Chr. wurden hier für die Kreisgrabenanlage Unternberg (Zeichnung unten rechts) 12.000 Kubikmeter Erde bewegt. Ein Modell und Fotos von der Grabung, die inzwischen wieder verfüllt worden ist, veranschaulichen dies. Auch Funde aus der Bronze- und Eisenzeit werden hier gezeigt. Als die Römer kamen, waren Kelten kaum noch anzutreffen. Die Römerzeit (links: Soldat in Rüstung) wird mit Waffen und Geräten, Koch- und Tafelgeschirr, Spielsteinen, Schmuck und Schreibgriffeln an einem Modell erklärt. Hierzu trug der größte Eisenhortfund nördlich der Alpen bei. 1

1.2 Künzings Amphitheater
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Nach der guten Führung im Museum haben wir am Ortsrand, neben einem Sportplatz und einer Eigenheimsiedlung, eine Ausgrabungsstelle besichtigt und trafen dort Herrn Dr. Karl Schmotz, den Kreisarchäologen. Das Römerkastell wurde im 1. Jahrhundert n. Chr. errichtet und um 260/270 wieder zerstört. Ein neues Kastell wurde im 4./5. Jahrhundert zur Keimzelle des heutigen Gemeinwesens. Hier wurde ein antikes Heiligtum für den Mitras-Kult, also ein Miträum, entdeckt, das einzige auf deutschem Boden außer bei Augsburg. Es diente 17 bis 23 Mitgliedern.

Das erste von bisher fünf hölzernen Amphitheatern in Deutschland wurde gerade frei gelegt. Es hatte eine Fläche von etwa 36 x 32 Metern, zwei Reihen Pfosten für die Tribüne und eine für den Rand der Spielfläche. In vier Sitzreihen konnten rund 800 Zuschauer Platz nehmen. Die Pfosten hatten eine Kantenlänge von 30 Zentimetern. Ob es nur kurz, vielleicht zum Anlass eines Kaiserbesuches, in Gebrauch war, ist nicht gewiss; es fanden sich keine Spuren von Ausbesserungen.

2 Die Städte
2.1 Regensburg

Regensburg, mit gekreuzten Petrus-Schlüsseln im Wappen; liegt am Donauknie, wo der Regen einmündet, und ist eine der ältesten Städte in Deutschland. Nachdem sich zuvor Jahrhunderte lang einige Keltensiedlungen in der Gegend, genannt „Rataspona" oder „Ratisbona" 2, befanden, errichteten um 90 n. Chr. die Römer ein Kohortenkastell. In den Markomannenkriegen (166 - 180) sank es in Schutt und Asche, 3 so dass das Achsenkreuz aus Cardo und Decumanus nicht mehr ablesbar ist. Kaum glaubte man die Kriegsgefahr gebannt, ließ am 25. August 179 Kaiser Marc Aurel „Castra Regina" als Lager für 6.000 Soldaten der 3. Italischen Legion zum militärischen Hauptstützpunkt der Provinz Raetia erbauen - die Kernzelle des heutigen Regensburg.
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Westlich des Kastells entstand eine unbefestigte Zivilsiedlung mit den Familien der Soldaten, Händlern und Bauern. Das unzerstörte Kastell von mit 450 x 540 Metern gewaltigen Ausmaßen wurde in der Völkerwanderungszeit nach einem Einfall der Alamannen aufgegeben.

Im 6. Jh. wurde „Reganespurc" 4 Hauptsitz der bajuwarischen Herzöge, der Agilolfinger, die sich in der alten, weitgehend intakten, Festung (links: Teile der Porta Praetoria aus der Römerzeit) eine Residenz einrichteten. In der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts durch die Wanderbischöfe Emmeram und Erhard christianisiert, gründete Bonifatius hier 739 eines der ältesten Bistümer Deutschlands. Karl der Große nahm 788 den letzten Herzog Tassilo III. gefangen und verleibte Bayern seinem Reich ein. Unter König Ludwig dem Deutschen ( 876) und Kaiser Arnulf von Kärnten ( 899) war Regensburg Hautstadt des Ostfränkischen Reiches. Als Heinrich II. bestieg 1002 der damalige bayerische Herzog den Königsthron. Im 11. und 12. Jh. sammelte sich hier in der 10.000 Einwohner fassenden Stadt dreimal ein Kreuzfahrerheer und brach ins Heilige Land auf.

Regensburg war schon im achten Jahrhundert eine „mit Quadern gefügte, hochtürmige, schwer zu erobernde Stad". Sie blieb für etwa sechs Jahrhunderte mächtig und reich wie keine andere in Bayern - obwohl nicht bayrisch - als westlichster Umschlaghafen zwischen Schwarzen Meer und Donau-Durchbruch, als günstiger Flussübergang und strategisch wichtiger nördlichster Punkt der Donau. 5

1180 wurde Heinrich der Löwe von Kaiser Friedrich Barbarossa auf einem Reichstag als Herzog von Bayern abgesetzt. Von nun an waren die Wittelsbacher Bayerns Herrscherfamilie. Die Ermordung Herzog Ludwigs des Kelheimers 1231, wohl der Höhepunkt des Konflikts zwischen dem Fürsten und dem Kaiser, brachte für Regensburg gravierende machtpolitische Veränderungen mit sich. Regensburg wurde unter König Philipp bzw. 1245 von Friedrich II. zur „Freien Reichsstadt" erhoben - die sie mit einer kurzen Unterbrechung bis 1810 blieb -, als ihr das Privileg „einen Bürgermeister und Rat zu setzen" erteilt wurde, mit dem Recht der Münzprägung, Steuererhebung und Jurisdiktion. Dies war verbunden mit dem Auszug der Herzöge nach Landshut und später München sowie dem Erstarken der Bürgerschaft durch den lukrativen Fernhandel bis nach Paris, Venedig und Kiew. Die Handelsherren errichteten nach italienischem Vorbild trutzige Häuser mit Geschlechtertürmen, was sie nur wegen der Reichsfreiheit durften, denn darin konnte man sich verschanzen (rechts: Baumburgerturm am Watmarkt, dessen „etwas geschmäcklerische Farbe Denkmalpflege aus der Tiefe des Gemüts" kommt, wie Prof. Kiesow es nennt).
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Regensburg jüdische Gemeinde gilt als eine der ältesten in Deutschland, wenngleich Juden hier definitiv erst im Jahr 981 fassbar waren. Im 12. und 13. Jh. hat sich das Judenviertel zu höchster Bedeutung entwickelt. Allein die Talmudschule war ein geistiges Zentrum von europäischem Rang. Juden betätigten sich als Fernhändler und trugen zur Entwicklung der Stadt als Handelsmetropole bei. 6 Nach dem Tode von Kaiser Maximilian I. 1519 wurde nach einem Ratsbeschluss die Judengemeinde von etwa 500 Personen, bei der viele Regensburger hoch verschuldet waren, vertrieben und ihr Viertel systematisch zerstört. An der Stelle liegt heute der Neupfarrplatz mit der „Neuen Pfarre", die erste evangelische Kirche seit 1542, nachdem Regensburg 1528 protestantisch geworden war; Bistum und einige Klöster blieben jedoch bestehen.

Bei seiner letzten Reichstagsversammlung in der Stadt verliebte sich Kaiser Karl V. in die schöne Regensburger Gürtlerstocher Barbara Blomberg. Das Resultat der heißen Affäre rettete 24 Jahre später (1571) das Abendland: Don Juan dAustria, der als Held in der Seeschlacht von Lepanto die türkische Expansion beendete.

Die Wirren des Dreißigjährigen Krieges setzten der Stadt stark zu, die zuerst in die Hände der kaiserlichen, dann protestantischen schwedischen, Truppen und wieder zurück fiel. Der wandernde Reichstag versammelte sich seit 1594 jährlich nur noch hier, ab 1663 bis zum Ende des Alten Reiches 1806 war Regensburg Sitz des „Immerwährenden Reichstages". Hinzu kam, dass die evangelische Reichsstadt, Sitz des Bischofs und dreier Reichsabteien, als „neutraler Boden" gelten konnte. Ab 1748 haben die damals zu Vertretern des Kaisers oder Prinzipal-Kommissaren auf dem Reichstag ernannten Fürsten von Thurn und Taxis hier ihre Residenz. Mit dem „Reichsdeputationshauptschluss" von 1803 fiel die letzte Entscheidung des Reichstages, die Österreichs Unabhängigkeit brachte. Die Zeit des Fürstbistums unter Carl von Dalberg aus Mainz währte nur kurz bis 1810, als das geschwächte Regensburg in das neue Königreich Bayern eingegliedert wurde.

Regensburg ist seit 1838 Hauptstadt der Oberpfalz mit Sitz der Bezirksregierung, seit 1967 auch Universitätsstadt und bietet 100.000 Arbeitsplätze bei 128.000 Einwohnern als viertgrößte Stadt Bayerns nach der Eingemeindung von 23 bayrischen Dörfern. Vieles wurde mit dem Städtebau-Förderungs-Gesetz erreicht mit 360 Mio. DM, ab 1991 80 Mio. DM jährlich, die zu gleichen Teilen von Land und Gemeinde ergänzt wurden. Der Bund wird zwar nicht als „kompetent angesehen, aber das Land darf Geld annehmen, wie Prof. Kiesow meinte. Wir fanden Regensburg voller Touristen; die Stadt zeigt sich selbstbewusst und hatte ein Spruchband ausgehängt „Regensburg hat gewonnen" - gemeint ist der Wettbewerb „Kulturhauptstadt 2010", der noch nicht entschieden ist. Bremen will auch, Görlitz, Prof. Kiesows „heimliche Liebe" hat es nötiger, aber leider tue der Freistadt Sachsen nichts für den Tourismus. Regensburg als mustergültige Stadt hat erst spät einen Antrag als „Weltkulturerbe der UNESCO" gestellt; Prof. Kiesow hat hierfür noch ein Gutachten zu schreiben.

2.2 Landshut
Landshut ist genau 800 Jahre alt; es wurde 1204 vom Herzog Ludwig dem Kelheimer gegründet und rühmt sich daher, die erste Hauptstadt der Wittelsbacher gewesen zu sein. Diese feste Residenz der sollte dem Land „zu Schutz und Hut" dienen, wovon sich der Name „Landshut" ableitet. 7  Erst 1255, mit der Teilung Altbayerns, gab es mit München eine zweite Hauptstadt. Hier, am Übergang über die Isar, kreuzten sich die Handelsstraßen von Augsburg nach Passau und von Regensburg nach Salzburg. Die Stadt Landshut, zum Bistum Freising gehörend, entwickelte sich aus drei Siedlungskernen:
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hoch auf dem Steilhang die Burg Trausnitz, ihr zu Füßen die Vorläuferin der Martinskirche (Bild links) mit Ansiedlungen von Handwerkern und Kaufleuten sowie jenseits der beiden Isararme das Zisterzienserinnen-Kloster Seligenthal, das 1231 von der Gemahlin des ermordeten Kaisers Ludwigs des Kelheimers zum Gedächtnis gestiftet worden war.

Die „Altstadt" ist einer der breitesten Straßenmärkte überhaupt. Sie wird dominiert von der Martinskirche und der Heilig-Geist-Kirche und gilt als schönste Straße Süddeutschlands. Neben der „Altstadt" wurde um 1280, nur 30 Jahre später, parallel die „Neustadt" angelegt, verbunden mit Gassen, die wie die Sprossen einer Leiter wirken. Ihr gegenüber, zur Isar gelegen, verläuft die Ländgasse. Dritter Stadtteil ist die „Freyung" mit St. Jodok, der zweiten Pfarrkirche. Die „Altstadt" hat krumme Straßen, die „Neustadt" nicht. Die Straßen wurden absichtlich krumm angelegt, wie Prof. Humpert es mit Tauen und Knoten in Wismar nachgestellt hat.

Als Regierungssitz des Teil-Herzogtums Bayern-Landshut erlebte der Ort, ein „Idealbild einer altbayrischen Residenzstadt", unter den „Reichen Herzögen" 1393 bis 1503 seine Glanzzeit. Als Kunststadt wurde es weltberühmt: Die Meister der Bauhütte, Bildschnitzer, Bronzegießer, Harnischmacher und Glockenschmiede trugen alle dazu bei. Der Martinsturm, einmalig auf der Welt, weil er trotz seiner Höhe nur aus Ziegeln gemauert ist, gilt heute noch als Symbol der Bürgerschaft, die nicht selten sogar den Herzögen die Stirn bot. 8

Landshut hat sein gotisches Gesicht bis heute bewahrt. Die Altstadt als historischer Mittelpunkt der altbayerischen Residenzstadt in ihrer gewachsenen Harmonie, in ihrer elegant geschwungenen, durch leichte Versetzung gegliederten Baulinie, sucht ihresgleichen. Neben dem Barock hat auch der Historismus trotz aller eigenen Baulust mit sicherem Gefühl den einmal gesetzten Maßstab der Gotik respektiert.

Heute ist Landshut Regierungssitz von Niederbayern, hat 60.000 Einwohner, und seine Alt- und Neustadt gehören zu den einheitlichsten und besterhaltenen Denkmalensembles in Deutschland. 9 Zum Jubiläum hat sich Landshut heraus geputzt: Die zum größten Teil gotischen Ziegelhäuser leuchtet in zartem Blau, lichtem Gelb oder sanftem Grün.

2005 wird wieder die „Landshuter Hochzeit gefeiert wie alle vier (früher drei) Jahre. 1475 heiratete Georg der Reiche die polnische Prinzessin Hedwig. 10 Neben Kaiser Friedrich III. nahm fast der gesamte Hochadel teil. Die mit dem Jubel „Himmel Landshut! Tausend Landshut!" umbrandete Hochzeit dauerte acht mit Gottesdiensten, Turnieren, Tänzen und Huldigungen überfüllte Tage. 11 Rund 2.000 Landshuterinnen und Landshuter nehmen als Akteure an diesem bunten Historien-Spektakel teil, das mit zu den größten Europas zählt. Prof. Kiesow wird aufpassen, mit seiner Denkmalschutz-Reise nicht hinein zu geraten.

2.3 Straubing
Zwei Kilometer östlich des heutigen Stadtzentrums errichteten die Römer um 80 n. Chr. ein Kohortenlager mit dazu gehörender Zivilsiedlung, für das sich der keltische Name „Sorviodurum" einbürgerte; kurz darauf kam ein zweites Castrum in der Nachbarschaft hinzu. Ein drittes spätrömisches Kastell vermutet man im Bereich von St. Peter. 12 1950 wurden auf einem Gutshof unter einem Bronzekessel Paraderüstungen entdeckt - der bisher umfangreichste Schatzfund seiner Art im gesamten Römischen Reich.
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Die prachtvollen Gesichtsmasken, Beinschienen und Pferdekopf-Schutzplatten, waren zusammen mit Götterstatuen, Handwerksgerät, Hausrat und Waffen vergraben worden. Sie werden heute im „Gäubodenmuseum" ausgestellt. Auf die Landwirtschaft weist auch das Stadtwappen mit Pflug, zwei Rautenschilden (der Grafen von Bogen, auf dem Gegenufer der Donau, die später in das bayrische Staatswappen übernommen wurden, und Lilie von 1270. 13

897 wurde der Ort „Strupinga erstmalig urkundlich erwähnt, der wohl schon zur Mitte des 1. Jahrtausends bestanden hat. 1029 wurde das Königsgut dem Augsburger Domkapitel geschenkt. Ludwig der Kelheimer legte 1218 in unmittelbarer Nachbarschaft zu Alt-Straubing eine neue Stadt an, deren Grundriss der 600 m lange, west-östlich gerichtete Straßenmarkt beherrscht. 1353 stieg die Siedlung zur Residenz des Teil-Herzogtums Straubing-Holland auf und erlebte in der Folgezeit ihre höchste Blüte. Albrecht I. begann 1356 vor der Nordostecke mit dem Bau eines zur Donau orientierten Schlosses. Nach der Übernahme Straubing-Hollands durch die Münchner Linie der Wittelsbacher und nach der Wiedervereinigung Ober- und Niederbayerns erhielt die Gäuboden-Metropole eines der vier Rentämter des Herzogtums Bayern. 14

Die Stadt hat sich mancherorts Mittelalterliches bewahrt, auch wenn Barock, Rokoko und Klassizismus die Fassaden teilweise neu dekorierten, 15 so in Straubings Wahrzeichen, dem frei aufragenden Stadtturm, einem „Belfried als Aussichtsturm gegen Brand und Feinde (ab 1316, Foto oben links) mit der Trinkstube, einem an den Turm gelehnten veränderten Bau des 15. Jh. Der Turm teilt den Straßenmarkt in den Theresien- und den Ludwigsplatz mit seinen steil aufragenden Speichergiebeln zum Hopfen trocknen (Bild rechts).
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Hier findet täglich ein Gemüsemarkt der Straubinger „Gartler statt, an Samstagen lädt auf dem Theresienplatz ein Bauern- und Viktualienmarkt ein. 16 Das jährlich im August gefeierte Gäubodenvolksfest ist das zweitgrößte Bayerns. Die kreisfreie Stadt zählt etwa 44.000 Einwohner.

1382 erwarben die Bürger ein gotisches Handelshaus und bauten es zum Rathaus um. Der ursprüngliche gotische Giebel am dreigeschossigen Gebäude wurde im 19. Jh. durch eine neugotische Fassade ersetzt. Barocke Zier geben die Dreifaltigkeitssäule (1709 auf Grund eines Gelübdes im Spanischen Erbfolgekrieg errichtet) und die beiden Brunnen der Stadtheiligen St. Jakob und St. Tiburtius auf der Marktstraße.

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